Volleyball:Nordmänner auf dem Königsthron

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Nach leidenschaftlichem Beginn verliert der TSV Herrsching gegen Lüneburg den Faden und das Spiel. Die direkte Playoff-Qualifikation ist weiterhin möglich

Von Philipp Jakob, Herrsching

Im Nachhinein stellte es sich als schlechtes Omen heraus, dass der Abend mit einem frechen Affront begonnen hatte. Vor dem Spiel des Volleyball-Bundesligisten TSV Herrsching gegen Lüneburg hatte sich doch tatsächlich ein Norddeutscher auf dem heiligen Thron des Königs vom Ammersee breit gemacht. Alexander Tropschug - Hallensprecher und unumstrittener Herrscher über das Protokoll - machte sich schnell daran, den unliebsamen Gast von seinem angestammten Platz zu verscheuchen. Der drohenden Machtübernahme der Lüneburger, die bereits das Hinspiel 3:0 gewonnen hatten, setzte er dann seine eigene Propaganda entgegen. "In diesem Land wird es nur ein Gesetz geben", rief der König seinem jubelnden Volk zu: "Mir san geil!"

Eineinhalb Stunden später hatten die Norddeutschen den Herrschinger Hof dennoch eingenommen, 3:1.

Dabei muss man Herrsching eines zu Gute halten: Über zwei Sätze spielten sie wirklich so, wie es sich für den selbsternannten "Geilsten Club der Welt" gehört. Dank der Kombination aus guter Annahme, solidem Block und starken Angriffszügen gewann der TSV den ersten Satz verdient mit 25:22 gegen den Favoriten. Und auch im zweiten zeigte das Team vom Ammersee eine starke Vorstellung. "Wir haben einfach verdammt viel richtig gemacht", konstatierte Trainer Max Hauser. Der zweite Satz blieb jedoch hart umkämpft, beide Teams lieferten sich ein packendes Hin und Her - mit dem besseren Ende für Lüneburg (30:28). Der zweite Satz sei der Knackpunkt gewesen, meinte Hauser: "Die Spieler sind extrem sauer in die Kabine gegangen." Nach der Pause habe sein Team dann "den Faden verloren".

Nach dem Verlust des zweiten Satzes hatte sich Herrsching verausgabt. Hier scheitern Roy Friedrich und Patrick Steuerwald (v.l.) an Lüneburgs Scott Kevorken. (Foto: Oryk Haist)

Die folgenden Sätze drei und vier sind schnell erzählt. Herrsching fand sich jeweils schnell im Hintertreffen und hatte gegen nun stark aufspielende Lüneburger nicht mehr den Hauch einer Chance. Ergebnis: 13:25 und 17:25.

Der Wille der Herrschinger schien gebrochen. "Der zweite Satz hat uns richtig viel Kraft gekostet", versuchte Tom Strohbach zu erklären. Danach seien "alle ein bisschen leer" gewesen. "Nach der Pause haben wir nicht mehr so konzentriert gespielt", fügte Hauser an. Vor allem scheiterte Herrsching in dieser Phase immer wieder am Mittelblock der Gäste. Schon vor der Partie hatte der Trainer vor dessen Stärke gewarnt. Er sollte recht behalten.

Strohbach, mit 20 Punkten bester Angreifer seines Teams, bestrafte in den ersten beiden Sätzen ebenso wie Matt Tarantino (14 Punkte) oder Julius Höfer (8) die Lücken in der Lüneburger Abwehr. Später, fand Hauser, "haben wir dann gnadenlos nur noch in den Block gedroschen." Insgesamt verzeichneten die Lüneburger 15 Blocks, vor allem Michel Schlien brachte die Herrschinger immer wieder zur Verzweiflung. Dazu leisteten sich die Gastgeber unnötige Fehler. Eine Folge der von Hauser beobachteten mangelnden Konzentration, die auch dem neuen Bundestrainer auffiel. Auf seiner Deutschlandtour machte Andrea Giani am Wochenende in der Nikolaushalle Station, schlüpfte beim Training der Herrschinger in die Rolle des Co-Trainers (Hauser: "eine richtig coole Aktion") und nahm schließlich auf der Tribüne Platz. "Hier herrscht eine tolle Atmosphäre", sagte der 46-Jährige begeistert. "Ich mag das: die Leidenschaft, die Musik. Alle Menschen stehen."

Privataudienz: Der neue Bundestrainer Andrea Giani (li.) stellt sich Herrschings König Alexander I. Tropschug vor. (Foto: Oryk Haist/Imago)

Rein zum Vergnügen war der Italiener aber natürlich nicht vor Ort. Zwei Herrschinger und einen Lüneburger nehme er etwas genauer unter die Lupe, verriet Giani. Nachdem er im Anschluss an die Partie intensive Vier-Augen-Gespräche sowohl mit Libero Ferdinand Tille als auch mit Zuspieler Patrick Steuerwald führte, dürfte klar sein, um wen es sich dabei handelte.

Das Thema Nationalmannschaft dürfte in Anbetracht der kommenden Aufgaben für beide aber erst einmal in den Hintergrund rücken. Am Mittwoch (19.30 Uhr) steht das Auswärtsspiel gegen den Tabellenzweiten Berlin Recycling Volleys an. Zwar werden einige Spieler berufsbedingt fehlen, doch Hauser sieht in der Partie gegen den scheinbar übermächtigen Gegner einen guten Test. Schließlich kommt es am kommenden Wochenende zum möglicherweise vorentscheidenden Duell mit dem TV Bühl um die direkte Playoff-Qualifikation. Bis dahin könne Herrsching noch an ein paar Stellschrauben feilen, so Hauser. Des Königs Thron soll schließlich kein zweites Mal in fremde Hände geraten.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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