Volleyball:Gefährten statt Gegner

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Familienzuwachs: Johannes Tille, 21, lenkt künftig das Spiel von Herrschings Volleyballern. (Foto: Marcel Lorenz/imago)

Der junge Zuspieler Johannes Tille wechselt zum Erstligisten Herrsching - was dessen Libero ganz besonders freut. Denn das ist sein Bruder Ferdinand.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Am Montag haben sie noch ein kleines Ratespiel gemacht, auf ihrem Instagram-Profil. Es ging um den nächsten neuen Spieler für Herrschings Volleyballer, und unverkennbar war, dass es sich um einen Steller handeln musste - obwohl nur eine schwarze Silhouette erkennbar war. Hinter der schwarzen Silhouette verbarg sich Johannes Tille, 21, der vergangene Saison beim Erstliga-Letzten Bergischen Volleys in Solingen unter Vertrag stand. Tille, war da nicht was?

Tatsächlich stehen mit dem Wechsel des 1,84-Meter-Mannes an den Ammersee, der sich längst angedeutet hatte, zwei der drei Tille-Brüder, die alle Profivolleyballer sind, bei ein- und demselben Erstligisten unter Vertrag. Ex-Nationalspieler Ferdinand Tille, 29, ist seit drei Jahren Libero und Führungsfigur beim Klub, Leonhard, 23, ebenfalls Libero, spielte zuletzt beim österreichischen Erstligisten Waldviertel. Johannes Tille unterschreibt nun einen Zwei-Jahres-Vertrag in Herrsching und soll sich dort zu einem der besten Zuspieler der Liga entwickeln. "Wir sind sehr froh, dass wir Hannes für uns gewinnen konnten und die Tilles vereinen. Zwei bayerische Volleyball-Brüder, mit so einem hohen Niveau, das gibt's nicht so oft", sagte TSV-Geschäftsführer Fritz Frömming, der den hochwertigen Aufschlag und die gute Spielführung des Zugangs lobte.

Tille, ein Wunschspieler von Trainer Max Hauser, soll den starken Slowaken Michal Sladecek, 38, ersetzen, der in seine Heimat zurückgekehrt ist. In den Pfingstferien hatten die Herrschinger auch ihren aufstrebenden zweiten Zuspieler Martin Krüger, den sie vor einem Jahr an einem College in Florida ausfindig gemacht hatten, an den deutschen Pokalsieger VfB Friedrichshafen verloren. Was für den 24-jährigen Krüger eine große Ehre ist - immerhin darf er kommende Saison auch Champions League spielen -, ist für die Herrschinger ein herber Verlust. Sie hätten den gebürtigen Thüringer gerne gehalten.

Diagonalmann Christoph Marks hat noch einen Vertrag - aber auch Angebote aus dem Ausland

In Tille haben sie nun einen hochveranlagten Ersatzmann gefunden, einen zweiten neuen Zuspieler wollen sie demnächst noch vorstellen. Der ehrgeizige Mühldorfer freut sich nach einer eher deprimierenden Saison in Solingen jedenfalls auf seinen neuen Arbeitgeber. "Es war schon immer ein Traum von mir, mit Ferdl in einer Mannschaft zu spielen, er war früher als großer Bruder immer schon mein Vorbild." Das Engagement in Herrsching, gibt Tille unumwunden zu, soll für ihn aber nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Europa sein: "Mein Ziel ist es, irgendwann auch einmal bei einem Klub im Ausland zu spielen, doch dafür musst du zu den besten gehören. Das will ich hier schaffen." Auch Ferdinand Tille hatte 2011, ein Jahr, nachdem er bei der WM in Italien zum besten Libero des Turniers gekürt worden war, die Möglichkeit bekommen, zu einem ausländischen Klub zu wechseln. Er spielte zwei Jahre in Südfrankreich bei Arago de Sète, später noch eine Saison beim polnischen Spitzenklub Skra Belchatow. Für seinen jüngeren Bruder findet er nur lobende Worte: "Der Hannes ist jung, heiß und wird das gut machen. Er hat enorm viel Ehrgeiz und bei Solingen bewiesen, dass er ein klasse Zuspieler ist. Vorausgesetzt, ich als älterer Bruder schaffe es, auch den Ball für ihn gut anzunehmen."

Als Kinder fingen die Tille-Brüder und auch ihre Schwester Veronika im Camping-Urlaub mit Volleyball an, irgendwann stand dann ein Netz im Garten der Familie in Mühldorf. Nun stehen zumindest zwei der Brüder erstmals auf derselben Feldseite - und sind nicht mehr Konkurrenten.

Immerhin hat Herrsching damit eine Schlüsselpersonalie erledigt, ansonsten ist der Umbruch groß. Neben Krüger und Sladecek haben ja weitere Säulen den TSV verlassen, wie Außengreifer Tom Strohbach, der offenbar nach Polen oder Italien strebt, und die Blocker Andre Brown und Wilhelm Nilsson. Außerdem hat Diagonalmann Christoph Marks, der noch ein Jahr Vertrag in Herrsching hat, nach SZ-Informationen Angebote aus dem Ausland. Sein Weggang wäre ein weiterer herber Verlust für den Klub, der sich zugleich immerhin die Dienste von Mittelblocker Lukas Bauer gesichert hat - übrigens einem guten Kumpel von Tille. Dem Libero.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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