Verwaltungsgericht:Die Stadt muss ihre Räume auch der AfD zur Verfügung stellen - nur welche?

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  • Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass auch die AfD in städtischen Sälen Veranstaltungen abhalten darf - die Partei galt bisher als unerwünscht.
  • Ob die Stadt diesen Beschluss akzeptiert oder Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegt, ist noch nicht entschieden.

Von Dominik Hutter

Ein echtes Schnäppchen sieht anders aus: 5500 Euro Miete werden fällig - pro Tag. Dazu kommen Beiträge für Sicherheitsdienst, Veranstaltungsleiter und Haftpflichtversicherung. Die Küche kostet zusätzlich 560 Euro, die Speisen- und Getränkeausgabe 280.

Dafür erhält man dann einen Festsaal mit gotischem Tonnengewölbe, 435 Quadratmeter groß, sowie zwei Foyers mit zusammen 361 Quadratmetern. Zentral gelegen am Marienplatz. Der Saal des Alten Rathauses ist über die Raumbörse der Stadt zu mieten.

Wer einen Raum für Veranstaltungen bekommen will, hat bei der Stadt München die Qual der Wahl. Neben Sälen im Alten und Neuen Rathaus befinden sich etwa das Casino des Kreisverwaltungsreferats, Schloss Kempfenhausen am Starnberger See, die Philharmonie im Gasteig sowie diverse Kultur- und Bürgerhäuser im Portfolio der kommunalen Raumbörse.

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Das Hausverbot für Veranstaltungen verstoße gegen das bayerische Versammlungsgesetz, rügt das Landratsamt Erding.

Für die Stadt, die ja eine besondere Verantwortung trägt, ist der Vermieterjob nicht immer einfach - es gilt schließlich zu verhindern, dass in den öffentlichen Immobilien unliebsame Dinge geschehen. Wie bei der als antisemitisch eingestuften BDS-Bewegung ("boycott, divestment and sanctions"), die inzwischen per Stadtratsbeschluss aus sämtlichen städtischen Räumen ausgeschlossen wurde.

Auch die AfD galt bislang als unerwünscht, Anfragen für Wahlkampfveranstaltungen im Kulturzentrum Trudering, im Kulturzentrum Milbertshofen, im Moosacher Pelkovenschlössl und im Kulturzentrum 2411 am Hasenbergl wurden abgelehnt. Inzwischen hat sich die Stadt eine blutige Nase vor dem Verwaltungsgericht geholt.

Wenn Räume ausdrücklich öffentlich und für bürgerschaftliche Zwecke vorgehalten werden, so die Richter, dürfe die Stadt eine einzelne Partei nicht benachteiligen. Denn verboten ist die AfD ja nicht. Heißt: Das Rathaus muss Wahlkampfveranstaltungen auch der AfD in den Kultur- und Bürgerhäusern ermöglichen und notfalls den zuständigen Trägerverein entsprechend anweisen.

Ob die Stadt diesen Beschluss akzeptiert oder Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegt, ist noch nicht entschieden. Als eher unwahrscheinlich gilt aber, dass die Stadtspitze die radikale Lösung wählt und, um ihrer Neutralitätspflicht nachzukommen, einfach alle politischen Veranstaltungen aus ihren Bürgerhäusern verbannt.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Sie alle werden von eigenen Trägervereinen betrieben, nicht von der Stadt, gelten laut Verwaltungsgericht aber trotzdem als öffentliche Räume, in die alle Parteien dürfen: das Kulturzentrum Milbertshofen.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Sein Pendant in Trudering.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Kulturzentrum 2411 am Hasenbergl.

Und das Moosacher Pelkovenschlössl.

Denn an sich ist Politik in München ja nicht unerwünscht. In den Kultur- und Bürgerhäusern finden jedes Jahr zahlreiche Parteienveranstaltungen statt, vom Neujahrsempfang der CSU übers Fischessen der SPD bis hin zu Vorträgen über Patientenverfügungen oder innere Sicherheit. Grundsätzlich gilt allerdings: Drei Monate vor Wahlen ist Schluss, dann müssen die Parteien draußen bleiben. Die AfD wie auch alle anderen haben also nur noch bis zum 13. Juli Zeit, Werbung für die Landtagswahl zu betreiben.

Was in kommunalen Räumen immer gilt: Veranstaltungen dürfen nicht verfassungsfeindlich sein, es darf niemand diskriminiert werden und es darf nichts Strafbares oder Sittenwidriges (etwa Pornographisches) geschehen. Diese Vorgaben sind in den sogenannten Überlassungsbedingungen formuliert und müssen vom Mieter unterschrieben werden.

Besonders wachsam ist die Stadt bei Anfragen in Schulen: 2017 beschloss der Stadtrat, in diesen gar keine Veranstaltungen von Parteien oder Wählergruppen mehr zuzulassen. Zwar hielten sich die politischen Aktivitäten in Klassenzimmern und Schulmensen auch zuvor schon in engen Grenzen - 2014 und 2016 gab es lediglich zwei solcher Veranstaltungen.

Da aber immer Schulleitungen oder Eltern kritisch nachfragten und da eine Schule als "Ort besonderer Neutralität" gilt, plädierte das Bildungsreferat für den radikalen Schnitt: raus mit den Parteien. Zumal es "vor dem Hintergrund einer veränderten politischen Landschaft" nicht unwahrscheinlich sei, dass Schulen für Veranstaltungen mit verfassungsfeindlichen Zielen oder für die Hetze gegen Minderheiten und Religionsgemeinschaften genutzt werden.

Strenge Regeln gelten auch für die Büro- und Konferenzräume im Rathaus. Sie dürfen von den im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen nur zu aktuellen kommunalpolitischen Themen und nur für einen überschaubaren Personenkreis verwendet werden.

Öffentliche Unterschriftensammlungen sind ebenso unzulässig wie klassische Parteiveranstaltungen, die als "unerlaubte Form der Parteienfinanzierung" eingestuft werden. Wer für den Landtag trommeln will, muss sich also anderweitig umsehen. Bei der städtischen Raumbörse etwa, zu deren Sortiment auch die beiden Sitzungssäle des Stadtrats, die Ratstrinkstube oder die Grütznerstube zählen. Sie kosten allerdings zwischen 390 (Grütznerstube) und 2800 Euro pro Tag (Kleiner Sitzungssaal).

Was als städtischer Raum anzusehen ist, wird vom Verwaltungsgericht eher großzügig ausgelegt. In der Debatte über die Nicht-Vermietung an die AfD hatte sich die Stadt auf den Standpunkt zurückgezogen, die Kultur- und Bürgerhäuser seien keine öffentlichen Einrichtungen, da sie von eigenständigen Trägervereinen geführt werden, denen das Rathaus nichts anordnen könne.

Beim Kulturzentrum Trudering gehört nicht einmal die Immobilie der Stadt - allerdings wurde sie in erheblichem Umfang mit kommunalem Geld finanziert. Die Richter sahen dies jedoch anders. Es komme nicht maßgeblich auf die Eigentumsverhältnisse an, steht in der Begründung ihres Beschlusses. Wenn eine Kommune die rechtliche Möglichkeit habe, Einfluss zu nehmen und bei der Nutzung durch die Allgemeinheit mitbestimmen zu dürfen, sei auch die Einrichtung als öffentlich anzusehen.

Entscheidend seien dabei nicht nur die städtischen Zuschüsse, die regelmäßig an die Vereine fließen, sondern auch entsprechende Regelungen in den Nutzungsverträgen, die dem Rathaus Einfluss garantieren. Darin sei unter anderem festgeschrieben, dass die Räume der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden müssen - und damit auch der AfD.

Zwar könne der Stadtrat offiziell beschließen, keine Parteiveranstaltungen mehr zuzulassen. Das müsse dann aber für alle einheitlich gehandhabt werden, mahnen die Richter. Eine Entscheidung des Ältestenrats, die Häuser nur an im Stadtrat vertretene Parteien und Gruppierungen zu vermieten, erklärte das Verwaltungsgericht für nichtig.

Denn der Ältestenrat, ein nicht-öffentlich tagendes Gremium für interne Stadtratsangelegenheiten, diene lediglich der Beratung des Oberbürgermeisters und könne keine verbindlichen Beschlüsse fassen. Das von der AfD eingeforderte Ordnungsgeld von 250 000 Euro wollten die Richter jedoch nicht verhängen.

Allerdings kann die AfD nur "im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten" in die städtischen Häuser, also wenn noch Termine frei sind. Allzu viel Zeit bleibt den Landtagswahlkämpfern nicht mehr, in sechs Wochen beginnt die Drei-Monats-Sperrfrist. Die Häuser sind normalerweise gut gebucht. Im Pelkovenschlössl etwa finden vom 9. bis 17. Juni die Moosacher Stadtteilkulturtage statt.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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