Filmfestival:Qual der Wahl

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Komödien wie "Grießnockerlaffäre" und Falsche Siebziger" sind für den Publikumspreis nominiert, aber auch Dramen wie "1945", "Die Wunde" und der berührende Eröffnungsfilm "Maudie".

Von Astrid Becker und Blanche Mamer, Starnberg

Die Wahlkarten liegen auf den Sitzen bereit. Nein, die Rede ist noch lange nicht von der Bundestagswahl. Es geht vielmehr um einen Preis, den das Publikum im Rahmen des Fünfseen-Filmfestivals an einen der nominierten Filme vergeben darf. Wer ihn am 5. August gewinnt, bekommt 2000 Euro, gestiftet von der Süddeutschen Zeitung - und je weiter die Zeit voranschreitet, desto höher wird die Spannung, wer das Rennen machen wird. Gerade leicht ist die Auswahl in diesem Jahr nicht. Denn recht unterschiedliche Genres treten in diesem Wettbewerb gegeneinander an - und damit auch diejenigen Menschen, ohne die es diese Filme gar nicht geben würde. Bei mindestens einer Vorführung dieser Streifen stellen sie sich selbst ihren Zuschauern, erzählen über die Arbeit an ihrem Werk oder stellen sich den Fragen dazu.

Eine Szene aus dem Nachkriegsdrama "1945". (Foto: FSFF)

Am Sonntagabend beispielsweise waren das Kabarettist, Schauspieler und Drehbuchautor Alexander Liegl und der Filmmusiker Rainer Bartesch, die über ihr Werk "Falsche Siebziger" plauderten - und erst einmal Whatsapp-Grüße des Regisseurs Matthias Kiefersauer überbrachten, der derzeit für Dreharbeiten in Stockholm weilt. Bartesch zum Beispiel beeindruckte allein durch sein Vermögen, 40 Instrumente zu beherrschen. 13 davon kamen bei der Filmmusik für die schwarzhumorige ARD-Komödie um Rentenbetrug zum Einsatz. Womit wir beim Thema publikumsgängige Komödien wären, die sich immer gut zum Publikumsliebling eignen. "Grießnockerlaffäre" (Regie: Ed Herzog) ist zwar ein Krimi, aber einer von der skurrilen, komischen Sorte, in der der Polizist Franz Eberhofer aus dem niederbayerschen Niederkaltenkirchen im Mittelpunkt steht, der von einer schwerhörigen Oma, einem kiffenden Vater, einem spießigen Bruder und einer liebreizenden Freundin sowie einem Exkollegen flankiert wird.

Szene aus "The End of Meat". (Foto: FSFF)

Verwicklungen und Missverständnisse spielen auch im vierten Teil der Romanverfilmungen von Rita Falk eine tragende Rolle. Wie "Falsche Siebziger" ist auch diese Reihe ursprünglich nur fürs Fernsehen produziert worden, mittlerweile aber zum Gassenhauer in den Kinos aufgestiegen - und wird sicherlich auch noch nach dem Festival in den Lichtspieltheatern des Landes zu sehen sein. Übrigens ebenso wie die französischen Dramen und Komödien, die ebenfalls nominiert sind und als Vorschau auf das Kinoprogramm des Herbstes zu verstehen sind: "Ein Leben" nach einem Roman von Guy de Maupassant (Regie: Stéphane Brizé), in dem die Liebes- und Leidensgeschichte einer Frau erzählt wird. Oder auch "Ein Sack voller Murmeln" (Regie: Christian Duguay), der in diesem Jahr den Hauptpreis auf dem Filmfest in Emden gewonnen hat und der sich um zwei jüdische Buben dreht, die aus dem von den Deutschen besetzten Frankreich fliehen.

Die überragende Sally Hawkins spielt in "Maudie". (Foto: FSFF)

Unter die Haut gehen wohl Filme wie "1945" aus dem Gastland Ungarn (Regie: Ferenc Törok), in dem es um Schuld, Sühne und gesellschaftliches Versagen geht, oder auch "Die Wunde" (Regie: John Trengove), ein Film über Homosexualität vor dem Hintergrund von Stammesritualen in Südafrika. Aber auch "Sami Blood" von Amanda Kernell beleuchtet ein dunkles Kapitel: In Schweden wird in den 1930er Jahren die 14-jährige Ellen Marja vom Nomadenvolk der Samen in einem weit entfernten Internat "kultiviert".

Wer Historienfilme liebt oder Fan ist von Christoph Waltz oder Alicia Vikander, wird "Tulpenfieber" von Justin Chadwick wählen. Die Geschichte aus dem Amsterdam des 17. Jahrhundert, als die Leidenschaft für Tulpen nicht nur die reichen Kaufleute und Gewürzhändler wie Cornelius Sandvoort packte, ist spannend erzählt und detailgetreu inszeniert. Ergreifend ist die Liebesgeschichte der wunderschönen Sophia Sandvoort und des hübschen Malers Jan Van Loos, in der von Beginn an das Scheitern lauert. Der Film kommt Ende des Monats in die Kinos.

Unterschiedlicher also könnten die Themen nicht sein, die den Stoff für all diese Werke geliefert haben. Nun stellt sich die Frage, was das Publikum bevorzugt: Leichtfüßige Komödie? Gesellschaftskritisches Drama? Oder doch lieber zeitgenössische Krisen? Wie immer die Wahl ausgeht: Aufschluss über das diesjährige Publikum auf dem Festival gibt sie in jedem Fall.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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