Gastronomie:Letzte Lokalrunde

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Die Liste der leer stehenden Gasthöfe im Fünfseenland ist jetzt schon lang. Bürokratische Auflagen könnten dazu führen, dass langfristig nur noch wenige Restaurants mit hoher Qualität überleben.

Von Astrid Becker, Starnberg

Für Stefan Schreyegg war es die "schwierigste Entscheidung, die ich je treffen musste". Vor zwei Wochen hatte er bekanntgegeben, sein Gasthaus in Unering aufzugeben und nach neuen Pächtern zu suchen. Seinen Entschluss begründete er mit der vergeblichen Suche nach Personal und den vielen gesetzlichen Vorschriften, die ihn eine Unmenge an Zeit kosteten. "Das war nicht mehr zu schaffen", sagte er - und damit ist er offenbar nicht allein. Von den etwa 320 Gaststätten im Landkreis stehen derzeit mindestens zehn Prozent leer. Nach Ansicht vieler Wirte und des hiesigen Hotel- und Gaststättenverbands wird das Wirtshaussterben aber weiter um sich greifen.

Die Liste der leer stehenden Gasthäuser im Fünfseenland ist schon jetzt lang. Da ist beispielsweise der Gasthof Schuster in Hochstadt, der Ende 2017 für immer geschlossen wurde. An fehlendem Gästezuspruch lag das nicht. Das Wirtepaar Christine Reithmeier und Norbert Harter hätte viel Geld in die Renovierung stecken müssen, zum Beispiel in die Wärmedämmung. Diese Investitionen hätten sich aber bei den gestiegenen Kosten für Energie, Personal und Co. erst in vielen Jahren amortisieren können. Dafür hätte das Paar dem Vernehmen nach einen Nachfolger gebraucht, den es aber nicht gab. Nun sollen anstelle des Lokals Wohnungen entstehen. Für die Hochstädter ist dies tragisch: Sie verlieren ihre einzige Dorfwirtschaft.

Für das "Promenade" in Herrsching wird schon seit längerem ein neuer Betreiber gesucht. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Doch auch in den größeren Gemeinden des Kreises ist die Zukunft vieler Lokale ungewiss. Das mittlerweile berühmteste Beispiel dürfte der Andechser Hof in Tutzing sein. Nachdem das Kloster Andechs die Immobilie, ebenfalls wegen zu hoher Investitionskosten, verkaufen will, bleibt nach wie vor offen, ob dort wieder ein Lokal entstehen wird. Für Tutzing wäre eine andere Nutzung ein Desaster: Der Andechser Hof verfügt über einen Saal - woran es in der Gemeinde sonst mangelt.

2016 war die Rede von einem möglichen neuen Pächter. Das "El Diablo" in Gauting steht aber noch immer leer. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Doch gerade das Bespielen von derartigen Veranstaltungsräumen wird aus personellen Gründen für Wirte immer schwieriger. Grund dafür sind offenbar die gesetzlichen Bestimmungen, etwa über die Arbeitszeit, und die damit verbundenen Dokumentationspflichten. Laut Thomas Bernhard vom hiesigen Hotel- und Gaststättenverband kostet allein Letzteres den Wirt in der Woche mehr als zwölf Stunden Arbeit. Das habe eine Umfrage unter Gastronomen ergeben, die der Verband 2016 in Auftrag gegeben hatte.

Tanja und Stefan Schreyegg werden ihren Gasthof in Unering nach dem Betriebsurlaub nicht mehr öffnen. (Foto: Arlet Ulfers)

So müssen Wirte nicht nur die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten notieren, sondern sogar deren psychische Verfassung dokumentieren. Die Folgen nennt der Verbandssprecher in Bayern, Frank-Ulrich John, fatal. Diese umfassende Bürokratie führe zu mehr Ruhetagen in den Gasthäusern, kürzeren Öffnungszeiten und einem eingeschränkten Leistungsangebot - was sich negativ auch auf den Tourismus im ländlichen Raum auswirke, der ein regionaler Wirtschaftsmotor sei. Thomas Bernhard sieht das ähnlich. Er weiß, wovon er spricht. Er hatte jahrelang am Wörthsee den "Raabe am See" betrieben. Mittlerweile hat er das Lokal, das ihm selbst gehört, weiterverpachtet. Es werde aber immer schwieriger, neue Betreiber zu finde, sagt er: "Der Beruf des Wirts wird durch all die genannten Faktoren immer unattraktiver."

Das Gasthaus "Schuster" in Unering soll verkauft werden und einer Wohnbebauung weichen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Leerstände im Landkreis sprechen für sich. Da ist das ehemalige "El Diablo" mitten in Gauting, das seit mehr als einem Jahr geschlossen ist. Die "Müllers Lust" in Pähl wird seit längerer Zeit im Internet feilgeboten. Das einstige "Königswasser" in Starnberg, in dem zuletzt ein Steak- und Burger-Lokal war, gibt es derzeit nicht. Die Wörthsee-Alm in Schlagenhofen findet offenbar keinen neuen Wirt. Das einstige "Da Michele" im Hotel Promenade an der Herrschinger Kurpromenade wird seit etwa einem Jahr angeboten. Ein paar hundert Meter weiter bleiben die Türen des Mühlfeldbräu seit langem geschlossen. Und auch die Gemeinde Inning sucht nach nur einem Jahr einen neuen Pächter für ihren "Gasthof zur Post". Eine Ende dieser Entwicklung ist laut Bernhard nicht in Sicht: "Mittelmaß hat keine Chance mehr. Was bleiben wird, sind einige wenige mit hoher Qualität und hohen Preisen."

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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