Volleyball:Heißer Stuhl

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"Der Typ ist sensationell, und ich hab keine Ahnung, wie der das macht": Roy Friedrich (li.) und Daniel Malescha, TSV-Stammspieler. (Foto: Johannes Simon)

Je älter, desto besser: Herrschings Blocker Roy Friedrich trägt bei den Pre-Playoffs gegen Rottenburg viel Verantwortung

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Verraten wollte Max Hauser seine taktischen Überlegungen vor dem Beginn der Pre-Playoffs an diesem Donnerstag nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Der Trainer von Herrschings Erstliga-Volleyballern unterstrich vor dem ersten Aufeinandertreffen mit Rottenburg (20 Uhr, Nikolaushalle) lediglich noch einmal, "dass wir im Aufschlag in der Regel sehr viel riskieren". Wer sich die Statistik aus den beiden Hauptrunden-Duellen mit dem Zehnten Rottenburg anschaut, kann sich davon überzeugen, dass dies auch in der Best-of-three-Serie um den Einzug ins Viertelfinale eine ziemlich gute Idee sein dürfte. Denn mit der Annahme haperte es bei den Rottenburgern jeweils gewaltig, sie waren das einzige Team, gegen das Herrsching sowohl zu Hause als auch auswärts gewann.

Herrsching profitierte dabei aber nicht nur von seiner Aufschlagstärke, sondern auch von den unmittelbar folgenden Aktionen durch die Mitte. Dort stehen in Peter Ondrovic und Roy Friedrich zwei Spieler, für die Hauser seit Wochen nur lobende Worte findet. Der anfangs schüchtern bis eingeschüchtert wirkende Ondrovic entwickelte sich Spiel für Spiel zur Konstante am Netz. Friedrich dagegen zählt in seinem dritten TSV-Jahr längst zum Inventar.

"Der Roy gehört schon hierher wie ein Stuhl oder die Bank", witzelte Hauser unlängst im Kabinengang. Nun ist ein Stuhl nicht unbedingt der schillerndste Einrichtungsgegenstand, weshalb das Lob ein wenig schräg daherkam. Allerdings gilt er gemeinhin als verlässlich und grundsolide. Das wiederum passt hervorragend zu Friedrich, der sich lediglich kurz vor der Winterpause eine kleinere Schwächephase leistete. "Der Typ ist sensationell, und ich hab keine Ahnung, wie der das macht", schwärmt Hauser, "der hat ein Kind, arbeitet 40 Stunden die Woche, trainiert nur dreimal und spielt dann so."

Herrsching ist streng ergebnistechnisch betrachtet nicht Friedrichs spektakulärste Karrierestation. Er gewann mit Unterhaching dreimal den Pokal und einige Champions-League-Partien. Doch die Wertschätzung, die sich der 28-jährige Versicherungskaufmann in Herrsching im Tabellenmittelfeld erarbeitet hat, widerfuhr ihm im Spitzensegment der Liga nie. "So in Form wie jetzt war er nicht mal, als er frisch aus Haching gekommen ist", lobt Hauser. "Seit der Rückrunde spielt er eine phänomenale Saison", findet auch Herrschings Zuspieler Patrick Steuerwald, bereits bei Haching Friedrichs Kollege. Allerdings sei Friedrich "auch damals nicht schlecht gewesen", betont Steuerwald. Mit Leistungsvergleichen sei das so eine Sache, "weil es halt schwer war, Roy in Unterhaching auf dem Spielfeld zu finden".

In einem Kader voller Profis bekam Friedrich jedes Jahr einen neuen Nationalspieler vor die Nase gestellt. "Da sieht man als junger Spieler im Vergleich natürlich ganz anders aus", sagt er rückblickend. Noch dazu, wenn man regelmäßig nur für ein paar Ballwechsel von der Bank kam. In Herrsching genießt Friedrich als unumstrittener Stammspieler nun nicht nur freie Sicht, sondern auch das volle Vertrauen seines Trainers. "Er hat im Training auch mal schlechte Tage, mich im Spiel in den letzten drei Jahren aber sehr selten enttäuscht", sagt Hauser. Er findet Friedrichs Entwicklung von einer "Aufschlagkatastrophe" (Hauser) zu einem der besten Aufschläger im Team "durchaus bemerkenswert", schließlich trainiere er für Erstliga-Verhältnisse extrem wenig. "Aber dem tut das anscheinend gut", sagt Hauser.

Deshalb würde er den 2,02-Meter-Mann gerne über den Sommer hinaus halten - trotz 40-Stunden-Jobs und wenig Training. Auch Friedrich kann sich dieses Modell weiterhin vorstellen, sofern er selbst und die Mannschaft erstligatauglich bleiben. "Wenn wir nächstes Jahr eine Gurkentruppe hätten, mit der wir auswärts jedes Mal 0:3 auf die Mütze kriegen, könnte ich die Zeit mit meiner Familie sinnvoller verbringen", sagt er. Doch von dieser Entwicklung ist derzeit nicht auszugehen, zumal auch Kapitän Steuerwald signalisiert, dass es bezüglich eines Verbleibs am Ammersee "nicht ganz schlecht aussieht".

Friedrich strebt allerdings keine zweite Profilaufbahn an. "Wenn Herrsching irgendwann dahin aufbricht, wo es hin möchte - also unter die ersten Vier - dann sind Leute wie ich nicht mehr die richtigen", sagt er. Für die unmittelbare Zukunft scheint die Verbindung Herrsching-Friedrich dagegen zu funktionieren. "Er besitzt einfach Qualität", sagt Hauser, "und so gut, dass wir einen Friedrich nicht mehr brauchen, sind wir nächste Saison sicher noch nicht."

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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