Dießen/Leoni:Kabinett der Kuriositäten

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Wundersame Kunst im Haus Buchenried und im Taubenturm

Von Katja Sebald, Dießen/Leoni

Der Bürgermeister hat einen Ehrenplatz bekommen. Fast könnte man sagen, eine Ehrenloge im zweiten Stock des Dießener Taubenturms. Der Bürgermeister hat rot lackierte Fingernägel und ja, wenn man genau hinschaut, dann sieht man, dass er auch Lippenstift und Lidstrich aufgetragen hat, sogar auf seinen spitzigen, hoch aufgerichteten Ohren findet sich eine kleine Spur Rouge. Stolz trägt der Bürgermeister zur Eröffnung dieser ganz und gar formidablen Ausstellung seine mit Medaillen und Emblemen dekorierte Amtskette über der türkisfarbenen Joppe. Der Bürgermeister ist gerade einmal handgroß, halb Hundekatze, halb Mensch und halb Blumenvase.

Und wer sich schon jetzt wundert, dass da doch etwas nicht stimmen kann, der wird sich in dieser Ausstellung noch viel mehr wundern: Die Künstlerin Susanne Mansen und die Keramikerin Ute Kathrin Beck haben ihr "Zusammenwirken" fortgeführt und unter diesem Titel die drei Turmstübchen mit Gefäßen zum Durchschauen, mit Tellern voller Fische, mit wackligen Bechern, mit von Echsen, Vögeln und Käfern bewohnten Döschen, mit Bürgermeisterhundekatzenvasen und jeder Menge anderer Sinnlosigkeiten bestückt. Wie schon einmal im Jahr 2009 haben sie den Taubenturm zu einem zauberhaften Kosmos der Merkwürdigkeiten gemacht, zu einer Wunderkammer im allerbesten Sinn - und gleichzeitig zum Zeugnis eines überaus fruchtbaren künstlerischen Miteinanders.

Becks Gittervasen. (Foto: Treybal)

Ute Kathrin Beck, die als Keramikerin über eine solide handwerkliche Ausbildung verfügt, lotet in jüngerer Zeit die Grenzen ihres Materials aus und formt eigenwillige Objekte, die nur noch vage an die ursprünglichen Gebrauchsgegenstände erinnern. So entstanden in jüngster Zeit körperlose Vasenformen aus skelettartigen Gitterstrukturen. Wie einige der Teller und Schalen wollen sie nicht gefällig sein, sondern stellen ihre Herkunft höchst spannend in Frage. Bei einem Arbeitsaufenthalt in Taiwan entstanden auch Porzellandosen, außerdem brachte sie von dort traditionelle asiatische Motive mit.

Aber nichts ist sicher, wenn sie ihre Objekte an Susanne Mansen zur Bemalung weiterreicht: Jetzt krabbeln kleine Monster über Teller, zwinkern aus Tassen heraus und verkriechen sich in Dosen. Manche von ihnen werden nur gezeichnet, manche auch plastisch ausgeformt. Immer öfter aber machen sie sich selbstständig und werden selbst zu kuriosen Objekten und Gefäßen. Der respektlose und höchst humorvolle Einsatz von traditionellen Materialien und Oberflächengestaltungen mit weißer Engobe und Metalloxyden, aber auch mit kräftig leuchtenden Pigmente wie Signalrot, Maigrün und Türkis machen den besonderen Reiz dieser Ausstellung gerade zur Töpfermarktszeit aus.

Fruchtbares Zusammenwirken: eine von Mansen bemalte Porzellan-Schale. (Foto: Georgine Treybal)

Noch mehr "Bildergeschichten" von Susanne Mansen sind derzeit im Haus Buchenried der Münchner Volksshochschule in Leoni am Starnberger See zu sehen. Das Zeichnen, so sagt die 1959 geborene Künstlerin, bedeute für sie "die unmittelbarste und spontanste Art sich auszudrücken". Aus der Zeichnung heraus entwickelte Bilder stehen im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. Die Farbe setzt dabei Akzente im Dialog mit dem dominanten schwarzen Kohlestrich.

Susanne Mansen fügt mit dem ihr eigenen, zuweilen durchaus abgründigen Humor Ameisenbären, Schweinehunde oder Gürteltiere mit kurzen Textbotschaften zu meist ironischen, selten bissigen, fast immer anrührenden und manchmal sehr kuriosen Bilderzählungen. Für die Einzelausstellung ist eine ganze Reihe eigens auf die räumlichen Gegebenheiten abgestimmter Arbeiten auf Papier und Leinwand entstanden: Ein "andächtiger" Schweinehund, ein dreifach schielender Dackel, ein Kopfübervogel und ein "Frisör" haben sich zum konspirativen Kamingespräch versammelt, auch hat die Künstlerin einen riesenhaften Gecko ausgesetzt, der nächtens über Wände und Decken des Foyers huscht - so erzählt man es sich zumindest in Leoni.

Die Ausstellung im Taubenturm ist noch während des Dießener Töpfermarktes vom bis 8. Mai täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Noch bis Ende Juni, jeweils montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr sowie samstags von 9 bis 12 Uhr ist die Ausstellung im Haus Buchenried in Leoni zu sehen.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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