Es soll doch glatt Leute geben, die sind entsetzt, wenn sie von der Gemeinde Post bekommen und darin aufgefordert werden, Wahlhelfer zu machen. Sie zermartern sich das Hirn nach einer guten Ausrede. Das kann Roswitha Kutschker nicht verstehen. Sie freut sich auf den Wahltag. Seit mehr als 20 Jahren ist sie nun bei jeder Wahl dabei - egal, ob bei Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen. "Das ist immer schön", sagt die 73-Jährige, die es mit ihrer ehrenamtlichen Aufgabe sehr genau nimmt. "Hoffentlich darf ich noch eine Weile mitmachen." In etlichen Ortsteilen hat Kutschker schon die Stimmzettel ausgezählt, am liebsten ist sie aber im Berger Rathhaus. Kein Wunder, hier an ihrem Wohnort kennt sie praktisch jeden Zweiten, der seine Stimme abgibt. "Da geht dann auch mal der eine oder andere kleine Ratsch." Wenn Kutschker an diesem Wahlsonntag, 24. September, im Rathaus erscheint, hat sie wie jedes Mal auch einen selbst gebackenen Kuchen dabei - auf den sich ihre Mitstreiter schon freuen. "Wir sind einfach ein sehr nettes Team", erzählt sie. Unklar ist bislang noch, ob es diesmal ein Mandarinenkuchen wird oder doch ein Zwetschendatschi, passend zur Jahreszeit. Das entscheidet sie dann ad hoc am Vortag. Roswitha Kutschker ist in Berg geboren. Sie lebt mit ihrem Ehemann noch immer in ihrem Geburtshaus, hat zwei Töchter, die beide verheiratet sind und vier Enkel. Doch obwohl sie, wie sie sagt, noch nie länger aus der Ostufergemeinde herausgekommen ist, gilt ihre zweite Liebe Hamburg. Nicht nur, weil sie zweimal im Jahr ihre Schwester dort besucht, sondern auch, weil sie das Meer und die hanseatische Art so schätzt. Im Mai ist sie zum Beispiel alljährlich beim Hafengeburtstag dabei. "Ich fühle mich den Hamburgern nahe", sagt sie. "Ich glaube, dort oben könnte ich auch leben." Und fast ein wenig entschuldigend meint sie beim Blick durchs Fenster: "Wir haben es hier aber auch wirklich schön." Kutschkers Wohnstube ist eingerichtet, wie man das in Bayern erwartet: Es gibt eine Eckbank, einen Herrgottswinkel, bemalte Maßkrüge mit Deckel, eine Kuckucksuhr und jede Menge Zinnteller. Bei der Einführung der Wahlhelfer im Rathaus am Donnerstag vor der Wahl ist sie natürlich auch wieder dabei. Obwohl dies nicht mehr wirklich nötig wäre, das Prozedere kennt sie schließlich aus dem Effeff. "Aber es gehört einfach dazu." Am liebsten macht die 73-Jährige am Wahltag die zweite Schicht, weil es dann schon Ergebnisse gibt. "Die ist besonders spannend - vor allem bei Kommunalwahlen. Ob die Kandidaten, die man gewählt hat, auch in den Gemeinderat kommen." Beim Auszählen ist höchste Konzentration angesagt, sonst heiß es nachzählen. "Da muss man sehr exakt und gut zusammenarbeiten." Denn wichtig ist natürlich auch, dass man möglichst schnell fertig wird und die Gemeinde die Ergebnisse ans Landratsamt weitermelden kann. Die Eheleute Kutschker machen selbst Briefwahl - wohl, um es am Wahltag erst mal ruhig angehen zu lassen. Ja, und dann verrät sie noch etwas: Das Fernsehduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CSU) und ihrem Herausforderer von der SPD, Martin Schulz, hat sie sich bewusst nicht angesehen. Und das, obwohl sie politisch, wie sie sagt, sehr interessiert ist. "Da habe ich mir einfach zu wenig Neues erwartet", meint sie, die davon ausgeht, das Merkel das Rennen ohnehin machen wird. Angesichts dessen hat sich Roswita Kutschker eine Volksmusiksendung am anderen Programm anschaut. "Das war mir echt lieber."