Ausstellung:Skulpturen für die Wand

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Gabriele Middelmann zeigt in der Tutzinger Galerie Benzenberg ihre dreidimensional wirkenden Arbeiten. Die Materialbilder sind Schicht für Schicht aufgebaut und verstehen sich als Metapher für die Vergänglichkeit

Von Katja Sebald, Tutzing

Die Bilder von Gabriele Middelmann wirken geradezu dreidimensional und so schwer, als hätte die Künstlerin Mauerreste aus einer untergegangenen Stadt zusammengetragen. Sie will sie als Sinnbilder für die Vergänglichkeit der Dinge verstanden wissen. In der Galerie Benzenberg in Tutzing kontrastieren ihre aus vielen Schichten bestehenden Strukturen und ihre morbiden Farbklänge höchst reizvoll mit den polierten Holzflächen eleganter Antiquitäten. Middelmann, die in der Nähe von Dachau lebt, zeigt derzeit einen Querschnitt aus aktuellen Arbeiten zwischen Abstraktion und Figuration.

Das "Selbstportrait" von Gabriele Middelmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Risse, Gitterlinien und reliefartige Strukturen. Aufgeplatzte, bröckelnde oder zerkratzte Farbschichten, die den Blick auf Darunterliegendes freigeben. Darüber Karton und rostige Schilder, Schriftzeichen und Objekthaftes, auch ein Paar Engelsflügel ist dabei. Middelmann selbst denkt an Erde und Steine, an Flechten und Moose, an Wolken, Schnee und Wasser, an den Panzer eines Reptils, an die Schrunden eines morschen Baums, an die Schuppen eines Fisches oder auch an die Sommersprossen auf der Haut, wenn sie Schicht über Schicht ihre Bilder zu solchen Wandskulpturen aufbaut.

"Touched" von Gabriele Middelmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ihre Inspiration findet sie auf langen Spaziergängen im Dachauer Moos, Fotos dienen ihr als Erinnerungshilfe. In Tutzing zeigt sie auch Arbeiten aus einem Zyklus mit dem Titel "Parete", das italienische Wort für Wand. Fotografien von alterndem Putz, von abblätternden Tapeten und Anstrichen sind hier Ausgangspunkt für die jeweilige Bildidee. Solche morbiden Wände, die sie mit ihren Materialbildern sozusagen nachbaut, findet sie in München ebenso wie etwa im Kloster Neustift oder auch auf einer Reise nach Brixen.

"Flugstunde" von Gabriele Middelmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein anderer Bildzyklus heißt "Illusion der Schwere": Eine leichte Pappe mit Wabenstruktur dient als Bildgrund für die vielen Schichten aus Fundstücken und Zeichen, die eine zumindest lose Verbindung zur Welt der Dinge herstellen. Ganz abstrakt bleibt hingegen das großformatige Bild mit dem poetischen Titel "Ich wollte Dir einen Seerosengarten pflanzen": Hier hat die dünnflüssige Farbe wässrige Rinnsale auf dem Bildgrund hinterlassen, mit verschiedenen Werkzeugen wurden in pastose Farbschichten senkrecht verlaufende Spuren eingegraben. Auf zwei kleinformatigen Bildern entstehen durch aufgeklebte und zusätzlich übermalte Papierstreifen vertikale Linien.

"Warten 2" von Gabriele Middelmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Und schließlich zeigt Middelmann in der Tutzinger Galerie noch eine dritte Werkgruppe, bei der sie zunächst ihre Motive als Fotos formatfüllend auf den Bildgrund aufbringt und diese dann mit Strukturmasse aus Lehm, Sand, Asche oder auch Marmormehl und schließlich noch mit Farbe überarbeitet.

Handelt es sich bei dem Foto um ein Portrait, in Tutzing ist es ein Selbstportrait, dann nimmt die Künstlerin den Alterungsprozess des Menschen gleichsam vorweg. Die fotografierten Stühle hingegen werden durch die Bearbeitungen zu Vintage-Objekten.

Gabriele Middelmann wurde 1961 in Velbert in Nordrhein-Westfalen geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Zahntechnikerin und arbeitete für einen medizinischen Fachverlag. Seit 1995 ist sie freischaffende Künstlerin. Nach Fortbildungen an der Kunstakademie Bad Reichenhall ist sie seit 2005 selbst als Dozentin an verschiedenen Kunstakademien tätig. Sie ist Mitglied der Künstlervereinigung Dachau und zeigte ihre Arbeiten bereits in zahlreichen Ausstellungen.

Die Ausstellung in der Galerie ist bis 10. März zu sehen, an diesem Tag ist von 10 bis 13 Uhr Finissage

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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