Gräfelfing:Tanz in eine andere Welt

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Der Faschingsgesellschaft Würmesia fehlen erstmals Prinzenpaar und Garde. Deshalb übernimmt nun die Jugend das Kommando

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Die Prinzessin ist guter Dinge. In Erwartung ihres Auftritts im Bürgerhaus Gräfelfing stärkt sie sich erst mal mit einer Tüte Popcorn. Aufgeregt? "Nö", meint sie. Sie freut sich drauf: Einen Walzer mit dem Prinzen, in der ersten Reihe mit der Garde tanzen, dem Publikum zuwinken - in einer halben Stunde wird sie das routiniert lächelnd hinkriegen, ebenso wie ihr Prinz. Prinzessin Romy I. ist gerade mal sieben Jahre alt, Prinz Julian I. acht Jahre. Sie sind das Kinderprinzenpaar der Faschingsgesellschaft Würmesia in diesem Jahr und stehen für einen Umbruch: Die Jugend ist es, die dem Traditionsverein langfristig das Überleben sichern soll.

Die Faschingssaison in diesem Jahr lief nicht gut an für die Würmesia, das zeichnete sich schon vergangenen Sommer ab. Da erreichte Tanja Wissel, Präsidentin der Würmesia, die Nachricht, dass die Planegger Großgaststätte Heide Volm keine Buchungen mehr für den großen Festsaal annimmt. Das Gebäude soll abgerissen werden. Für die Würmesia ist das ein Bruch mit einer langen Tradition. Die Faschingsgesellschaft wurde 1949 in Gräfelfing gegründet, das Heide Volm mit dem riesigen Festsaal am Planegger Bahnhof war immer ihre Hofburg. Hier fanden die großen Bälle statt, die Gaststätte selbst veranstaltete den Kinderball. Der Höhepunkt war in jeder Faschingssaison, 27 Jahre lang, der Auftritt der Spider Murphy Gang, zu dem an die 1500 Fans aus der ganzen Region pilgerten. Mit all dem ist 2017 Schluss. Damit noch nicht genug: akuter Personalmangel kam auf, der Würmesia fehlt in dieser Saison zum ersten Mal seit 67 Jahren ein erwachsenes Prinzenpaar samt Tanzgarde.

Tanja Wissel ist trotz all dieser Faschingswidrigkeiten guter Dinge. So schnell lässt sie sich nicht von äußeren Umständen das Ende des Faschings im Würmtal diktieren. Sie selbst war vor zwölf Jahren Faschingsprinzessin, vorher in der Garde, jetzt nimmt sie als Präsidentin mit den Vereinsmitgliedern im Rücken den Fasching selbst in die Hand: Die Würmesia wird zum Veranstalter und schafft sich ihre Auftrittsgelegenheiten selbst. Sieben Bälle stellt sie in dieser Saison auf die Beine, fünf davon sind Kinderbälle, von denen die meisten heuer zum ersten Mal stattfinden, so auch der Kinderball am 5. Februar im Gasthof zur Eiche in Planegg (Alle Termine unter www.wuermesia.de). Es ist nicht etwa so, dass die Würmesia Abendveranstaltungen absagen musste, weil das Prinzenpaar fehlt. Es wurden schon in den vergangenen Jahren immer weniger Bälle veranstaltet. Die ganze Bürokratie, die vielen Auflagen, die hohen Gema-Gebühren, plus die Ausgaben für die Band, das Plakatekleben - das alles wirke als echter Spaßkiller und halte Veranstalter zunehmend davon ab, Bälle auszurichten, meint Wissel. Dazu kommt noch die Ungewissheit, ob überhaupt genug Gäste kommen. In den vergangenen Jahren waren es jedenfalls zu wenige. Dafür seien die Kinderbälle immer gut besucht gewesen und so konzentriert sich die Würmesia nun auf den Faschingsnachwuchs.

Neben den Bällen hat eine Faschingsgesellschaft auch noch andere Termine, insgesamt 25 Auftritte in Altenheimen, bei Wohlfahrtseinrichtungen, auch im Möbelhaus, stehen auf dem Programm, dieses Jahr nicht weniger als sonst auch. Bisher hat keiner das erwachsene Prinzenpaar vermisst, die Kinder und die Jugendgarde geben eine gute Figur ab. Ein Prinzenpaar ist nur eine Funktion von vielen bei einer Faschingsgesellschaft, sagt Wissel. Von den anderen Faschingsvereinen erhalte sie viel Zuspruch dafür, dass die Würmesia weitermacht, auch von den Münchner Kollegen, der Narrhalla. "Wir sind bei weitem nicht einzigen, die kein Prinzenpaar haben", sagt Wissel. Das Leben ist einfach voller geworden, immer weniger haben Zeit, zweimal pro Woche Tanzschritte zu üben. Dazu sind die Jobs stressiger geworden, Chefs, die ihren Mitarbeitern ständig freigeben, damit sie als Faschingsprinzenpaar repräsentieren, gibt es kaum mehr.

Prinzessin Romy genießt die Vorbereitungen ebenso wie die vielen Auftritte in der Saison. (Foto: Stephan Rumpf)

So bekommt der Hofstaat der Würmesia, der traditionell zu jeder Faschingsgesellschaft gehört, in dieser Saison wie am vergangenen Sonntag beim ersten großen Kinderball im Bürgerhaus (22.1.) ganz neue Aufgaben: Luftballons aufblasen, die Popcornmaschine befüllen, die Tombola aufbauen, Würstl warm machen, die Tische mit Luftschlangen schmücken, den lila leuchtenden Würmesia-Schriftzug über die Bühne hängen und den Soundcheck durchführen mit "Gloria" von Umberto Tozzi. Etwa 50 Vereinsmitglieder - "darunter viele Ex-Hoheiten", so Wissel - helfen mit. Bei vielen ist die ganze Familie mit dabei, es ist das Faschings-Gen, das von Generation zu Generation weitergegeben wird.

Wissel ist zuversichtlich, dass es im nächsten Jahr wieder eine Erwachsenengarde geben wird, vielleicht sogar ein Prinzenpaar. Die Jugendlichen bedrängen sie schon, die 16-Jährigen wollen aufsteigen und dann auch die für die Erwachsenen reservierten Marschkostüme tragen. Die jetzige vierzehnköpfige Jugendgarde - vier Jungs sind dabei - sind jedenfalls strahlend bei der Sache: dieses Jahr laden sie mit ihrer Tanzshow zu einer Weltreise ein. Die Würmesia hält auch 2017 an ihren ureigenen Auftrag fest, sagt Wissel, die für die Show das Stewardess-Kostüm angelegt hat: "Humor verbreiten, die Menschen aus ihrem Alltag holen, in eine andere Welt entführen." Prinzessin Romy I. ist nächstes Jahr auch wieder dabei, versichert sie. Dann in der Kindergarde, denn Prinzessin darf man nur einmal sein.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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