Volleyball:Mit Mähdrescher nach Mannheim

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Der TSV Herrsching feiert dank einer starken Aufschlagleistung einen 3:2-Erfolg im DVV-Pokal bei den favorisierten Moskitos Düren und zieht erstmals in seiner Vereinsgeschichte ins Halbfinale ein. Wo gespielt wird, weiß allerdings niemand

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

Da saßen sie also, summten wie die Moskitos, und mit einem Schlag auf den Tisch begannen die Freudengesänge. Die Stimmung im Gasthof zur Post in Herrsching hätte kurz vor Mitternacht nicht besser sein können. Ein Dutzend Fans, darunter TSV-Manager Fritz Frömming, trank zufrieden Weißbier und klatschte in die Hände: "Olé, olé!" So ging das immer wieder. 650 Kilometer nordwestlich vom Ammersee hatten die Volleyballer des TSV Herrsching gerade den vielleicht größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte errungen. Mit einem 3:2 (21:25, 25:16, 20:25, 26:24, 15:12)-Sieg bei den Powervolleys Düren, die auch "Moskitos" genannt werden, ziehen die Herrschinger erstmals ins DVV-Pokal-Halbfinale ein.

Trainer Max Hauser hat vielleicht auch leise gesummt, er befand sich um Mitternacht noch im Kleinbus mit seiner Mannschaft auf der Rückfahrt - und auch er hatte ausgesprochen gute Laune: "Ein sensationeller Krimi, selten habe ich Volleyball so schön erlebt", sagte er. Und dann schilderte er die entscheidende Phase des vierten Satzes, als sein Team die Partie doch noch überraschend drehte: "Wir lagen schon 17:22 hinten, haben aber nie aufgegeben und immer an uns geglaubt." Aufschlagserien von Julius Höfer und Florian Malescha sowie ein Block von Nicolai Grabmüller brachten Herrsching ins Spiel zurück. Ausgerechnet ein Trio aus zwei beruflich eingespannten Teilzeitsportlern (Höfer, Malescha) und einem unerfahrenen Youngster (Grabmüller) stellte die vielen Vollzeitprofis auf dem Platz vorübergehend in den Schatten. "Unfassbar", sagte Hauser. Im Tie-Break lag das Momentum dann auf der Seite seiner Mannschaft. Nachdem Höfer den Matchball mit einem Block verwandelte, tanzte eine blau-weiß-karierte Traube bayerischer Hünen übers Feld, auf den Rängen war es plötzlich still und Hauser vergaß zunächst sogar den Handschlag mit Dürens Trainer Tommi Tiilikainen.

Leider geil: Die Volleyballfreunde vom Ammersee bejubeln den größten Erfolg des TSV - nun aber befinden sie sich in einer "peinlichen Situation". (Foto: Arlet Ulfers)

Besonders zufrieden zeigte er sich anschließend mit dem Aufschlag, den er in dieser Saison immer wieder thematisiert und verstärkt trainieren lässt. "Wir müssen aggressiv aufschlagen und dabei die Fehlerquote gering halten", wiederholt Hauser fast nach jedem Spiel. "Diesmal hat genau das funktioniert." Insbesondere der junge Grabmüller und Außen Tom Strohbach setzten den Gegner mit ihrem Service von Beginn an unter Druck. Am Ende standen sechs direkte Aufschlagpunkte auf Seiten der Gäste, kein einziger bei den Gastgebern. Das machte den Unterschied.

Im Angriff war einmal mehr Zugang Strohbach die erste und verlässlichste Option, mit 31 Punkten war er Topscorer und wurde zum Spieler des Spiels gewählt. Erstaunlich, wie schnell sich der 24-Jährige beim TSV eingelebt hat, seine Mitspieler haben ihm sogar schon einen Spitznamen verpasst: "Mähdrescher". Die Herrschinger zeigten sich insgesamt sehr variabel, spielten häufig schnell über die Mitte und Zuspieler Patrick Steuerwald schloss ein ums andere Mal schon mit dem zweiten Kontakt ab. "Das ist ein großer Tag für uns", sagte Hauser. Düren hatte gerade erst gegen Rekordmeister Friedrichshafen mit 3:0 gewonnen und gehört zu den Top-Klubs der Liga. Der Verein vom Ammersee zeigte damit nur vier Tage nach der 0:3-Pleite gegen Meister Berlin, dass sie mit fast jedem Bundesligisten mithalten können. Die einzige Ausnahme heißt wohl: Berlin - und das ist höchstwahrscheinlich der nächste Gegner im Pokal (das Viertelfinale der Berliner gegen Lüneburg war bei Redaktionsschluss nicht beendet).

"In Coburg ist auch eine freie Halle": Trainer Max Hauser begegnet dem Notstand mit Ironie. (Foto: Georgine Treybal)

Herrsching hat dann laut Los ein Heimspiel. Wo das stattfindet, ist aber ungewiss. In der kleinen Nikolaushalle darf nach Liga-Regeln nicht gespielt werden, in München ist keine Halle frei. "Mannheim, wir kommen", verkündeten die Herrschinger süffisant auf ihrer Facebook-Seite in Anspielung auf den Finalort. "In Coburg ist auch eine freie Halle", meinte Hauser ebenso ironisch. Genau diese "peinliche Situation" wollte der Trainer erreichen, um auf das Hallenproblem aufmerksam zu machen. Jetzt ist sie eingetreten. Ausgang offen.

Am Wochenende geht es jedenfalls erst mal am umstrittenen Ort weiter. Die Heimspiele gegen den VCO Berlin (Samstag, 19 Uhr) und Frankfurt (Sonntag, 14.30 Uhr) finden in gewohnter Schulsport-Umgebung statt. Das dritte und vierte Spiel innerhalb einer Woche könnten das dezimierte Team an die Grenze seiner Belastbarkeit bringen. "Der Spielplan ist da nicht optimal", findet Hauser. Der Kader sei ohnehin dünn besetzt, dazu plagten sich Matt Tarantino und Aleksandar Milovancevic weiterhin mit Blessuren. Entsprechend waren die Feierlichkeiten auf der Fahrt überschaubar, mancher gönnte sich ein Nickerchen. Dafür wurde im Gasthof zur Post noch einmal angestoßen. Man suchte noch eine Show-Idee für die kommenden Spiele. Ein Müllmann mit Krone und Tiger wie zuletzt ist schwer zu toppen. Doch in der Stunde des größten Erfolgs sind die Erwartungen hoch.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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