Integration:Traumberuf Kellner

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Abdullah Iftekhari will Kellner werden. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten in diesem Beruf sind für ihn kein Problem. (Foto: Nila Thiel)

Der 18-jährige Afghane Abdullah Iftekhari ist Auszubildender im Feldafinger Hotel "Kaiserin Elisabeth".

Von Otto Fritscher, Starnberg

Ein wenig schüchtern sitzt er da auf der Schulbank, dieser große, schlaksige junge Mann. Aber seine dunklen Augen sind wach, und Abdullah Iftekhari antwortet flüssig in sehr gutem Deutsch. Dabei lebt der 18-jährige Afghane erste seit fast genau zwei Jahren in Bayern, zunächst in einem Bauwagen beim "Wort des Lebens" in Allmannshausen, und nun schon eine Weile in einer WG für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge in Tutzing.

Wenn es irgendwie geht und es seine Arbeitszeiten zulassen, kommt Iftekhari jeden Freitagnachmittag ins Starnberger Gymnasium um sich von den Coaches der Stiftung "Startchance" in diversen Schulfächern helfen zu lassen. Dabei geht es durchaus um ungewöhnliche Dinge: "Die Beschreibung der verschiedenen Weine sind für mich sehr schwierig gewesen", sagt Iftekhari. Weinsorten? Ja, dies brauche er beruflich, sagt der junge Mann, der gut vor zwei Monaten eine Ausbildung als Restaurantfachkraft - sprich Kellner - im Feldafinger Hotel "Kaiserin Elisabeth" begonnen hat.

Vermittelt hat ihm den Job die Betreuerin in seiner Wohnanlage, fit gemacht für das Arbeitsleben hat ihn auch die Stiftung Startchance, die seit zwei Jahren in Starnberg, Aufkirchen, Schäftlarn und Geretsried Unterstützung für 75 Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien anbietet. "In der Regel sind das aber Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund wie Abdullah", sagt Michaela Muhl, die den Starnberger Stützpunkt der Stiftung leitet. Sie kümmert sich um die 20 Schüler im Alter von sieben bis 20 Jahren, und um die Choaches, die nicht nur mit ihren Schützlingen lernen, sondern auch viele praktische Aspekte der Integration besprechen und üben. Muhl selbst arbeitet als Lehrerin für Englisch, Geschichte und Chinesisch am Starnberger Gymnasium.

Iftekhari hat einen Bombenanschlag in Kabul hautnah miterlebt, kam aber zum Glück unverletzt davon. Als Shiite und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara war er sich seines Lebens in Afghanistan nicht mehr sicher. Er flüchtete in den Irak. Dort arbeitete er als Bauhelfer, bevor er über die Türkei "in einem kleinen Boot" nach Griechenland und von dort aus weiter über die sogenannte Balkanroute erst nach Österreich und dann nach Deutschland kam. Zu seinen Eltern in Afghanistan hat er keinen Kontakt mehr. Vor fast genau zwei Jahren war das. Seit damals schon nutzte er die "Startchance".

Das Hotel "Kaiserin Elisabeth" hat Iftekhari schon während seiner vier jeweils dreiwöchigen Praktika dort kennengelernt. Ein anderes Praktikum hat Iftekhari in einem Kindergarten gemacht. "Da habe ich mit den Kindern Deutsch gelernt", sagt er und lacht. Aber arbeitet er im traditionsreiche Hotel.

"Die Kollegen sind nett", sagt er und auch die unregelmäßigen Arbeitszeiten - manchmal hat er Frühdienst, dann Pause, und muss am Abend wieder in den Kellnerfrack schlüpfen - "machen mir nichts aus". Auch die meisten Gäste seien nett zu ihm, fragen ihn, wo er denn herkommt. Manche tippen auf Thailand, aber das ist ja falsch.

Und wie ist das mit der Bezahlung? Rund 700 Euro stehen auf Iftekharis Lohnzettel, davon gehen Steuern und S-Bahnfahrkarte weg, es bleiben ihm so 400 Euro im Monat. "Das geht schon", sagt er, wieder etwas schüchtern, und lächelt. "Wir haben jetzt also bereits drei Jugendliche in Ausbildungsstellen gebracht", freut sich Michaela Muhl. Mansur, ebenfalls ein junger Afghane, absolviert eine Schneiderlehre, und eine junge Frau arbeitet als Auszubildende in einem Starnberger Supermarkt. Weitere sollen folgen.

Was war für Abdullah Iftekhari in Deutschland am schwierigsten? Abdulahh überlegt. "Die Arbeitserlaubnis zu erhalten", antwortet Michael Muhl für ihn. Seit einem Bombenanschlag in Afghanistan ist Iftekhari ein anerkannter Asylbewerber, vorher sollte er abgeschoben werden. Was er in seiner Freizeit macht? "Lernen", sagt der junge Mann, auf der Berufsschule und auch privat: Deutsche, Mathe und Englisch.

Da bleibt wenige Zeit für Ausflüge, die die Stiftung immer wieder organisiert. Und was ist für den jungen Mann derzeit das größte Problem? Die Wohnungssuche, denn als anerkannter Asylbewerber muss er die bisherige Unterkunft verlassen. Und die Mieten im Landkreis Starnberg sind für einen Azubi in der Regel zu hoch. Was ihm am besten gefällt? "Dass ich jetzt arbeiten kann", sagt Iftekhari, ohne zu überlegen.

Ins Leben gerufen hat die Stiftung vor drei Jahren Wulf von Schimmelmann, ehemals Chef der Postbank, und nun Aufsichtsratsmitglied bei großen Unternehmen. Er lebt am Starnberger See. Unterstützt wird die Stiftung unter anderem vom Starnberger Rotary Club. Und auch in diesem Jahr können wieder über die Homepage www.startchance.org von Kinderhand gemalte Weihnachtskarten bestellt werden.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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