Kirche:Hier dienen die ältesten Ministranten weit und breit

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Normalerweise versehen junge Leute den Dienst am Altar. Doch in Hanfeld fehlt der Nachwuchs. Daher helfen fünf Männer im Alter von 62 bis 77 Jahren dem Pfarrer.

Von Astrid Becker, Starnberg

Wenn es ums Ministrieren geht, beginnen die Augen von Anton Modl zu leuchten. Sich in den Dienst der katholischen Kirche zu stellen, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, ebenso für seine vier Mitstreiter, den Ingenieur Bernhard Seiffert, den einstigen Angestellten bei einer Sozialversicherung, Josef Hiebl, den Banker Werner Hanika und den Spediteur und Stadtrat Anton Summer. Dennoch sind die fünf ein ungewöhnliches Gespann am Altar. Denn sie sind zwischen 62 und 77 Jahre alt und dürften damit die wohl ältesten Ministranten weit und breit sein. Sie alle haben sich dazu verpflichtet, weil es sonst - wie in Perchting oder Hadorf - keine Ministranten mehr in der Hanfelder Kirche St. Michael gäbe.

Modl ist gebürtiger Starnberger und lebt noch immer in der Kreisstadt. Aber zum Gottesdienst geht er seit jeher nur nach Hanfeld: "Weil die Messe dort früher anfängt", sagt er. Und das behage ihm. Dort musste der langjährige Pfarrgemeinderatsvorsitzende mitanschauen, wie es nach und nach immer weniger Ministranten wurden. Erst waren es noch zwei, vor sieben Jahren nur mehr einer, und dann 2011 quittierte auch dieser seinen Dienst.

"Da fehlt was", sagte sich Modl und erinnerte sich an seine Ministrantenzeit in seiner Jugend. Eigentlich, so dachte er sich, beherrsche er ja noch sein "Handwerk", genauso wie die vier anderen, die er aus seiner Pfarrgemeinderatszeit kannte. Jeder von ihnen hatte irgendwann erzählt, dass er mal Ministrant gewesen sei. Also rief er die vier an und alle waren von Modls Idee begeistert. Sie wandten sich an den damaligen Pfarrer Werner Haas und fragten ihn, ob denn auch Senioren ministrieren dürften. "Das wussten wir auch nicht", sagt der mittlerweile 73-Jährige.

Ingenieur, Banker, Stadtrat: Neben Anton Modl (3. v. l.) versehen in St. Michael die wohl ältesten Messdiener weit und breit den Dienst am Altar. (Foto: privat)

Viele Jahre lang hatte er die Bayerische Fachschule für Datenverarbeitung geleitet. 40 Jahre hatte er in der IT-Branche gearbeitet, quasi von den Anfängen des Computerzeitalters an. Noch heute lässt ihn sein Beruf nicht los: Beim Seniorentreff gibt er Computerschulungen und engagiert sich in der Initiative "Zeit für Schüler". Dabei trainiert er junge Menschen für ihre Bewerbungsgespräche oder unterstützt sie in Fächern wie Mathematik, Deutsch oder Englisch: "Ich war ja immer Lehrer und zwar gern", sagt der studierte Ingenieur.

Daher würde er sich wünschen, Kinder und Jugendliche auch als Ministranten in Hanfeld anlernen zu können. "Wir wollen ja niemandem die Aufgabe als Ministrant wegnehmen", sagt er. Doch dafür müssten sich erst mal Jüngere melden. Ein wenig Unterstützung bekommen die fünf von einem jugendlichen Geschwisterpaar, das in Starnberg ministriert und nun in Hanfeld aushilft. "Das ist schön", meint Modl.

Ganz so schwierig wie früher sei es ja auch nicht mehr, das Ministrieren. Als er nach der Erstkommunion, damals in der vierten Klasse Grundschule, damit angefangen hatte, war erst einmal Pauken angesagt. Die Gottesdienste wurden auf Latein gehalten, ein Ministranten musste daher das Stufengebet auf Latein auswendig lernen. Dieses Gebet wurde früher nach dem Einzug im Wechsel vom Priester und den Ministranten gesprochen. "Das war sehr viel Text", erinnert sich Modl.

In der Kirche St. Michael stellen sich die Ministranten auf den neuen Stadtpfarrer Andreas Jall ein. (Foto: Nila Thiel)

Zudem war der Ablauf der Messen damals anders als heute: "Wir mussten beispielsweise viel öfter das Buch hin- und hertragen", sagt er. Das Buch, damit meint Modl das Lectionar, also das Messbuch, das die quasi vorgeschriebenen biblischen Lesungen im Ablauf des Kirchenjahres enthält. Genau festgelegt war auch die Choreografie, das heißt, wann gekniet oder gestanden werden musste und wann die Gläubigen sich zu verbeugen hatten.

Mittlerweile hat sich vieles geändert. Auch wenn die Sache mit dem Knien und vor allem dem danach wieder Aufstehen nicht ganz so einfach geht wie früher: "Freilich spüren wir da unser Alter, wir müssen uns schon mal wo aufstützen, um wieder hoch zu kommen", sagt Modl. Trotzdem sind die fünf heute ein eingespieltes Team. Genau festgelegt haben sie, wer wann welche Aufgabe übernimmt, wer für das Rauchfass zuständig ist, das bei hohen Feiertagen zum Einsatz kommt, wer Altardienst übernimmt und wer die Lesung liest. "Wir sprechen uns aber da immer auch immer mit jeweiligen Pfarrer ab." Denn auch da hat jeder seine bestimmten Vorlieben. Der eine wolle den Kelch abgedeckt, der andere nicht, der eine bringe sein eigenes Messbuch mit, der andere verwende das der Kirche. "Das muss man wissen", sagt Modl.

Drei verschiedene Pfarrer haben sie in ihrer Zeit als Ministranten schon erlebt, nun stellen sie sich gerade auf den neuen Stadtpfarrer Andreas Jall ein. Dass er mit seinen 41 Jahren ihr Sohn sein könnte, stört die fünf nicht. Im Gegenteil: "Der Pfarrer ist eine Respektsperson, der man mit Demut begegnet", meint Modl.

Jall scheint kein Mensch zu sein, der dies erwartet. Er war eigenen Aussagen zufolge sogar ein bisschen aufgeregt vor seinem ersten Gottesdienst mit den fünf Ministranten aus Hanfeld: "Wissen Sie, es ist schon ein besonderes Gefühl, als 41-Jähriger plötzlich in der Sakristei auf fünf gestandene Mannsbilder zu treffen", sagt er. Aber auch ein sehr schönes. Jall ist den Fünf sehr dankbar, dass sie sich in den Dienst der Kirche gestellt haben: "Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut vor ihnen" und "ich würde mir wünschen, dass noch mehr Ältere ihrem Beispiel folgen. In Perchting zum Beispiel oder auch in Hadorf." Ein größeres Lob für die Fünf kann es wohl nicht geben.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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