Dießen:Turnen über Traktoren

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Mit einer originellen Idee und viel Eigeninitiative schafft sich der Ammersee Sportverein ein Bewegungszentrum über einer Landmaschinenhandlung. Der Umbau kostet 75 000 Euro

Von Armin Greune, Dießen

Was tun, wenn einem aufstrebendem, jungen Verein keine eigenen Sportstätten zur Verfügung stehen? Der 2008 gegründete Ammersee Sportverein (ASV) in Dießen hat für dieses Problem eine ziemlich originelle Lösung gefunden. Am vergangenen Wochenende konnte ein neues Turn-und Bewegungszentrum an der Lachener Straße offiziell eingeweiht werden. Es ist im Obergeschoss einer Landmaschinenfabrik untergebracht, das dazu für zehn Jahre angemietet wurde. Umbau und Einrichtung wurden ohne öffentliche Förderung finanziert, die Vereinsmitglieder beteiligten sich mit vielen Eigenleistungen und nahmen eine 25-prozentige Erhöhung der Mitgliedsbeiträge in Kauf.

So sind unter dem Dach des Gewerbebetriebs eine 300 Quadratmeter große Sporthalle und ein 35 Quadratmeter großer Nebenraum entstanden, der für Kurse und als Besprechungszimmer genutzt werden soll. Wegen der geringen Raumhöhe lassen sich manche Sportarten nicht ausüben und Ballspiele sind ganz ausgeschlossen. Dazu hätte man die Fenster für 50 000 Euro mit wurfsicherem Glas ausstatten müssen, was das Budget überschritten hätte, sagt Klaus Schneider, der als Kassier dem ASV-Vorstand angehört und mit der Ersten Vorsitzenden Conny Schneider verheiratet ist. Aber die Schwerpunkte des Vereins liegen ohnehin nicht auf populären Ballsportarten.

"Unser Hauptziel ist, bei den Kleinsten die Freude an der Bewegung zu wecken", sagt Schneider. So konzentriere sich der ASV auf Familienangebote zu Gesunderhaltung und Bewegungssicherheit und Tanzen - aber vor allem auf das Geräteturnen, das auch wettkampfmäßig betrieben wird. Für Stufenbarren und Hochreck reicht allerdings die Raumhöhe im neuen Zentrum nicht aus - zum Trainieren an diesen Geräten wird der ASV weiterhin die Sporthallen der Dießener Schulen nutzen müssen. Aber Reck, Schwebebalken und Barren stehen nun im eigenen Saal, der außerdem mit einem schwingenden Boden und einer Boulderwand ausgestattet ist. "Dort sind unsere Geräte immer turnbereit und das Zentrum bringt uns auch einen Identifikationsort", freut sich Schneider.

Bereits seit September wird dort trainiert, aber die Sanitär- und Umkleideräume sind erst jetzt fertig geworden. Kleinigkeiten an der Elektroinstallation, an Fußbodenleisten und am Anstrich sind noch zu erledigen, auch Möbel für die Umkleide fehlen noch. Montags bis Sonntags belegen von 15 bis 19.30 Uhr ASV-Gruppen die Halle. Werktags von 8 bis 10 Uhr sind zunächst Schulen und Kindergärten eingeladen, die Räume zu nutzen; am Montag war erstmals eine Turngruppe aus dem nahen Ammerseegymnasium zu Gast. Für die übrigen Zeiten nimmt der ASV noch Mietanfragen von Vereinen oder privaten Anbietern entgegen. So sind bereits Kurse für Yoga, Qi Gong und Kanga (Training für Mütter mit Babys im Tragetuch) geplant.

Die Idee, das vormals als Schreinerei gegenutzte, brach liegende Dachgeschoss zur Sportstätte umzubauen, entstand im Frühjahr 2015 bei einer Hausmesse des Eigentümers. Im Mai 2016 wurde mit dem Umbau begonnen, vor allem der Brandschutz trieb die erst auf 50 000 Euro geschätzten Kosten in die Höhe. Mittel aus der Sportstättenförderung des Freistaats konnten nicht beansprucht werden, weil das innovative Konzept weder als Sanierungs- noch Erhaltungsmaßnahme galt. Eine von der Gemeinde Dießen erhoffte Bürgschaft kam nicht zustande, deshalb musste der ASV einen Teil der 75 000 Euro-Investition über zu fünf Prozent verzinste Bankdarlehen finanzieren. Zudem sind jährlich 27 000 Euro für die Miete aufzubringen - dennoch soll der Verein wieder schuldenfrei sein, falls der Mietvertrag nach zehn Jahren aufgekündigt werde.

So musste der Mitgliedsbeitrag von 80 auf 100 Euro pro Jahr anhoben werden, Familien zahlen nun 180 Euro. Für Jugendliche und Kinder gibt es keine Ermäßigung, sie machen 75 Prozent der 470 ASV-Mitglieder aus. "Es konnten mit uns noch nicht so viele alt werden, wie in anderen Vereinen", sagt Schneider. Der Zustrom ist noch immer sehr hoch: 80 neue Anmeldungen von Personen und Familien gingen heuer ein.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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