Volleyball:Nächste Eskalationsstufe

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Herrsching macht in der Hallenfrage Druck auf Politik und Liga

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

Nach dem souveränen 3:0 (25:12, 25:20, 25:9) gegen den VCO Berlin nahm sich Max Hauser ebenso souverän das Mikrofon und sprach mehrere Minuten lang zum Publikum in der Nikolaushalle. Es sei "eine Schande", was da passiert sei, sagte der Trainer des TSV Herrsching. Die Zuschauer jubelten. "Blamables Verhalten", fuhr Hauser fort. "Es ist Zeit, dass wir uns Gehör verschaffen." Genau das tat er. Der Sport stand beim selbsternannten "Geilsten Club der Welt" an diesem Wochenende zwangsläufig hinten an, denn die Hallensituation in Herrsching ist mit dem Einzug ins Pokal-Halbfinale und einer fragwürdigen Entscheidung der Liga ein wenig aus dem Ruder gelaufen, man könnte auch sagen: eskaliert.

Was war passiert? Die Herrschinger hatten am Freitag eine E-Mail bekommen, in der sie über den Entzug des Heimspielrechts im nächsten Pokalspiel gegen die Recycling Volleys Berlin informiert worden waren, weil ihre Halle nicht den Anforderungen für ein solches Spiel entspricht. Betreff: "Bescheid zum Heimrechttausch DVV-Pokal Halbfinale". Schon die Bezeichnung "Tausch" ärgerte die Verantwortlichen, denn weder waren sie vorab kontaktiert worden noch hatten sie der Entscheidung zugestimmt. "Wir hatten schon mit den Berlinern Kontakt aufgenommen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, aber dann hat die Liga einseitig diesen Beschluss gefasst", kritisierte Marketingmanager André Bugl: "Wenig später ging dann schon die Pressemitteilung raus, obwohl wir natürlich auch die Möglichkeit eines Einspruchs gehabt hätten."

Viel mehr als über die Entscheidung, die zu erwarten gewesen war, hadern die Herrschinger mit der Art und Weise der Kommunikation und dem "inkonsequenten Vorgehen", wie es Max Hauser nennt. Kurz: Man fühlt sich übergangen und benachteiligt. Denn während Herrsching nicht zu Hause antreten darf, gilt für die Netzhoppers aus Königs Wusterhausen im zweiten Halbfinale gegen Friedrichshafen eine Ausnahmegenehmigung, obwohl deren Halle noch kleiner ist. "Der offizielle Grund ist der Bestandsschutz. Das verstehe, wer will", sagt Hauser und schüttelt den Kopf. Er habe auch nachgefragt, was denn gewesen wäre, wenn zwei Teams ohne taugliche Halle gegeneinander hätten spielen müssen. Immerhin betraf das Defizit fünf der acht Viertelfinalisten. "Die Antwort war: Das ist ja nicht passiert", sagt Hauser. "Das ist doch völlig unprofessionell." Auch im Internet auf den sozialen Plattformen tobt ein Sturm der Entrüstung. Die Causa Herrsching polarisiert, mal wieder.

Einerseits ist die Kritik durchaus berechtigt. Ein wenig macht es den Anschein, als würde die Liga schlichtweg darauf vertrauen, dass die beiden Spitzenteams Berlin und Friedrichshafen mit ihren großen Hallen sowieso das Halbfinale erreichen, so dass dann im Zweifel an diese Orte ausgewichen werden kann, unabhängig davon, was das Los entscheidet. Eine Auflage von großen Hallen mit Eventcharakter ist zwar im Sinne der Professionalisierung des Volleyballs gut gemeint, wenn sie aber nur eine Handvoll Teams in Deutschland erfüllen können, erscheint sie realitätsfern. Noch dazu, wenn sie für manche Teams gilt und für andere nicht. Andererseits zeigt der Fall auch, dass sich der TSV zusehends in der Hallenfrage festläuft. Seit Jahren sucht man eine Lösung, aber weder in der Fünf-Seen-Region rund um den Ammersee noch in München hat man eine gefunden. Dabei muss der Verein bis Ende des Jahres zumindest einen Plan präsentieren, sonst könnte es sogar zum Lizenzentzug kommen. Deshalb nutzt Herrsching die nun entstandene Situation lautstark, um erneut auf den Missstand aufmerksam zu machen. "Die Politik muss endlich handeln", meint Hauser. Pläne für den Bau einer Halle lägen zwar längst in der Schublade, erläutert Bugl. Aber ein Grundstück fehle. So zieht sich das Thema weiter hin.

Vermutlich wird es so schnell keine neue Halle geben, die Verantwortlichen müssen darauf hoffen, dass die Ausnahmegenehmigung verlängert wird. Auch die Liga steht vor einem Dilemma: Verlängert sie die Genehmigung, zeigt sie sich inkonsequent, entzieht sie Herrsching die Lizenz, schickt sie einen der öffentlichkeitswirksamsten Klubs mit ausgewiesener Erfolgsgeschichte nach unten. Dass Herrsching nämlich - Regeln hin, Auflagen her - eine der unterhaltsamsten Spielstätten bietet, bestätigt jeder, der mal dort war. Vor dieser Saison hat der Klub zudem viel Geld in den neuen Boden und Banden investiert, so dass auch der viel zitierte "Turnhallenmief" verflogen ist. Spieler Julius Höfer hat durchaus recht, wenn er betont, "dass nur in wenigen Arenen so viel los ist wie bei uns".

Das zeigte auch der Abschluss des Doppelspieltags: Zwar verlor Herrsching am Sonntag 1:3 (21:25, 25:22, 23:25, 19:25) gegen Frankfurt, aber die Halle war binnen sieben Tagen zum dritten Mal fast ausverkauft. Zum Vergleich: Beim Pokalerfolg in Düren, der die Diskussion ins Rollen gebracht hatte, waren weniger Zuschauer als bei jedem Heimspiel des TSV in dieser Saison. Eine regelkonforme Halle bedeutet eben nicht zwangsläufig viele verkaufte Karten.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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