Volleyball:Mit der Ruhe der Badstuberin

Lesezeit: 3 min

Fast vergessene Erfahrung: München-Osts aufstiegsverwöhnte Volleyballerinnen (Mitte Carolin Tiegel) kassieren gegen Lohhof eine Niederlage. (Foto: Claus Schunk)

Beim Comeback der lange verletzten Tamara Zeller bezwingt der SV Lohhof im Derby Aufsteiger München-Ost und erobert gleich die Tabellenspitze der zweiten Liga

Von Andreas Liebmann, München

Es war ein ganz besonderes Spiel, das ließ sich kaum übersehen. 500 euphorische Zuschauer in der Sporthalle des Truderinger Gymnasiums zeugten davon, ebenso die Hallensprecher in ihren Trachtentrikots, die vielen Dirndlträgerinnen rundherum, die Lichtshow zur Begrüßung der Spielerinnen zu Beginn und auch der Ausraster des Trainers am Ende des Duells. Es war eben viel zusammengekommen. Ausgerechnet gegen den SV Lohhof gaben die Volleyballerinnen des DJK Sportbunds München-Ost ihr Debüt in der zweiten Bundesliga, ein historisches Münchner Derby also, das just am Wiesn-Auftaktwochenende stattfand. "Die Kulisse war Wahnsinn", schwärmte Münchens Trainer Bastian Henning, und auch sein Lohhofer Kollege Jürgen Pfletschinger lobte: "Die haben saugut gearbeitet, es hat riesig Spaß gemacht, bei denen zu spielen."

Sogar das Ergebnis belegte, dass es sich um eine ungewöhnliche Partie handelte: München unterlag. Derartiges kennt man beim Aufsteiger kaum noch, nach zuletzt drei Meistertiteln in Bayern-, Regional- und dritter Liga. Vermutlich war die Kulisse sogar eher den Gästen zugute gekommen, "sehr geil, die hat uns beflügelt", sagte Lohhofs Pfletschinger. "Großen Respekt" hätten sie zwar gehabt vor den ambitionierten Aufsteigerinnen, die mit dem Männer-Erstligisten Herrsching kooperieren und sich ebenfalls als GCDW ("Geilster Club der Welt") bezeichnen, dann aber "frischer und mutiger" agiert als diese - während Henning bei den Seinen doch einige Nervosität bemerkte. Unsicherheiten im Aufschlag und bei der Annahme machten es den Lohhoferinnen zu Beginn einfach, am Ende stand es 0:3 (20:25, 19:25, 27:29).

"Die Enttäuschung ist da", gab Henning zu, sie hätten ja gesehen, dass sie mitspielen könnten. Als Aufsteiger gleich dem Vorjahreszweiten zu begegnen, sei "etwas bitter" gewesen. "Wir müssen das jetzt aufarbeiten. Das Gute ist: Die Mädels wissen, dass sie es besser können." Henning hatte auch noch nicht alle Kräfte zur Verfügung: Die von Lohhof gekommene Sabrina Karnbaum stand wegen des Abschlusses ihrer Beach-Saison noch nicht im Kader, Zuspielerin Anne Paß spielte trotz gerissener Außenbänder, Carolin Lauche trat fiebergeschwächt an. "Da war Lohhof schon klarer Favorit." Dabei haben die Münchnerinnen ihren Kader mit neun Zugängen beachtlich aufgerüstet. Carolin Tiegel spielte als einzige aus dem Aufsteigerteam durch. Die aus unteren Ligen gekommenen Verena Wutzler und Juliane Doranth hätten sich "super präsentiert", fand Henning, Libera Sandra Baier, neu aus Sonthofen, habe sehr solide gespielt und auch Mittelblockerin Loraine Henkel, zuletzt in der ersten französischen Liga tätig, habe "ein super Spiel" gezeigt. Und dann gab es da diese beiden "ungeschickt" vergebenen Satzbälle im dritten Durchgang, denen beim Stand von 27:27 ein Aufstellungsfehler folgte, der Henning in Rage brachte und Lohhof zum Matchball. "Das war unglücklich, da hat uns etwas Souveränität gefehlt", fand Henning.

Sein Gegenüber Pfletschinger war überaus zufrieden. Fünf arrivierte Kräfte hatte sein Team vor der Saison verloren, dafür aus der zweiten Mannschaft Laura Gentner, Theresa Schieder und Cornelia Pantelic befördert, dazu kamen Sonja Auer (Augsburg-Hochzoll), Noëlle Forcher (Offenburg) und Rückkehrerin Ambria Dasch (Vilsbiburg). Nach einem Trainingslager und einiger Arbeit gemeinsam mit dem Mentalcoach Stefan Brunner stellte Pfletschinger zufrieden fest: "Wir waren das kompaktere Team, wir sind gut zusammengewachsen." Besser vielleicht als der Gegner, dessen neuer, großer Kader sich erst noch finden müsse. "Ich rechne mit denen trotzdem weit vorne", sagt Pfletschinger - "allerdings hinter uns".

Für ganz oben werde es auch für sein Team nicht reichen, glaubt der Coach, "ich rechne mit Formschwankungen". Gegen München war davon wenig zu sehen, das Niveau war hoch, die Feldabwehr so stark, dass die Gastgeberinnen Mühe hatten, mal einen Ball auf den Boden zu bringen. Vor allem Lohhofs Außenangreiferin Marion Mirtl stach heraus, sie wurde am Samstag zur wertvollsten Spielerin (MVP) gewählt.

Ähnlich stark agierte Tamara Zeller, die diesen Titel dann tags darauf gewann, beim 3:0-Heimsieg (25:16, 25:21, 25:21) gegen den VCO Dresden, womit Lohhof die Tabellenspitze eroberte. Pfletschinger war froh, die begabten Internatsschülerinnen aus Sachsen so früh in der Saison zu empfangen, "sie werden im Saisonverlauf viel stärker werden", ahnt er. Für Zeller freute er sich riesig. Nach zwei Kreuzbandrissen und zwei Jahren Pause steigt die 23-Jährige erst jetzt so richtig in Lohhof ein, "der Badstuber des SV Lohhof", scherzt der Trainer. Als Libera habe sie viel Ruhe ausgestrahlt. "Sie freut sich einfach, wieder auf dem Feld zu stehen. Man merkt ihr das im Gesicht und im Herzen an." Auch für Zeller war schon die Partie in München eine ganz besondere.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: