Volleyball:Weit weg vom Königreich

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"Mehr ist nicht drin": Bundesligist TSV Herrsching muss in Lüneburg seine Chancenlosigkeit eingestehen

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

Ziemlich genau drei Monate später ist die Euphorie einem kurzen Kopfschütteln gewichen. Nein, zu großen Überraschungen ist Herrsching derzeit nicht fähig. Nach der 1:3-Niederlage (17:25, 26:24, 22:25, 20:25) der TSV- Volleyballer in Lüneburg fiel die sportliche Analyse von Trainer Max Hauser eindeutig aus: "Wir haben heute verdient verloren", sagte er. "Mehr ist im Moment nicht drin gegen so einen Gegner." Gerade für Herrschinger Verhältnisse sind das erstaunlich nüchterne Worte. Sonst wird beim selbsternannten "Geilsten Club der Welt" ja gerne Klamauk, Ekstase und Größenwahn zelebriert. So wie eben vor drei Monaten, beim Saisonstart Ende Oktober, als die Herrschinger den Favoriten aus Lüneburg in einem berauschenden Spiel 3:2 besiegten - und sie sich einmal mehr als Könige der Bundesliga feierten. Jetzt sagt Hauser nur: "Uns fehlt im Moment die Wettkampfhärte."

Krankheiten, Verletzungen und ein tief enttäuschter Nationalspieler machten den Oberbayern die sportliche Arbeit zuletzt schwer: Julius Höfer fehlte mit Grippe, Daniel Malescha wegen Schulterproblemen und Patrick Steuerwald hat neben einer Erkältung vor allem das Olympia-Aus mit dem Nationalteam zu verarbeiten. Trister Alltag am Ammersee. "Das merkt man uns einfach an. Wir sind nicht so richtig eingespielt. In den letzten Wochen haben wir selten mal sechs gegen sechs trainieren können", klagte Hauser. Entsprechend chancenlos war seine Mannschaft gegen einen überlegenen Gegner.

Lüneburg ist im gleichen Jahr wie der TSV aufgestiegen, die Vereine sind aber nicht vergleichbar. Zwei Nationalspielern auf Herrschinger Seite standen fünf internationale Spitzenspieler aus Kanada, den USA und Spanien gegenüber. Was Etat, Sponsoren und Umfeld betrifft, haben die Hanseaten mehr Möglichkeiten. In der vergangenen Saison erreichten sie das Pokalfinale und das Halbfinale der Playoffs. Um so einen Gegner zu besiegen, muss bei den Oberbayern alles optimal laufen.

"Okay", wie der Trainer sagt, "reicht dann nicht." Annahme, Angriff, Aufschlag, alles sei in Ordnung gewesen. Beim Blick auf den Spielberichtsbogen lasen sich die Werte der Gäste nicht mal schlecht, aber sie lagen eben in jedem Bereich unter denen der Gastgeber. Mitte des dritten Satzes bei Gleichstand (13:13) zeigte sich der entscheidenden Unterschied: Während Herrsching in der Annahme das ein oder andere Mal unkonzentriert agierte und Fehler beim Aufschlag machte, bereitete Lüneburg seine Angriffe präzise vor und spielte diese konsequent zu Ende. In dieser Phase gelang es den Lüneburgern, sich mit zwei, drei Punkten abzusetzen. Herrsching kam in der Folge nicht mehr ran und musste immerfort einem Rückstand nachlaufen.

Zwölf Punkte aus zwölf Spielen stehen nun zu Buche: Platz acht in der Liga. Herrsching scheint sich im hinteren Mittelfeld festgespielt zu haben. Hauser reagiert beim Blick auf die Tabelle gereizt. Das "Tabellengequatsche" nerve ihn. "Mich interessiert das nicht", sagt er. Selten ist er so dünnhäutig wie bei diesem Thema. Nach etwas mehr als der Hälfte der Saison kann man durchaus bilanzieren: Die Herrschinger hatten sich in diesem Jahr insgeheim mehr erhofft, auch wenn Hauser die Erwartungen stets bremste. Das euphorische erste Spiel war in diesem Zusammenhang wohl mehr Fluch als Segen. Manager Fritz Frömming sprach in der Hinrunde noch offen von Playoff-Platz sechs, worauf Hauser trotzig den Klassenerhalt als Ziel ausgab. Das Leistungsvermögen liegt - Stand jetzt - irgendwo dazwischen. Wohin man sich orientieren kann, wird das Spiel gegen den Siebten Bühl am kommenden Wochenende (Sa. 19 Uhr) zeigen.

Das Auswärtsspiel in Lüneburg hatte für die Herrschinger dann aber auch etwas Positives: einen nächtlichen Abstecher nach Hamburg. Am Samstagabend ging es nach der Partie noch auf "Sightseeing", wie es Hauser lachend formulierte. Auch so eine Aktion ist typisch für den Klub. Wider die Tristesse am Ammersee.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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