Grippewelle:Klinik am Limit

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Das Starnberger Kreiskrankenhaus ist voll belegt. Die Grippewelle sowie Patienten aus Nachbarlandkreisen bringen die Einrichtung an ihre Kapazitätsgrenze. Zudem herrscht wegen der Influenza ein Personalengpass

Von Astrid Becker, Starnberg

Im Landkreis Starnberg zeigt die Influenzawelle bereits dramatische Auswirkungen. So stößt das Klinikum Starnberg inzwischen an seine Kapazitätsgrenzen. Die Klinikleitung diskutiert eigenen Angaben zufolge täglich darüber, einen Aufnahmestopp für Patienten aus den Nachbarlandkreisen zu verhängen. Unterstützung von anderen hier ansässigen Krankenhäusern kann Starnberg nicht erwarten: Dort sind Patienten mit schwereren Infektionskrankheiten offenbar nicht gern gesehen.

"Ich nenne keine Namen", sagt der Ärztliche Direktor in Starnberg, Arnold Trupka. Es sei aber nun mal so, dass beispielsweise mit Wirbelsäulen- oder Hüftoperationen mehr Geld erzielt werden könne als mit Grippekranken. In Starnberg als Versorgungskrankenhaus des Kreises verfolge man hingegen einen anderen Anspruch: "Nämlich den, keine Patienten abzuweisen." Hilflos, so sagt er, stünden derzeit viele Rettungskräfte vor dem Haus, um Patienten abzuliefern, die woanders abgelehnt worden seien: "Es ist bekannt, dass wir das nicht tun, und dann heißt es automatisch: Geht doch mal nach Starnberg." Auch in den Nachbarlandkreisen hat sich das längst herumgesprochen. Viele der dortigen Patienten werden ebenfalls in das Starnberger Klinikum gebracht.

Was auf den ersten Blick wie ein Kompliment für die gute Betreuung in Starnberg wirken könnte, ist tatsächlich für das Klinikum ein ernsthaftes Problem: "Es ist wie ein Ritt auf Rasierklingen", sagt Trupka. Das Klinikum könne aktuell keine Patienten mehr aufnehmen, es sei voll - was in diesem Fall eine Belegung von mehr als 90 Prozent bedeute: "Weil ja am Wochenende viele Patienten nach Hause gehen, entsprechen diese rechnerischen 80 Prozent einer Vollbelegung von 100 Prozent", erklärt der Chefarzt.

Diese Zahlen haben laut Trupka gleich drei Ursachen: Das Klinikum sei um diese Jahreszeit ohnehin immer gut belegt, darüber hinaus müsste es aber nun auch noch die Patienten der geschlossenen Schön-Klinik übernehmen und versorgen. Zu dieser damit schon sehr hohen Auslastung kämen nun noch die Infektionswellen dazu, die derzeit über Bayern fegten, so Trupka: "Sie haben in diesem Jahr früher angefangen als sonst und fallen stärker aus als sonst."Konkret bedeutet das, dass in Starnberg derzeit Patienten mit der echten Influenza behandelt werden, schwere Fälle des Noro-Virus', das Humane Respiratorische Synzytial Virus (RSV), wohinter sich eine schwere Atemwegsinfektion bei Säuglingen verbirgt und auch Kinder, die an Keuchhusten erkrankt sind: "Davon haben wir jetzt schon mehr Fälle als sonst im ganzen Jahr", sagt Trupka. Panik wegen eines womöglich besorgniserregenden Anstiegs der Keuchhusten-Erkrankungen will er aber nicht schüren: "Es sind immer noch Einzelfälle", sagt er.

Chefarzt Arnold Trupka (li.) bespricht mit Pfleger Laszlo Kiss die besonderen Hygienevorschriften bei Grippefällen. (Foto: Nila Thiel)

Eine weitere Sorge, die Trupka umtreibt, ist jedoch auch der Personalmangel in seinem Klinikum: "Bei uns sind die Mitarbeiter genauso krank wie in anderen Unternehmen. Es geht dabei zwar nicht um Influenza, sondern um normale grippale Infekte, aber die Leute sind eben einfach krank und fallen aus."

Das Klinikum hat daher für den täglichen Betrieb bereits eine Art Notfallplan in Kraft gesetzt. So setzt es in Sachen Grippewelle und Co. ganz auf Kohortierung. Hinter diesem Begriff verbirgt sich in diesem Fall die Idee, eine Station nur für Infektionspatienten bereitzustellen. Für die Patienten, die normalerweise dort untergebracht werden würden, wurden Ausweichquartiere auf einer gynäkologisch-urologischen und einer chirurgischen Station geschaffen. Trupka zufolge birgt diese Kohortierung noch die geringste Gefahr weiterer Ansteckungen: "Es ist ja kein Problem, Patienten mit Influenza, sofern sie dasselbe Geschlecht haben, zusammen in ein Zimmer zu legen." Dennoch müssten auf derartigen Infektionsstationen besonders strenge Hygienevorschriften beachtet werden. "Das ist anders als auf der Chirurgie." Deshalb sei es beispielsweise auch nicht möglich, Patienten mit Influenza und Keuchhusten nach Seefeld zu bringen - weil es als chirurgisches Krankenhaus gar nicht darauf eingerichtet sei.

Über andere Häuser im Kreis als mögliche Ausweichkrankenhäuser spricht Trupka gar nicht erst - so auch nicht über Tutzing. Dort werden Chefarzt Malte Ludwig zufolge derzeit etwa zehn Prozent mehr Patienten als sonst behandelt, die sich in der Folge eines Infekts eine Lungenentzündung zugezogen haben. Probleme mit der Influenzawelle kennt man dort aber nicht: Anders als Starnberg kann Tutzing das echte Grippevirus gar nicht nachweisen. Im Kreis-Klinikum gibt es hingegen dafür einen Schnelltest in der Notfallambulanz.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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