Gauting:Der Raumgestalter

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Kandidaten für die Tassilo-Preis: Der international renommierte Gautinger Fotograf Florian Holzherr ist ein Meister der Klarheit. Der 45-Jährige arbeitet mit Kunstgrößen wie James Turell zusammen

Von Gerhard Summer, Gauting

Starfotograf. Ach, das ist schon ein merkwürdig schwammiges Wort. Denn irgendwie schwingt beides mit: dass jemand Berühmtheiten vor die Kamera bekommt und dass er dadurch selbst berühmt wird. Florian Holzherr würde sich wahrscheinlich lieber fotografierender Handwerker nennen, wenn es nicht so grausam unbeholfen klänge. Aber Starfotograf? Oder Künstler? Bewahre. "Künstler ist eine Lebenseinstellung", sagt der 45-jährige Gautinger, "das ist man 24 Stunden lang". Und die Stars unter den Starfotografen, das sind und waren für ihn Richard Avedon, Mario Testino, Iwan Baan. Oder, was Architektur betrifft, Ezra Stoller aus Chicago, Karl Hugo Schmölz aus Weißenhorn bei Neu-Ulm und der in München wirkende Klaus Kinold - das seien einige seine Helden, sagt er. Aber er? Hm.

Der international renommierte Fotograf, der sich ungern mit gängigen Vokabeln schmückt, sitzt in seinem Atelier, das so modern und schnörkellos ist wie seine Architektur- und Kunstfotografien. Ein simpler flacher Holzquader mit drei Fenstern. Der Blick geht auf einen Goldfischteich und das Haus seiner Eltern. Er wohnt mit seiner Frau Katrin, eine Papierrestauratorin, und ihrer gemeinsamen Tochter im ersten Stock, die Schwester im Erdgeschoss. Innen ist sein Studio ganz in Weiß gehalten, es riecht noch nach Holz. Im übervollen Bücherregal steht Arnold Newman über Johnny Cash und ein Werk über Warhol-Fotografien neben Oskar Schlemmer. In einer Ecke hat Holzherr Bilder seiner Helden aufgestellt, seine eigenen Arbeiten liegen gut verwahrt in Schubladen. Es sind Fotos, die Gebäude von Herzog & de Meuron, Foster + Partners, von Allmann, Sattler, Wappner in Szene setzen und das Werk oder das Arbeitsumfeld von Künstlern wie James Turrell, Donald Judd, Dan Flavin, Chris Burden, Dan Graham, oder Ólafur Elíasson festhalten. Häuser und Kunst sind sein Metier, etwas anderes fotografiert er nicht, Porträts macht er manchmal, weil er Spaß daran hat und weil das mit einer Großbildkamera eine Herausforderung ist, wegen des minimalen Schärfebereichs.

Florian Holzherr vor zwei seiner Fotos, die Studioräume von Donald Judd zeigen. (Foto: Nila Thiel)

Was bei seinen Aufnahmen als erstes auffällt, ist diese bestechende, fast schon aus dem Bild springende Klarheit: Holzherrs Fotos wirken so, als hätte jemand alles aus dem Weg geräumt, was ablenken, uneindeutig, verschwommen, manieriert und verschwurbelt sein könnte. Oder eben so lange über ein Problem nachgedacht, bis er eine einfache und überzeugende Antwort geben kann. Wer solche Bilder macht, muss extrem gut sortiert sein im Kopf. Dazu kommt noch, dass Holzherr Raum erlebbar machen kann, er zeigt nicht Realität, er macht sie ohne jeden Schnickschnack plausibel. Ein Paradebeispiel für diese auf Handwerk basierende Kunst ist seine Aufnahme von James Turrells "Roden Crater", eines Vulkankraters in der Wüste von Arizona. Der Land-Art-Künstler hatte das Gelände 1974 gekauft und den Vulkankegel in ein Lichtobservatorium verwandelt. In Holzherrs Bild liegt der Krater fast schon wie ein müder Walfisch in der Steppe. Der Bildaufbau ist simpel: ein Viertel Steppe, drei Viertel Himmel. Aber was für ein Himmel: Kein einziges Wölkchen fleckt das Blau, das zum oberen Bildrand hin immer dunkler wird, als ginge es schon ins Weltall über.

Der Fotograf, der mit 25 zum ersten Mal in die USA gegangen war und später in West-Texas, New York und Arizona gearbeitet hat, schätzt nach wie vor die analoge Fotografie. Der Arbeitsprozess sei "viel konzentrierter", sagt er, denn wer durch eine Acht-auf-zehn-Inch-Kamera schaue, der blicke immerhin auf einen fast DIN-A-4-großen Sucher. Gerade bei Architekturbildern biete sich auch Schwarzweiß an. Sichtbeton bekomme so eine fast schon haptische Qualität, "in Farbe sieht das nicht aus". Auch können rote und hellblaue Autos "nicht nerven". Allerdings ist das eine Frage des Geldes. Analoge Fotos von einem Haus kommen den Auftraggeber schon mal auf 2000 Euro, weil die Bildverarbeitung so teuer ist, digital liegen die Kosten bei einem Viertel davon. Wobei Holzherr eben nicht nur mit einem clever gepackten Fotokoffer oder auch mit großer Ausrüstung anrückt, wenn ihn berühmte Architekten rufen. Er nimmt genauso Reihenhäuser und Kindergärten der Stadt München auf wie Victoria Beckhams Flagship-Store. Holzherr ist kein Freund der Materialschlacht, er macht relativ wenige Bilder, er weiß inzwischen, ob ein Foto funktioniert oder nicht. Und was die Nachbearbeitung betrifft, lässt er nur behutsame Optimierung zu. Andere Fotografen machen künstlich Rasen rein oder pflanzen Bäume. Er belässt es dabei, dem Bild mehr Wärme oder Kühle geben zu lassen.

Der Sitz des Massachusetts Institutes of Technology. (Foto: Holzherr)

Holzherr hatte nach der Schulzeit Jura studiert, drei Semester lang. Aber das war nichts für ihn. Weil er sich immer schon für Kunst, Design und Architektur interessierte, kam er darauf, es mit der Fotografie zu versuchen. Erst lehnte ihn die Münchner Fotoschule ab, im nächsten Jahr nahm sie ihn dann auf. 1999 machte er seinen Abschluss an der Staatlichen Fachakademie für Photodesign. Seitdem hat er für Art genauso wie für die New York Times fotografiert, Lehraufträge an der Akademie der Bildenden Künste in München und an der FH Trier übernommen und etwa 20 Bildbände herausgegeben. Mit James Turrell verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit, den Minimal-Art-Künstler Donald Judd (1928 bis 1994), für den er ebenfalls arbeitete, verehrt er.

Holzherr hat auf seiner Homepage in ein paar Zeilen festgehalten, wie er Fotografie versteht. Es komme ihm darauf an, "Zusammenhänge lesbar zu machen", schreibt er und "zur räumlichen und ästhetischen Klärung" beizutragen. Ist das nicht schon Kunst? Ach, würde er sagen.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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