Volleyball:Stillstand im Hamsterrad

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Der TSV Herrsching stellt seinen Erstliga-Verbleib infrage. Um weiterzumachen, braucht er die Aussicht auf eine neue Arena - und mehr Geld. Für die Playoffs will er nach Vilsbiburg umziehen.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Es waren keine guten Nachrichten, die Herrschings Volleyballer am Mittwoch um 10.06 Uhr in ihren Medienverteiler steckten, sie klangen vielmehr existenzbedrohend. Mit der drastisch formulierten Schlagzeile "Herrsching stellt 1. Bundesliga auf den Prüfstand - Abstieg möglich" schickte der Klub vom Ammersee ein zweiseitiges Papier in die kleine Volleyballwelt hinaus, in dem er vordergründig auf ein neues Projekt hinweist. Mit "100 für Erste Liga" sollen 100 Sponsoren gewonnen werden, die die TSV-Volleyballer mit je 1000 Euro unterstützen und somit den künftigen Spielbetrieb absichern. Die Suche läuft von diesem Donnerstag bis 24. März, jeder Gönner bekommt Bandenwerbung, ein paar Freikarten und ein limitiertes Andenken, wie der Klub mitteilt. "Wir wollen keine Almosen, sondern Partnerschaften entwickeln", sagt Herrschings Marketingmanager André Bugl. Partnerschaften, die der Klub offensichtlich dringend braucht, weil ihm seit Ende Juli 2017 wichtige Sponsoren weggebrochen sind.

"Wenn sich hier nichts ändert, sind wir nach den nächsten zwei Saisons automatisch weg."

Damals hatte der Herrschinger Gemeinderat entschieden, die Realisierung der von den Volleyballern dringend benötigten Eventarena nicht weiter zu verfolgen. "Wir kommen uns verarscht vor, das kann man nicht anders sagen", sagte Bugl damals in Richtung des parteilosen Herrschinger Bürgermeisters Christian Schiller, der den Klub nach Ansicht der TSV-Verantwortlichen zu wenig bei seinen Professionalisierungsplänen unterstützt. "Durch die Entscheidung des Gemeinderates haben wir viele Sponsorengelder verloren", sagt nun TSV-Geschäftsführer Fritz Frömming. Die Rede ist von 40 000 Euro, die Frömming selbst, Bugl und Trainer Max Hauser - die drei Teilhaber der Spielbetriebs-Gesellschaft - nun zusätzlich aus eigener Tasche ausgleichen. Einen kleinen sechsstelligen Betrag habe man inzwischen gemeinsam in das Projekt investiert. "Es muss wenigstens irgendwann die Null stehen. Wir sind keine Multi-Millionäre, bei uns sind die Möglichkeiten jetzt dann irgendwann erschöpft", sagt Frömming.

Der Klub nennt auch konkrete Zahlen als Voraussetzung dafür, dass Herrsching im kommenden Herbst in seine fünfte Erstligasaison gehen kann: Man müsse den Gesamtetat (den der TSV zu Saisonbeginn auf 520 000 Euro taxierte) um mindestens 30 Prozent erhöhen und die reinen Sponsoringeinnahmen auf 500 000 Euro aufstocken, heißt es in der Mitteilung. Hierfür seien 150 000 Euro Mehreinnahmen notwendig. "Gelingt es uns nicht, so sehen wir das Projekt 1. Bundesliga für die Saison 2018/2019 in diesem Maße nicht mehr umsetzbar und werden uns mit einer Alternative beschäftigen müssen", sagt Marketingmanager Bugl. Als Alternative gibt es für die TSV-Verantwortlichen nur zwei Varianten: entweder den Neustart in der zweiten Liga oder einen kompletten Rückzug.

Die Herrschinger, die sportlich längst im Mittelfeld der Liga angekommen sind, im Dezember Meister Berlin aus dem Pokalwettbewerb geworfen haben und dort nun zum zweiten Mal in Serie erst im Halbfinale scheiterten, zittern nicht nur wegen der fehlenden Einnahmen um ihre Zukunft. Ihr eng damit verknüpftes Kernproblem ist die fehlende Arena. Die Ausnahmegenehmigung für ihre zu kleine und niedrige Nikolaushalle, die vor Spieltagen mit immensem Aufwand von Ehrenamtlichen zur Eventhalle umgebaut wird, läuft zur Saison 2020/21 aus, spätestens dann muss nach den Vorgaben der Volleyball-Bundesliga eigentlich ihre neue Arena stehen - gegen die sich der Gemeinderat gestellt hat.

Fertige Pläne für eine Multifunktionsarena liegen längst in der Schublade, und sie bleiben bis auf Weiteres auch dort. "Wenn sich hier nichts ändert, dann sind wir nach den nächsten zwei Saisons automatisch weg", sagt Geschäftsführer Frömming. Auch die Möglichkeiten, in schon bestehende Hallen umzuziehen, die den Liga-Regularien entsprechen, sind eher theoretischer Natur. In München sind die Olympiahalle (circa 35 000 Euro Tagesmiete) und der Audidome (belegt durch die Bayern-Basketballer) nicht zu haben, mittelgroße Hallen mit der verpflichtenden Mindestkapazität von 1000 Zuschauern und neun Metern Deckenhöhe gibt es schlichtweg nicht. Auch das Ballhausforum in Unterschleißheim (10 000 Euro Tagesmiete) sprengt das Herrschinger Budget, die Arena in Unterhaching ist dem Erstligakonkurrenten Alpenvolleys vorbehalten.

So behilft sich der TSV kurzfristig mit einer Notlösung für die Ende März startenden Playoffs. In denen dürfen sie laut den Ligavorgaben keine Spiele mehr in ihrer Nikolaushalle austragen. Da auch ihr letztjähriger Playoff-Ausweichstandort Innsbruck mittlerweile durch die bayerisch-österreichischen Alpenvolleys belegt ist, ziehen sie nach Vilsbiburg, in die Ballsporthalle der Erstliga-Volleyballerinnen. Das Viertelfinale, für das sie sicher qualifiziert sind, und ein mögliches Halbfinale tragen sie dort aus. Es ist eine Art Freundschaftsdienst der Roten Raben, denen die Herrschinger zugleich schon einmal für ein Live-TV-Spiel ihre teuren LED-Banden zur Verfügung gestellt haben. "Das ist logisch und konsequent, nachdem der Standort Innsbruck weggefallen ist", sagt Liga-Manager Daniel Sattler, der die Herrschinger ansonsten bei ihrer Hallenproblematik in einem "Hamsterrad" wähnt, "in dem sie nicht richtig vorankommen".

TSV-Trainer Hauser formuliert es lieber positiv: "Wir wurden anfangs belächelt, teilweise bekämpft und sind jetzt eines der größten Sportevents im Umfeld von München. Die Region hat jetzt die Chance, zu zeigen, ob sie so etwas wie Volleyball-Bundesliga hier haben möchte oder nicht."

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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