Volleyball:Schnäppchen aus dem Alligator-Land

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Von Lake Wales an den Ammersee: Martin Krüger spielte in Florida vier Jahre lang College-Volleyball. In Herrsching ist der 23-Jährige zweiter Zuspieler hinter Michal Sladecek. (Foto: oh)

Der TSV Herrsching verpflichtet Zuspieler Martin Krüger. Damit ist der Kader für die neue Bundesliga-Saison komplett.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Martin Krüger war in den vergangenen vier Jahren von Wasser nur so umzingelt: Mountain Lake, Crooked Lake, Lake Clinch, Lake Buffum, nicht zu vergessen Lake Easy, all diese Tümpel rahmen Krügers jüngsten Wohnort ein, der bezeichnenderweise den Namen Lake Wales trägt. Das 14 000-Einwohner-Städtchen liegt im Polk County, im Herzen Floridas, dessen wohl größte Attraktion die 554 Süßwasserseen sind, die es dort gibt. Insofern ist es nur folgerichtig, dass der 23-Jährige zur kommenden Saison an den Ammersee wechselt, zum Volleyball-Erstligisten TSV Herrsching. Kleiner Vorteil: Dort leben keine Alligatoren, die auch die Seen im Polk County zuhauf bevölkern, der längste maß immerhin an die vier Meter.

"Es ist kein Name, den man riesig auf dem Schirm hatte, aber ein Spieler, der absolut formbar ist."

Als zweiter Zuspieler soll der gebürtige Hallenser Krüger von Herrschings erfahrenem Steller Michal Sladecek lernen, das Training bereichern, möglichst bissig sein, um im Bild zu bleiben, und auch ein eigenes Profil entwickeln - damit Trainer Max Hauser auf der Position des Denkers und Lenkers zwei unterschiedliche Charaktere hat, die das Spiel unberechenbar machen. "Es ist kein Name, den man riesig auf dem Schirm hatte, aber ein Spieler, der absolut formbar ist", sagt Herrschings Marketing-Manager André Bugl. Der umtriebige TSV-Chefscout Michael Mattes hatte Krüger, dessen Name wegen seines Wechsels im Jahr 2013 an die Warner Universität in Lake Wales fast schon von der deutschen Volleyball-Landkarte verschwunden war, ins Spiel gebracht. Und die TSV-Verantwortlichen waren schnell angetan von den Fähigkeiten des 1,83-Meter-Mannes. Er soll künftig Herrschings Ersatz-Zuspieler Tobias Neumann ersetzen, der allenfalls noch in Notsituationen bereitsteht.

Krüger hat nach seiner Ausbildung in Halle an der Saale und später im Nachbarort Bitterfeld-Wolfen, in dem ein Zweitligist spielt, die klassische Kaderschule am Volleyball-Internat Frankfurt durchlaufen. 2013 bekam er dann die Möglichkeit, Collegespieler an der Warner Universität zu werden - und den Sport mit einem Biologie-Studium zu verknüpfen. Nun kehrt Krüger zurück nach Deutschland, mit dem Ziel, in der Bundesliga Fuß zu fassen. "Für Martin war es eine Idealsituation, München taugt ihm, und wir wollten einen ambitionierten Spieler, der immer mittrainieren kann", sagt Bugl. Es gibt im Grunde nichts Wichtigeres, als zwei Zuspieler im Training zu haben, ohne sie muss ein Trainer ständig improvisieren, was auch das Niveau der Übungen senkt.

Mit der Verpflichtung von Krüger haben die Herrschinger ihre Stammformation beisammen, deren Akteure Sladecek, die Außen-Annahme-Spieler Tom Strohbach und Slawomir Zemlik, Libero Ferdinand Tille, Diagonalmann Christoph Marks und die beiden großen Mittelblocker Andre Brown und Wilhelm Nilsson sind. Es ist eine fast komplett neuformierte Mannschaft, die sich mithilfe von Herrschings bisherigen Leitfiguren Tille und Strohbach finden soll. Führungsspieler wie Patrick Steuerwald sind nicht mehr dabei, auch nicht starke Identifikationsfiguren wie Julius Höfer, der zum Zweitligisten Grafing gewechselt ist; Routiniers wie Kapitän Benedikt Doranth oder Angreifer Florian Malescha dürften zwar noch in der Whatsapp-Gruppe des Mannschaft gelistet sein, aber eher am Rande des erweiterten Kaders. Somit ist aus dem letztjährigen Team neben Tille und Strohbach nur der österreichische Mittelblocker Nicolai Grabmüller übrig geblieben - was den Herrschingern aber wenig Bauchschmerzen bereitet. "Wir haben einen Umbruch, aber auch alle Zeit der Welt", sagt Bugl.

Von 21. August an bittet Coach Hauser zur Vorbereitung, zunächst einmal steht das allseits geliebte Kraft- und Konditionstraining auf dem Programm. Und es sieht ganz so aus, als stünde ihm dann der komplette Kader zur Verfügung. Die Herrschinger haben damit einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber vielen anderen Erstligisten, die Nationalspieler an die jeweiligen Länderauswahlen abstellen müssen - und sie dann oft erst kurz vor Saisonstart erschöpft zurückerhalten. Herrsching hat diese Probleme nicht, selbst Tille und Strohbach legen diesen Sommer eine Nationalmannschafts-Pause ein. So haben sie, wie auch Krüger, mehr Zeit, am See zu liegen. Womöglich mit Blick auf ein paar Plastikechsen, auf denen Kinder im Wasser planschen.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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