Wassersport:Mit Mama auf den Balkon

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Dachaus Aquaballer sind zum vierten Mal deutscher Meister

Von Jan Geissler, Dachau

Rathausbalkon? Wie die FußballerInnen des FC Bayern, die am Sonntag ihre Meistertitel feiern? Die Bunnyhunters hätten nichts dagegen. Die Bunnyhunters (frei übersetzt Häschenjäger) sind die Aquaballer des SV Dachau. Und seit Samstag deutscher Meister. In Ahaus an der niederländischen Grenze gewannen sie ihren vierten Meistertitel auf der Champions-Tour, quasi die Bundesliga der Aquaballer. Sie profitierten dabei vom Patzer der Münchner Kraken - ihr größter Konkurrent landete nur auf Platz drei. "Wir werden mal beim Dachauer Bürgermeister anfragen, ob wir auf den Balkon dürfen", sagt Bunnyhunters-Trainer Peter Demmelmayr. Nur: Was ist eigentlich Aquaball?

"Das ist doch wie Wasserball" - so würde es wohl ein Außenstehender beschreiben. Das ist aber nicht ganz richtig: "Fairplay ist ganz wichtig. Außerdem stehen wir im Wasser, spielen in gemischten Teams mit nur vier Spielern und haben einen leichteren Ball", nennt Demmelmayr ein paar Unterschiede zum großen Bruder.

Seit 1997 existiert die Sportart, ihren Ursprung hat sie in Deutschland. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) habe lange versucht, Kinder, die nicht leistungsmäßig schwimmen möchten, trotzdem zu halten. Vor allem mit Beginn der Pubertät sei dies aber enorm schwer. Die Lösung: Aquaball. Ein Sport, der Wasserball zumindest ähnelt und sowohl im Breiten- als auch Wettkampfsport zu Hause ist.

"Für den Wettkampf gibt es ein richtiges Regelhandbuch, für alles andere gelten vier Grundregeln", erzählt Demmelmayr. Die erste: Fairplay. Das heißt, kein Körperkontakt mit dem Gegner, außerdem gilt das Gebot der Ehrlichkeit. Zweitens: Vor jedem Torwurf muss der Ball mindestens drei Mal gepasst werden. Drittens: Der ballführende Spieler darf sich nicht fortbewegen. Viertens: Der Ball darf nie unter Wasser gedrückt werden. "Eigentlich simpel", findet Demmelmayr, der die Sportart verkörpert wie kein anderer.

Wenn der 38-Jährige sagt, dass er die "Mama für alles" ist, dann übertreibt er damit nicht ansatzweise. Demmelmayr ist Trainer, Spieler, Abteilungsleiter, Web-Administrator, Regelbuchautor, er schult Schiedsrichter und ist Referent beim DSV. Man fragt sich, wie er dabei noch Zeit für Beruf und Familie findet.

In Dachau wird der Sport seit 1998 betrieben, damals sei zur Hallenbad-Jubiläumsfeier ein DSV-Vertreter vorbeigekommen und habe Aquaball vorgestellt. Demmelmayr gründete daraufhin eine Mannschaft und schaffte es, diese zuvor gänzlich unbekannte Sportart in Dachau zu etablieren. Dem DSV ging es dennoch zu langsam voran. "Irgendwann wurde dem Ganzen von Seiten des DSV keine Beachtung mehr geschenkt", sagt Demmelmayr, der daraufhin alles eigenverantwortlich organisierte. Fünf Jahre lang versuchte er, die vorhandenen Vereine auf Linie zu bringen, Regeln auszuarbeiten und eine Trainerlizenz zu entwickeln. Bis dem Verband auffiel, dass Aquaball größer und größer wurde - und er wieder auf den Zug aufsprang.

Inzwischen spielen auf der Champions Tour, die 2007 von Demmelmayr ins Leben gerufen wurde, 16 Mannschaften mit insgesamt 260 Spielern. Zusätzlich gibt es ein paar Dutzend weitere Vereine auf Breitensportebene. Vor allem im Münchner Raum ist Aquaball sehr beliebt: Die Bunnyhunters stellen gleich drei Teams auf der Champions Tour, hinzu kommen die Münchner Kraken sowie die Wild Crocs Ebersberg. Allein in Dachau tummeln sich aktuell etwa 90 Aquaballspieler im Wasser, schätzt Demmelmayr.

Inzwischen nehme die Zahl der Interessenten aber auch europaweit zu. So gibt es in Österreich bereits drei reine Aquaballvereine, außerdem hat die Sportart großes Potenzial für Behinderte: "Wir haben das mal im Olympiabad München bei den deutschen Special Olympics vorgestellt, die fanden das alle richtig geil", erzählt Demmelmayr: "Jetzt wird Aquaball auch in vielen Behinderteneinrichtungen angeboten." Mit zunehmendem Erfolg stieg auch die Beachtung für die Sportart. Inzwischen würden die Bunnyhunters sogar in den Bau des neuen Dachauer Hallenbades miteingebunden. "Eventuell wird ein Hubboden eingebaut, sodass sowohl wir als auch Schwimmer das Becken nutzen können", erzählt Demmelmayr stolz.

Das ist aber noch Zukunftsmusik. Jetzt soll erst einmal die vierte deutsche Meisterschaft gefeiert werden - nach einem Autokorso in Ahaus am liebsten auf dem Dachauer Rathausbalkon.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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