"Junispiele" in Starnberg:Forever young

Lesezeit: 3 min

Ungewöhnlicher Ort für eine Pressekonferenz: Verena Fincke, Elisabeth Carr und Lucy Reynolds (v.li.) präsentieren im Gemischtwarenladen "Johann Biller" das Programm für die Junispiele "schön jung". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kulturgestalterin Elisabeth Carr hat für die vierte Auflage ihrer Reihe wieder ungewöhnliche Orte mit interessanten Künstlern ausgewählt. Die Veranstaltungen stehen unter dem Motto "schön jung".

Von Peter Haacke, Starnberg

Fünf Veranstaltungen in 17 Tagen, fünf Veranstaltungsorte und ein außergewöhnliches Programm gibt es bei den vierten "Junispielen" mit Künstlern und Autoren, die spielen, sich austoben, Funken sprühen lassen, Neues entdecken und - vor allem - jung und wild sein sollen: Elisabeth Carr ("Kunsträume am See") hat auch in diesem Jahr wieder ein kontrastreiches Programm in Starnberg, das von 7. bis 24. Juni über die Bühne geht, ersonnen, und das unter dem Motto "schön jung" steht: Poetry Slam im Jugendtreff, Lyrik und Märchen im alten Gemischtwarenladen, ein Spiel im Modeatelier, Geschichten der wilden 68er im Kulturbahnhof und österreichische Stilblüten aus Facebook im Hotel - so vielseitig die Orte sind, die Kulturgestalterin Elisabeth Carr entdeckt hat, so exklusiv ist auch die Kunst und Kultur im Süden Münchens.

"Es ist so schön zu spielen", sagt Carr, "da hatte ich Lust dazu". Sie will mit ihrem kleinen Festival "Anregungen für einen Dialog" geben in einem weiten Spektrum unterschiedlichster Richtungen. Mit der Auswahl ihrer Gäste ist ihr nebenbei der Kunstgriff gelungen, ein Programm für nahezu alle Altersgruppen anzubieten. Den Auftakt bestreitet am Donnerstag, 7. Juni, die Slam-Legende Ko Bylanzky mit Poetinnen, Poeten und ambitionierten Newcomern. Im Starnberger Jugendtreff Nepomuk geben sie Gedichte, Kurzgeschichten, Rappverse und szenische Monologe zum Besten. Bylansky ist stilprägend für Münchens Slam-Szene: Schon seit 1996 veranstaltet er mit seinem früheren Schulfreund Rayl Patzak den "Munichslam". Der erste Bylansky-Auftritt in Starnberg dürfte eher jugendliches Publikum ansprechen. Der Eintritt zum Poetry-Slam - Motto: "Great and young" - im Jugendzentrum am Nepomukweg kostet 15 Euro, Schüler und Studenten zahlen 7 Euro.

Ein schöner, alter Gemischtwarenladen im Dornröschenschlaf ist die Gemischtwarenhandlung "Biller" an der Starnberger Hauptstraße. In diesem seit 1804 bestehenden Geschäft wird Schauspielerin und Performerin Judith Huber mit ihren Kindern Henriette und Joseph am Samstag, 9. Juni (17 Uhr), Märchen und literarische Texte präsentieren - darunter Märchen von Grimm und Andersen und Gedichte von Ringelnatz. Das herrlich altertümliche Geschäft, das vor knapp fünf Jahren geschlossen wurde, wird zur Bühne; Stoffe, Knöpfe und Faden werden aus Biedermeierschubladen und Regalen gezogen. Motto des Abends: "Wir spielen Einkaufen". Wer an diesem Event teilnehmen möchte, muss vorab Karten reservieren; der Eintritt kostet 18 Euro (ermäßigt 8 Euro).

Zu einem Spiel mit ungewöhnlichen Stoffen laden die beiden Studentinnen Johanna Winkler und Lucy Reynolds am Freitag, 15. Juni (20 Uhr), in den "Kunstraum 5" (Josef-Jägerhuber-Straße 5; 1. OG) ein. Sie haben sich an der britischen Mode- und Design-Ikone Vivienne Westwood ("Ich habe mein ganzes Leben so gelebt, als wäre ich jung . . .") orientiert, die ihr Wirken seit Beginn der 70er Jahre stets auch als Aktivismus in Mode und Kunst verstand. Die jungen Frauen haben sich mit der Erfinderin der Punkmode auseinandergesetzt und präsentieren eine ungewöhnliche Performance voller Überraschungen mit Punkmusik. (Eintritt: 17 Euro/8 Euro; verbindliche Kartenreservierung ist erforderlich)

Kultstatus genießt die Österreicherin Stefanie Sargnagel, die vor allem durch ihre Facebookposts bekannt wurde. Auch ihr drittes Buch ist wieder eine Aphorismensammlung. Die Frau mit der roten Baskenmütze, ausgezeichnet mit dem österreichischen Kabarettpreis, liest am Freitag, 22. Juni, im Hotel "Bayerischer Hof" aus ihrem jüngsten Werk "Statusmeldungen". Sie fasziniert ihre Zuhörer mit Humor, der satirisch bis sarkastisch ist: Rasiermesserklingenscharf seziert sie mit "liebevollem Bashing" gesellschaftliche Befindlichkeiten und scheut sich nicht, in politisch überkorrekten Zeiten Position zu beziehen.

Zum Abschluss der Junispiele 2018 präsentiert die Diplom-Psychologin, Kunst- und Gestalttherapeutin Almut Ladisisch-Raine am Sonntag, 24. Juni (19 Uhr; Kulturbahnhof Starnberg) Geschichten aus ihren wilden 68ern. Sie - damals jung - liest und erzählt Geschichten aus den Jahren des Aufbruchs, aber auch, wie es danach weiterging. Love, Peace, Revolution und "forever young" ist nur eine Seite der Medaille mit romantisierendem Rückblick auf Flowerpower, Hippie-Kultur sowie politische und gesellschaftliche Bewusstseinsbildung. Die andere Seite dagegen offenbart auch Leid, Tragik, Krieg und großes Elend in der Welt. Carr weiß: "Ohne die 68er ist unser Leben heute nicht zu denken. Die alten 68er waren wichtige Wegbereiter." Begleitet wird die Lesung durch Visuals von Verena Fincke und Music von D.J. Carr.

Alle Veranstaltungen finden in relativ kleinen Räumlichkeiten statt, Interessierte sollten nicht allzu lange warten. Tickets gibt es bei "Kunsträume am See" (Milchberg 11; Kempfenhausen; Telefon 08151/ 559721) sowie der Starnberger Tourist Information (Hauptstraße 1, 08151/90600). Alle Infos: www.kunstraeume-am-see.de.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: