Volleyball:Im Klatschpappenregen

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Kein Grund zur Trauer: „Wenn Tim Peter so spielt, hab ich keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen“, sagte Herrschings Trainer Max Hauser über seinen 20-jährigen Außenangreifer, der die Enttäuschung über seinen letzten geblockten Ball nicht verbergen konnte. (Foto: imago/Nordphoto)

Nach der 2:3-Niederlage in Lüneburg bemüht sich Herrschings Trainer Max Hauser, den Frust seiner Spieler zu dämpfen, und betont die individuellen Fortschritte im Kampf um die Playoffs.

Von Katrin Freiburghaus, München

Zwei Stunden und 34 Minuten lang hielten die Bundesliga-Volleyballer des TSV Herrsching am vergangenen Samstag dagegen, ehe Tim Peters Angriff vom Lüneburger Block ins Feld zurück tropfte und sehr viele Dinge gleichzeitig geschahen: Ein ganzes Geschwader Klatschpappen regnete wie auf Knopfdruck von den Tribünen auf das Feld nieder, Lüneburgs Volleyballer hüpften im Kreis, während Herrschings Spieler einer nach dem anderen in sich zusammensackten, als ob ihnen jemand den Stecker gezogen hätte. Herrschings 2:3-Niederlage in Lüneburg (28:26, 23:25, 21:25, 31:29, 15:17) bot großen Sport und für Trainer Max Hauser die Erkenntnis, dass sein Team angekommen ist im Kreis jener, die an guten Tagen gegen fast niemanden in der Liga mehr auf verlorenem Posten stehen.

"Wenn ein Gegner ebenbürtig oder nominell besser aufgestellt ist, stehen die Chancen halt 50:50, aber wir haben mittlerweile eine Chance, und allein das ist eine Entwicklung", sagte er sehr aufgeräumt. "Und wenn wir hier schlecht spielen, kriegen wir auf den Sack - so haben wir einen Punkt." Bitter war, dass Herrsching für den möglichen zweiten Zähler viel Aufwand betrieben und in den Sätzen vier und fünf insgesamt fünf Matchbälle abgewehrt hatte; von einem schwächeren dritten Durchgang hatte sich das Team nicht nachhaltig beeindrucken lassen. "Da hatten wir mal die Annahme verloren", sagte Hauser. Im vierten Durchgang war die Kontrolle zurück und mit ihr auch die Durchschlagskraft im Angriff, die nach dem sehr konsequent gespielten ersten Satz ein wenig gelitten hatte.

"Hier holen nicht viele was": In der Heimstatistik der Liga liegt Lüneburg auf Platz zwei

Deshalb schloss sich Hauser der verständlichen Enttäuschung seiner Spieler auch nicht an, sondern erinnerte daran, "dass hier nicht viele was holen". In der Heimstatistik der Liga liegt Lüneburg auf Platz zwei, außer Herrsching gelang es bislang lediglich Frankfurt, mit Punkten im Gepäck wieder nach Hause zu fahren. Angesichts des bis auf Friedrichshafen sehr ausgeglichenen Feldes der Playoff-Kandidaten gibt es momentan wenig klare Angelegenheiten; jeder Punkt könnte folglich entscheidend sein in Herrschings Kampf um Platz sechs nach der Hauptrunde.

Der Umstand, dass am Samstag noch mehr möglich gewesen war, freute Hauser zwar ebenso wie die individuellen Fortschritte, die er der Mannschaft in den Elementen Block und Aufschlag bescheinigen konnte - er verstärkte aber auch die Enttäuschung nach dem Abpfiff. Mit einem glatten Sieg hätte Herrsching den fünften Tabellenplatz erfolgreich verteidigt, mit der Punkteteilung rutschten beide Klubs wieder mitten rein ins fast punktgleiche zweite Tabellenquartett, das die Alpenvolleys Haching und Bühl komplettieren.

Was Herrsching im Gegensatz zu seinen Konkurrenten in dieser Tabellenregion abgeht und was sich zum Problem auswachsen könnte, ist die unverändert fehlende Variabilität. Die Nachverpflichtung Jose Gomes erfülle die Erwartungen, betonte Hauser. Er sei "sehr weit, trainiert wunderbar, aber wenn Tim Peter so spielt, hab ich keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen". Das bedeutet, dass Herrsching mittlerweile für eine potenzielle Schwächephase oder Verletzung auf der Außenposition gewappnet ist, spontane taktische Wechsel wie unter der Woche beim 3:1 in Rottenburg aber wohl erst die Ausnahme bleiben.

Von den Möglichkeiten der Konkurrenz träumt niemand. Allenfalls von ein bisschen Schlaf

Im zweiten Satz war auf der anderen Netzseite lehrbuchmäßig zu besichtigen, was solche Möglichkeiten wert sein können. Denn dass Lüneburg nach dem verlorenen ersten Durchgang noch im Spiel ankam, lag daran, dass Trainer Stefan Hübner im zweiten Satz beim Stand von 5:7 aus Lüneburger Sicht Matthias Pompe einwechselte. Der trug mit einer Aufschlagserie maßgeblich dazu bei, dass Lüneburg einen 7:11-Rückstand in ein 12:11 drehte. Fünf Punkte am Stück sind eine Menge, aber Hauser betonte, dass sein Team in dieser Phase keinesfalls eingebrochen sei. "Pompe ist einer der besten deutschen Außen, dass der auf der Bank sitzt, ist schon ein Ding", sagte er, "dass der das gut gemacht hat, muss man einfach mal anerkennen. Und dann hatten die das Momentum und die Halle natürlich auf ihrer Seite."

Ob es ihn ärgere, dass ihm eine solche Variante derzeit nicht zur Verfügung stehe? "Ach, eigentlich nicht", sagte Hauser und fügte hinzu: "Auch wenn einer wie Pompe grundsätzlich natürlich nicht schlecht wäre, aber davon sind wir finanziell einfach meilenweit weg, da brauche ich nicht zu träumen." Am Samstagabend träumten die Herrschinger auf der Zugfahrt nach Hamburg, von wo sie am Sonntag im Morgengrauen zurück nach Bayern flogen, ohnehin vor allem von ein bisschen Schlaf. Hauser erwog gar, das Montagstraining zur Regeneration auszusetzen. Doch davon abgesehen ist die Herrschinger Realität momentan offenbar erfreulich genug.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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