Bernried:Weihnachten im Kloster

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In der Abtei Bernried feiern heuer 60 Menschen, die dem Trubel entfliehen und zum Kern der Dinge vordringen wollen, mit Meditation, gemeinsamem Singen und Geschichten das Fest

Sylvia Böhm-Haimerl

Bernried- Weihnachten ist ein Fest des Friedens und der Freude - aber nicht für alle. Manche Leute haben keine Familie mehr, andere wollen dem Weihnachtstrubel bewusst entfliehen. Für Menschen, die inneren Frieden suchen und die Festtage spirituell erleben wollen, bietet das Bildungshaus Sankt Martin im Kloster Bernried unter dem Motto "Wo ist ein Gott, der uns nahe ist" ein Weihnachtsseminar an. Das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit. 60 Teilnehmer haben sich in diesem Jahr angemeldet.

Angefangen hat alles vor Jahrzehnten. Damals nahmen die Bernrieder Missionsbenediktinerinnen über die Weihnachtsfeiertage Flüchtlingsfrauen auf, die alleine in Deutschland waren. Später kamen alleinstehende Menschen dazu. Diese kamen immer wieder und brachten auch Freunde und Bekannte mit. Vor drei Jahren hat sich das Kloster entschlossen, ein Weihnachtsseminar anzubieten. "Obwohl es Menschen gibt, die die Gemeinschaft suchen, aber nicht gemeinschaftsfähig sind, finden sie einen Platz in unserer Mitte", sagt die Leiterin des Bildungshauses Sankt Martin, Schwester Beate Grupp, die auch das Seminar leitet.

Die Motive der Teilnehmer sind vielfältig: Einige haben niemanden mehr, mit dem sie Weihnachten feiern könnten, weil der Partner oder ein naher Angehöriger gestorben ist. Andere wollen ihren Kindern nicht zur Last fallen oder lehnen die kommerzielle Seite des Festes schlichtweg ab. Wieder andere wollen zum Weihnachtsfest zur Besinnung kommen und etwas für ihren Glauben tun. Schwester Beate Grupp: "Diese Menschen vermissen, dass Weihnachtsfeiern heute oft nicht mehr mit dem Glauben verbunden sind. Sie wollen den Kern von Weihnachten erleben." Ziele des Seminars sind Begegnung und Austausch, das Erleben von Gemeinschaft, auch unter fremden Menschen. An fünf Seminartagen wird gefeiert, meditiert und gesungen, es gibt meditative Tänze und es werden Geschichten vorgelesen. "Wir haben langjährige Erfahrung", sagt Schwester Grupp.

Der erste Tag beginne stets mit einer Einführung für alle Teilnehmer in den Glauben und die Liturgie. Danach folgt das gemeinsame Beisammensein, es gibt die Gelegenheit für Gespräche und Impulse. "Die Menschen haben einen regen Austausch, vor allem bei den Mahlzeiten und mit den Schwestern", sagt die Seminarleiterin. Wichtig seien Reflektion und Meditation. Gemeinsam gehe man der Frage nach, was der Glaube für die Teilnehmer bedeutet. Höhepunkt des Seminars ist das Weihnachtsfest, das mit den Klosterschwestern gefeiert wird. Es beginnt am Morgen mit der Vesper und endet mit der Christmette in der Pfarrkirche. Natürlich gibt es auch ein Festessen mit Buffet im großen Saal des Klosters, und es werden auch Geschenke verteilt. Nichts Großes, sagt Schwester Grupp, aber Präsente kämen immer gut an.

Meist sind es Produkte aus der Klosterküche oder dem Klostergarten, die nett verpackt werden, wie selbst gemachte Kerzen, Apfelessig oder ein Lavendelsäckchen. An den übrigen Seminartagen wird Selbstwahrnehmung und Loslassen vermittelt, es geht um innere Ruhe und darum, wie man seine Erkenntnisse und Erfahrungen in den Alltag mitnehmen kann. Während des Aufenthalts entstehen laut Schwester Beate Grupp viele Freundschaften. "Manche kommen jedes Jahr wieder", sagt sie. Und das gemeinsame Singen sei immer eine Freude.

Dass Schwester Grupp als Seminarleiterin an den Weihnachtsfeiertagen arbeiten muss, empfindet sie nicht als Belastung, im Gegenteil. "Für mich ist das keine Arbeit. Es ist eine Bereicherung und ein Geschenk, mit anderen Menschen zusammenzukommen."

© SZ vom 24.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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