Jugendzentren:Chillen, kickern, Partys und noch mehr

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Schönheit ist wichtig - nicht nur für Erwachsene: Und so sind die Schminkkurse von Maskenbildnerin Petra Wurdack im Starnberger Jugendtreff Nepomuk vor allem bei jungen Mädchen wie Lara Klöter sehr beliebt. (Foto: Arlet Ulfers)

In den Jugendhäusern können Teenager eine Auszeit aus dem Alltag nehmen und über ihre Probleme reden

Von Patrizia Steipe, Starnberg

Sie heißen Nepomuk, Stellwerk, Juz, Q-Stall oder einfach nur Jugendhaus. Die einen bieten ein Programm, das einer Volkshochschule würdig wäre, andere laden mehr zum "Chillen". Es gibt auch welche, die vor allem wegen ihrer Partys beliebt sind und solche, die mit Billard, Kicker und Co. locken - gemeinsam ist den Jugendhäusern im Fünfseenland eines: Sie sind ein wichtiger Erfahrungsort für Jugendliche und sie sind offen für jeden Heranwachsenden. "Wenn Jugendliche sich darauf einlassen, dann ist das Jugendhaus auch ein Ort des Vertrauens", weiß Sebastian Matook. Der Kreisjugendpfleger ist für die kommunale Jugendarbeit und damit für alle Jugendhäuser im Landkreis zuständig. Er ist der Nachfolger von Eduard Zenger, der mehr als 25 Jahre lang die Jugendarbeit im Landkreis geprägt hat und vor einiger Zeit gestorben ist.

Matook kennt sich mit Jugendhäusern und deren Besuchern aus. Bevor er an das Landratsamt Starnberg kam, arbeitete er im Herrschinger JuHe und im späteren Stellwerk. Jetzt ist die offene Jugendarbeit nur eines seiner vielen Aufgaben, aber sie ist ein besonders wichtiger Teilbereich. Schließlich sind Jugendzentren keine Prestigeobjekte der Gemeinden, sondern sie erfüllen wesentliche gesellschaftliche Aufgaben. Jugendarbeit "ist eine Pflichtaufgabe, die in den Sozialgesetzbüchern festgeschrieben ist", weiß Matook. In den Jugendhäusern lernen die Teenager nicht nur soziale Kompetenzen und Werte, sondern auch wie man respektvoll miteinander umgeht. Außerdem können sie mit ihren Problemen dorthin kommen und nicht zuletzt ihre Freizeit sinnvoll gestalten. "Jugendzentren sind Rückzugsorte für Jugendliche, die oft keine anderen Möglichkeiten dazu haben", sagt Matook.

Kreisjugendpfleger Sebastian Matook berät die Gemeinden, wenn es darum geht, ein Konzept für ein Jugendhaus zu finden. (Foto: Arlet Ulfers)

Viele Besucher haben einen Migrationshintergrund, etliche stammen aus schwierigen Familienverhältnissen: Sei es, dass beide Eltern arbeiten und wenig Zeit für die Kinder haben oder dass die Familien so beengt leben, dass der Heranwachsende kein eigenes Zimmer hat. Im Jugendzentrum können die Teenies eine Auszeit aus dem Alltag nehmen und finden dort jemanden, der ihnen zuhört. Die Jugendhausmitarbeiter sind Ansprechpartner für alle möglichen Belange. "Ein Jugendlicher hat in der Schule Ärger, einem anderen droht ein Gerichtsverfahren oder die Eltern trennen sich", zählt Matook auf.

Aber nicht jeder Besucher braucht Hilfe. Manche kommen einfach zum Computerspielen oder um Leute kennen zu lernen. "Wir müssen deswegen die gesamte Bandbreite abdecken", mahnt der Kreisjugendpfleger. Jedes der Jugendhäuser hat ein anderes Konzept. Schweigepflicht ist aber oberstes Gebot. Nur so könne Vertrauen aufgebaut werden. Einmal im Monat treffen sich die Vertreter aller Jugendzentren am "runden Tisch". Hier können sie Erfahrungen austauschen, Trends und Entwicklungen im Jugendbereich erkennen und gegebenenfalls in den Einrichtungen aufgreifen. Regelmäßig werden Fortbildungen angeboten.

Breakdance gehört zu dem breiten Angebotsspektrum des Starnberger Jugendtreffs Nepomuk. Auf unserem Foto übt gerade Ahmed Almousa sehr gekonnt. (Foto: Arlet Ulfers)

Aktuell geht es um "Flüchtlinge, Asyl, Traumata". Die Sozialpädagogen wollen auf ihre neue Klientel vorbereitet sein. "Das ist eine Herausforderung für die Jugendarbeit", prophezeit Matook. Die Jugendhäuser können schließlich wichtige Integrationsarbeit leisten. "Hier wird ihnen zum Beispiel erklärt, wie die deutsche Gesellschaft funktioniert". Dabei werde auf die Herkunft der Jugendlichen Bezug genommen. Matook nennt das "kultursensibel arbeiten". Zuerst müssten sich die Sozialpädagogen aber mit dem Thema Krieg, mit Religionen und den Herkunftsländern der jugendlichen Flüchtlinge auseinander gesetzt haben. "Es ist wichtig, dass man weiß, wer einem gegenüber sitzt, um ins Gespräch zu kommen". Selbstkritisch merkt der Kreisjugendpfleger aber an: "Da müssen wir noch viel lernen. Da fehlt Wissen." Er sucht deswegen für die Jugendhausmitarbeiter Broschüren, Fortbildungen, Fachleute, aber auch Links zu diesem Thema und diskutiert neue Ideen für die Integrationsarbeit. So könne etwa vormittags, wenn die Häuser leer stünden, dort Deutsch unterrichtet werden, regt er an.

Für die Jugendzentren ist Matook aber auch ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es darum geht, Wünsche umzusetzen. Über ihn können die Mitarbeiter und Jugendlichen Zuschüsse beantragen. "Die einen wollen einen Händetrockner, die anderen die Räume renovieren oder eine Freizeitmaßnahme bezuschusst haben". Außerdem gibt es über die kommunale Jugendarbeit die Möglichkeit, Materialien und Referenten für bestimmte Themen zu buchen, sowie Geräte auszuleihen. Regelmäßig werden vom Kreis auch Veranstaltungen angeboten, damit sich die Jugendlichen über die Gemeindegrenzen hinweg kennenlernen können. Mal ist es ein Fußballturnier, ein Bandcontest, aber auch Freizeiten in der landkreiseigenen Max-Irlinger-Hütte sowie Urlaubsfahrten. Viele der Wünsche werden problemlos erfüllt. Bei den Kommunen, aber auch bei den Vereinen stößt Matook auf offene Ohren: "Alle wollen etwas für die Jugend machen. Da herrscht ein Konsens". Trotzdem gibt es einiges zu tun. Ein paar weiße Flecken finden sich noch auf der Landkreiskarte: Gemeinden, in denen es keine Jugendhäuser gibt. "Diese sind nicht ganz flächendeckend verteilt", bedauert Matook. In Tutzing würde ein Jugendhaus beispielsweise fehlen, auch die Feldafinger wünschten sich eines. Im Moment haben die Kommunen aber andere Sorgen und Prioritäten. "Der Zeitpunkt ist schlecht", erklärt Matook.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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