Volleyball:S-Bahn-Derby

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Premiere zum Saisonauftakt: Erstmals treffen Grafing und Unterhaching in der zweiten Liga aufeinander. Der eine TSV will sich konsolidieren, der andere sieht sich als Talentpool für Spitzenvolleyball.

Von Sebastian Winter, Grafing/Unterhaching

Eigentlich ist es noch zu früh, um gleich vom "Spiel des Jahres" zu sprechen. Die Zweitliga-Saison der Volleyballer hat ja noch nicht einmal begonnen. Und ein wenig Steigerungspotenzial sollte schon noch vorhanden sein bis zum Ende der Spielzeit im April nächsten Jahres. Aber es ist eben nicht irgendein Duell, das den Saisonstart in der Südstaffel ziert. An diesem Sonntag (16 Uhr, Jahnsporthalle) treffen der TSV Grafing und der TSV Unterhaching aufeinander - ein Derby, das es in der zweithöchsten deutschen Spielklasse noch nie gegeben hat.

Ex-Herrschinger I: Roy Friedrich, 29, sagt selbstbewusst: "Auf jeden Fall sollen hier die ersten Punkte her." (Foto: Claus Schunk)

Nicht nur deswegen ist es ein ganz außergewöhnliches Treffen. Aufsteiger Unterhaching kehrt an diesem Tag, drei Jahre nach dem finanziell bedingten Rückzug aus der ersten Liga und mehreren Aufstiegen in Serie, in die Bundesliga zurück. Mit einer zumindest auf dem Papier sehr gut besetzten Mannschaft, die dennoch nur als Reserve eines noch viel größeren Projektes dient. Denn Mitte Oktober starten dann die deutsch-österreichischen Alpenvolleys, eine Kooperation von Innsbrucks Profis und deren Partner Unterhaching, per Wildcard in die erste Liga.

"Wir haben drei Jahre gegen den Abstieg gespielt. Jetzt wäre mal das obere Mittelfeld fein."

Die Hachinger streben also mit Macht zurück in den Profivolleyball. Ihre zweite Mannschaft, das betont TSV-Geschäftsführer Mihai Paduretu immer wieder, soll als Plattform für Talente dienen, die dann womöglich bald bei den Alpenvolleys spielen. In den Angreifern Jonas Sagstetter, 18, und Christoph Mattes, 18, sowie Paduretus Sohn Eric, 17, hat sie gleich drei Spieler in ihren Reihen, die im vergangenen Juni mit dem TSV deutscher U20-Meister wurden. Für die Erfahrung im Team steht in erster Linie Rückkehrer Roy Friedrich, der zuletzt mit Herrsching drei Jahre in der ersten Liga spielte, zuvor mit Hachings Profis dreimal den DVV-Pokal gewann, zweimal im Meisterschaftsfinale stand und beachtliche Erfolge in der Champions League feierte. "Das ist gleich zu Beginn ein schönes Derby. Auf jeden Fall sollen hier die ersten Saisonpunkte her", sagt Kapitän Friedrich selbstbewusst. Einen kleinen Eindruck von der Stärke der Hachinger bekamen die Zuschauer am vergangenen Wochenende beim Vorbereitungsturnier des Drittligisten ASV Dachau. Der TSV besiegte im Finale seinen hochambitionierten Ligarivalen Hammelburg mit 2:1 - und hatte auf dem Weg dahin die Grafinger mit 2:0 geschlagen. Nicht nur wegen dieser Niederlage sagt Trainer Alexander Hezareh: "Es ist fast zum Schmunzeln, wenn sie sagen, dass der Klassenerhalt ihr Ziel ist."

Ex-Herrschinger II: Julius Höfer, 25, die schlaggewaltige neue Hoffnung des TSV Grafing. (Foto: Johannes Simon)

Hezareh kennt sich aus, Haching hatte Grafings Trainer im Sommer ein Angebot unterbreitet, das er ablehnte. Sein Gegenüber, so klein ist die Volleyballwelt, ist übrigens Dejan Stankovic, zuletzt Spielertrainer in Unterhaching und dort bis 2009 erfolgreicher Profi, bevor er ein Intermezzo in Grafing gab. Stankovic firmiert offiziell allerdings nur als Co-Trainer, weil ihm noch die nötige Ausbildung fehlt. In Adis Katanovic, Hubertus Golf oder Paduretu selbst, die alle den nötigen Schein besitzen, bekommt er aber fachkundige Unterstützung an der Seitenlinie.

Auch auf dem Feld gibt es ein großes Wiedersehen, vor allem der Ex-Herrschinger: Friedrich und TSV-Zugang Aleksandar Milovancevic messen sich jedenfalls gleich mit ihrem früheren Vereinskameraden Julius Höfer - der nicht weniger ist als Grafings großer Hoffnungsträger. Immerhin war der Modellathlet Höfer vergangene Saison mit 241 Punkten achtbester Scorer der ersten Liga. Künftig zieht der so sprung- wie schlaggewaltige Angreifer, vornehmlich aus Studiengründen, Grafing dem Klub vom Ammersee vor. Auch die weiteren Zugänge sind qualitativ hochwertig. Pablo Karnbaum kommt vom ASV Dachau, Norbert Engemann vom Nord-Zweitligisten Hürth und Tim Noack aus Freising. Noack spielte zuletzt erfolgreich Beachvolleyball. Der Kern des Teams ist ohnehin zusammengeblieben, was ein großer Vorteil im Auftaktspiel gegen Unterhaching sein dürfte. Als schwerwiegendste Verluste bezeichnet Hezareh die Außenangreifer Simon Gürzing (Studium) und Felix Langer (demnächst Knie-OP), wobei Langer nach seiner Rehabilitation gerne wieder zurückkehren möchte aufs Feld.

Ein konkretes Saisonziel hat Grafing noch nicht wirklich ausgegeben, Hezareh sagt aber: "Wir haben drei Jahre gegen den Abstieg gespielt. Jetzt wäre mal das obere Mittelfeld fein." Dazu planen die Grafinger in der laufenden Saison die Gründung einer Spielbetriebsgesellschaft, um sich weiter professionalisieren zu können.

Kurzfristig plant der TSV, Hezareh in Lederhosen an die Seitenlinie zu stellen und den ersten 100 Zuschauern, die zum Derby in Tracht erscheinen, ein Freigetränk zu spendieren. Möglicherweise schafft es der neue Gästefanklub "Hachinga Hammerblock" rechtzeitig. Er reist umweltbewusst mit der S-Bahn aus Unterhaching zum ersten und womöglich stimmungsvollsten Spiel des Jahres.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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