Bilanz des Filmfests:Magische Momente

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Das Fünfseen-Filmfestival ist ein Treffpunkt echter Enthusiasten und solcher, die es spätestens jetzt sind

Von Gerhard Summer, Starnberg

Eines der schönsten Festivalbilder ist am Sonntagabend auf einer Bühne zu sehen. Die Preisverleihung neigt sich ihrem Ende zu, da ruft Matthias Helwig, der charismatische Erfinder und Leiter dieses Kinoereignisses, sein Team zu sich, ganz so, wie ein Fußballtrainer seine Spieler nach einem wichtigen Sieg um sich versammelt. 20 meist junge Leute in Shorts und im T-Shirt, im Anzug und im kleinen Schwarzen stehen schließlich auf der Bühne der Schlossberghalle und nehmen ihre ganze Breite ein. Hellwig sagt zwei, drei Sätze über jeden, für die Letzten in der Reihe gibt es leider keine Blumensträuße mehr, aber das ist nicht so schlimm. Denn der Applaus für seine Mitarbeiter donnert so laut, als hätten sich die Besucher nach zwölf anstrengenden Tagen noch extra Energie für diesen Moment aufgespart.

Der Beifall hat seinen Grund. Ja, es wäre nicht mal verwegen zu behaupten, dass dieses Festival das Beste ist, was dem gern mit seinen kleinen Problemen hadernden Landkreis Starnberg im letzten Jahrzehnt passiert ist. Hellwig und seinem Team gelingt nämlich, was nach pessimistischer Einschätzung gar nicht funktionieren kann: der große Publikumserfolg mit einem anspruchsvollen und ausgefallenen Programm, das mehr auf schwere, ungeschönt traurige und raue Stoffe setzt als auf Komödien und Gefälliges. Nebenbei demonstrieren sie, welche magische Kraft noch in diesem alten, gern abgeschriebenen Medium Kino steckt, das ganze Säle zum Schniefen und Prusten bringen kann. Und das, obwohl reihum doch Lichtspielhäuser schließen und junge Leute viel lieber daheim vor dem PC Filme streamen, als sich mit älteren Leuten in einen dunklen Raum zu hocken. 20 000 Besucher sind auf dem 10. Fünfseen-Filmfestival gezählt worden, ein neuer Rekord, 2015 waren es 1000 Leute weniger. Das Gros der Gäste kommt wie in den Vorjahren aus dem Landkreis und seiner Umgebung. Viele Münchner sind dabei, doch es reisen auch Zuschauer aus Köln und Berlin an. Und es sind Enthusiasten darunter: Leute, die in den zwei Wochen so viele Filme sehen, als gäb's morgen kein Kino mehr. Ein Ehepaar, das sich in der Zeit Urlaub nimmt, um nichts zu versäumen. Oder eine Filmgruppe aus Starnberg und Pöcking, die diese warmen Sommertage hauptsächlich in abgedunkelten Sälen und auf Open-Airs verbringt.

Was dieses internationale Festival so anziehend und erfrischend macht, ist natürlich in erster Linie das Programm, eine Art Best-Of aus Cannes, Berlin, Venedig oder auch Locarno. Mainstream und einfallsloser Science-Fiction haben in Starnberg, Herrsching, Seefeld und den anderen Spielorten keine Chance. Helwig und seine Mitarbeiter zeigen wirkliche Entdeckungen und Arthouse-Produktionen, die sonst nie ins Kino gekommen wären, geben Kurz- und Short-Plus-Filmen eine Plattform und fördern junge Regisseure. Im Jubiläumsjahr gab es 160 Produktionen und eine besonders austarierte Mischung. Doch auch wer an leichten Romanzen seine Freude hat, wird zugeben müssen: Wirklich im Gedächtnis bleiben die Bilder aus Dramen und Tragödien, die auf dem Balkan spielen und in Wien, in Rumänien und in Afrika.

Mehr als 70 Regisseure und Schauspieler, ob aus den USA, aus Serbien oder Österreich, machten sich diesmal zum Starnberger See auf. Doris Dörrie sprach über Fukushima, Heino Ferch berichtete, dass ihm das Monokel à la Fritz Lang am Auge festgeklebt werden musste. Dani Levy erschien samt Familie in Landsberg, Florian David Fitz diskutierte im Schneidersitz, und Götz Spielmann erklärte, dass Einsamkeit nur im Kopf existiert. Diese Auftritte waren immer großes Kino nach dem großen Kino. Sie machen den besonderen Reiz dieses Festivals aus, das auch eine malerische Filmfahrt auf dem Dampfer und knuffige und wunderschöne Open-Air-Bühnen zu bieten hat.

Wie wichtig die dotierten Festivalpreise sind, zeigte sich am Sonntagabend. Für die französische Filmemacherin Aline Fischer zum Beispiel, die zuvor schon anrührend erklärt hatte, warum sie so gut Deutsch spricht, kam der Preis für "Meteorstraße" zur rechten Zeit. Sie sagte: Für den August hätte sie sonst nur noch 120 Euro im Portemonnaie gehabt.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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