Bürgerversammlung in Starnberg:Die angezählte Bürgermeisterin

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Der Stadtrat verklagt Eva John - und auch beim Termin in der Schlossberghalle gerät sie unter Druck. Teilnehmer fordern den Rücktritt. Die Rathauschefin verteidigt sich.

Von David Costanzo, Starnberg

Kurz vor Schluss der Bürgerversammlung steht ein Besucher auf und fragt: Nachdem der Stadtrat nun gegen die Bürgermeisterin klagen wolle, werde es da nicht langsam Zeit für eine Schlichtung? Er könne sich da einen Pfarrer vorstellen oder den neuen Direktor des Amtsgerichts. Die Stimmung ist da schon aufgeheizt unter den 256 Besuchern mit Stimmrecht und den Dutzenden Interessierten, es gibt Jubel, aber auch Buh-Rufe.

Eva John wirkt einen Moment irritiert. Sie hat da schon die neuen Zebrastreifen an Ferdinand-Maria- und Kaiser-Wilhelm-Straße erwähnt und auch die 474 neuen Leser der Stadtbücherei nicht vergessen. Mehr als 80 Minuten hat sie einen Bilderreigen an Starnberger Liebenswürdigkeiten an die Leinwand der Schlossberghalle geworfen, fast zwei Stunden Fragen, Anregungen und Angriffe aus der Bürgerschaft überstanden - galant, meist souverän, die Hände fest am Rednerpult. Ein Prozess vor dem Verwaltungsgericht? Der sei nicht anhängig. Eva John weiß am Donnerstagabend offenbar noch nichts von der jüngsten Eskalation.

Doch die Nachricht stimmt, der Stadtrat greift zum letzten Mittel: Sechs der neun Fraktionen, rund 20 der 30 Politiker wollen einen so genannten Kommunalverfassungsstreit erzwingen, das haben sie noch vor der Versammlung angekündigt. Es geht "Zweiter Bürgermeister gegen Erste Bürgermeisterin", sagt Vize Klaus Rieskamp (Bürgerliste). Die Zwei-Drittel-Mehrheit verlangt von John, Beschlüsse - konkret zum Seebahnhof - umzusetzen, sonst drohten der Stadt Millionenschäden. Das wäre schon die zweite Streitsache gegen John. Bereits im September hat die Landesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet. Zudem rügt die Rechtsaufsicht im Landratsamt regelmäßig ihre Amtsführung. Die Bürgermeisterin ist angezählt.

Manchen Starnbergern reicht es langsam. Auf der Empore der Schlossberghalle halten Helga Deblitz und Angelika Raum selbst gemalte Transparente hoch. "Starnberg ginge es besser ohne Eva John" steht darauf, und "Rücktritt gleich Fortschritt". Deblitz beklagt einen "permanenten Stillstand". Die Sache könne "nur noch gerettet werden, wenn Frau John Konsequenzen zieht". Ebensolche Konsequenzen fordert auch ein Bürger in der Fragestunde: "Und da gibt es nur eine . . . ". Allein ein Dutzend der mehr als 30 Anregungen und Anträge beschäftigen sich mit dem zerrütteten Stadtrat, meist mit der Bürgermeisterin persönlich.

Zweimal geht John vor der Bürgerschaft auf die Vorwürfe ein: "Es gibt viele Dinge, die laufen gut. Und es gibt Dinge, die sind stark verbesserungsbedürftig." Das Wohl der Stadt müsse nicht nur sie, sondern auch jeder einzelne Stadtrat beherzigen. Derzeit würden alle jedoch eigene Interessen verfolgen. Die Bürgermeisterin bekommt auch Applaus, in den Reihen sitzen viele Unterstützer Johns. Starnberg ist gespalten.

Der Vorschlag einer Mediation bekommt eine riesige Mehrheit, fast alle roten Stimmkarten gehen nach oben. Die Bürgermeisterin muss dem Stadtrat die Schlichtung nun vorschlagen. Doch die Sache hat noch eine Pointe. Kurz nach der Abstimmung meldet sich eine Bürgerin mit offenbar guten Kontakten in den Stadtrat: "Wenn Sie schon bei der ersten Mediation nicht dabei waren. Wollen Sie dann wenigstens an der zweiten teilnehmen?" John ist überrascht, kann sich dann aber doch an eine Einladung der Rechtsaufsicht ins Landratsamt erinnern: Das sei nur eine E-Mail einer Juristin gewesen. Sie halte es auch nicht für glücklich, wenn man so etwas nicht vorher abspricht.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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