Bernried:Shalom chaverim

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Bernried erinnert an die 2000 KZ-Häftlinge in einem Güterzug

Jedes Mal, wenn Annemarie Gutmann zum Bernrieder Bahnhof kommt, denkt sie an den 28. April 1945, als ein langer Güterzug anhielt voll mit 2000 hungernden, frierenden KZ-Häftlingen. Gutmann war damals 19 Jahre alt und am Schalter zum Kriegsdienst verpflichtet. Sie erinnert sich an Gestalten in graublauen, zerfetzten Häftlingskleidern, die von den SS-Schergen zu einer Rampe gebracht wurden, damit sie dort ihre Notdurft verrichten konnten. Trupp für Trupp sei vorgeführt worden, geschubst und geschoben bis zur Rampe und wieder zurück. "Die fielen fast zusammen, die konnten fast nicht laufen, die wankten nur. Trotzdem haben die Wachen das Gewehr aufgepflanzt gehabt, damit keiner stiften geht." Den Zug wollte damals keiner haben, Seeshaupt nicht und Tutzing nicht.

Nach Bernried kamen Häftlinge zum Betteln und wurden von Gutmanns Mutter mit Kartoffelsuppe versorgt. Ein Häftling erzählte, wie seine Frau und seine fünf Kinder mit Benzin übergossen und verbrannt worden waren. "Der konnte dann nicht mehr weiterreden und wir haben alle mitgeweint", erinnert sich Gutmann, die diese Geschichte aufgeschrieben hat, auch wenn sie sich nicht gerne erinnert. Dass diese Erinnerungen wach gehalten werden, ist Judy Grosch zu verdanken, die vor zehn Jahren die Initiative "Bahnhofsgruppe Bernried" gegründet hatte. Seither werden jedes Jahr zum Gedenktag die schrecklichen Erinnerungen der Zeitzeugin Annemarie Gutmann von ihrer Großnichte Sarah Starke vorgelesen.

Am Dienstag jährten sich die Ereignisse zum 70. Mal, und die Gedenkfeier stand unter dem Motto Menschenwürde. Die Initiatorinnen Grosch, Christine Eberl und Barbara Eder hatten die Gedenkfeier monatelang vorbereitet, die traditionell mit einem Marsch entlang der Bahngleise beginnt. Rund 40 Bernrieder legten zu den Klängen des Friedensliedes "Shalom chaverim", gespielt von der Geigerin Franziska Preuß, Kerzen und Blumen am Bahnsteig ab. Später versammelten sie sich vor der Gedenktafel am Bahnhofsvorplatz, auf der der "Baum der Versöhnung" steht. Die Asylbewerber hätten ebenfalls ein Recht auf Freiheit und Menschenwürde, betonte Christine Eberl.

Auch in Tutzing wurde an den Häftlingstransport erinnert. Am Mittwoch trafen sich Bürger zum Friedensgebet in der Pfarrkirche. Anschließend sprach Bürgermeister Rudolf Krug am Mahnmal.

© SZ vom 30.04.2015 / sbh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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