Inklusion:Trommeln mit Handicap

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"Der Nebel lichtet sich, die Gedanken werden klar": Trommeln tut Menschen mit psychischen Behinderungen gut. (Foto: Robert Haas)

Der Sozialpsychiatrische Dienst in Starnberg hat eine Percussion-Gruppe gegründet, die als erste ihrer Art im Landkreis auf Inklusion abzielt. Im Juli feiert die Organisation ihr Jubiläum mit Bongos und Zimbeln

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Einmal richtig draufhauen können: Ob Bongo oder Becken, Zimbel, Glocke oder Shaker - in der Percussion-Gruppe des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi) in Starnberg ist jeder willkommen, der Freude am Rhythmus und am gemeinsamen Musizieren hat. Mitarbeiterin Ursula Scharnitzky hat die Formation vor zwei Jahren gegründet, um Menschen mit psychischen Behinderungen und Nicht-Behinderte zusammenzubringen. Seitdem spielen die Laienmusiker unter der Leitung von Till Osswald.

Das Projekt ist offen, jederzeit können neue Interessenten aufgenommen werden. Es ist die erste Percussion-Gruppe im Landkreis Starnberg, die Inklusion zum Ziel hat. Und Ursula Scharnitzky ist stolz darauf, dass seither eine homogene Gruppe entstanden ist.

"Ich sehe gar keine Klienten von Ihnen", hatte eine Dame aus der Gruppe einmal festgestellt. Scharnitzky sieht es als Erfolg, wenn es in der Formation keinen Unterschied mehr gibt zwischen Menschen mit Behinderung und Nicht-Behinderten. Das sei wirkliche Inklusion, sagt sie. Nach den Erfahrungen der Sozialpädagogin gibt es noch immer Vorurteile gegen Menschen mit psychischen Erkrankungen. Psychiatrie sei ein Stigma, die Furcht vor Kontakten sei groß. Zwar sind überwiegend Menschen ohne Handicap unter den Trommlern. Doch auch die psychisch kranken Mitglieder sind begeistert. Laut Scharnitzky können sie nur wegen ihrer Erkrankung nicht regelmäßig kommen. Aber wenn sie da sind, stellen die Klienten nach Angaben der SpDi-Mitarbeiterin fest, dass ihnen die Percussion-Übungsstunde gutgetan habe. "Der Nebel lichtet sich, die Gedanken werden strukturiert", habe eine Betroffene einmal gesagt. Die Gruppe trifft sich nicht nur zum Spielen, sondern auch zum Reden. Ein wichtiger Grundsatz ist, dass man sich ohne Erklärung zurückziehen kann.

Der Erfolg des Projekts ist auch dem Leiter Osswald zu verdanken. Der gelernte Physiotherapeut mit Schlagzeugstudium arbeitet auf ehrenamtlicher Basis. "Osswalds Begeisterung überträgt sich auf die Gruppe." Er verstehe es, die Mitglieder zu motivieren, so Scharnitzky. Weil sie selbst mitspielt, weiß sie, wie schwer es sein kann, bestimmte Stimmen und unterschiedliche Klänge aufeinander abzustimmen. Musikalische Vorbildung ist trotzdem nicht erforderlich. Und "man kann überall trommeln, es geht um Rhythmus und Abläufe." Dabei sei es egal, ob jemand extrovertiert ist oder zaghaft. Jeder darf sich das Instrument selbst aussuchen, mit dem er spielen will. Dass sich die Gruppe nur einmal im Monat trifft, ist vielen Mitgliedern fast zu wenig. Daher bekommt jeder Hausaufgaben auf. Wie Scharnitzky betont, gibt es unter den SpDi-Klienten sehr gute Musiker, die auch Solos spielen können. Andere bringen ihre eigenen Instrumente mit.

Gefördert wurde die Gruppe bislang von der "Aktion Mensch". Sie hat den Start finanziert, beispielsweise den Kauf von Instrumenten. Die Förderung läuft im August aus, doch die Gruppe will weitermachen. Allerdings soll sie neu ausgerichtet werden. Zunächst jedoch arbeiten die Percussionisten auf ihren ersten Auftritt am 1. Juli hin. Der SpDi wird 25 Jahre alt, und das soll groß gefeiert werden.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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