Volleyball:Einer mit Niveau

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Herrschings Libero Sebastian Prüsener schmerzt die Annahmeschwäche seines Teams

Von sebastian winter, Herrsching

Sebastian Prüsener machte am Samstagabend das, was er gerne tut. Er mischte sich in der Nikolaushalle unter die Leute, erzählte, lachte, immer bereit für einen kleinen Spaß. Man merkte dem 32-Jährigen kaum an, dass seine Mannschaft, Herrschings Volleyballer, gerade die Erstliga-Heimpremiere mit 0:3 gegen Mitaufsteiger Lüneburg vermasselt hatte.

Prüsener hat vor der Saison wie seine Kollegen ja einen klaren Auftrag von den Verantwortlichen bekommen: Nach Heimspielen auf der Tribüne das Bad in der Menge zu suchen, egal, wie das Spiel ausgegangen ist. Identifikation soll dadurch hergestellt werden mit den TSV-Fans, die kaum mitwachsen konnten mit diesem so rasant emporgeschossenen Klub, der nach vier Aufstiegen in Serie nun in der ersten Liga spielt. Aber Prüsener ist sowieso jemand, der keine Berührungsängste hat.

Insofern kann der Klub sich sehr glücklich schätzen, den früheren Nationalspieler im Kader zu haben. Aber auch deshalb, weil Prüsener eine der wichtigsten Figuren

im Spiel Herrschings ist. An diesem Mittwoch, wenn bereits das nächste Auswärtsspiel beim bayerischen Rivalen VSG Coburg/Grub auf dem Programm steht, dürfte sich diese Erkenntnis weiter manifestieren. Gegen Lüneburg ist Prüsener zum zweiten Mal zum wichtigsten Spieler seines Teams gewählt worden - nach dem verlorenen Saisonauftakt in Rottenburg.

Annahme und Abwehr ist naturgemäß das Spezialgebiet des Liberos Prüsener, der erneut eine starke Quote von 40 Prozent perfekter Annahmen hatte - und nur einen direkten Fehler machte. Das Problem ist nur, dass Prüseners Nebenleute, in der Annahme jedenfalls, sein Niveau noch längst nicht erreicht haben. Auch deshalb wirkte der braungebrannte "Lebemann mit Beachboy-Flair", wie Teammanager Fritz Frömming Prüsener bezeichnet, eine Stunde nach dem Lüneburg-Spiel durchaus nachdenklich: "Wir haben viele Spieler, die gut angreifen, aber nicht so gut annehmen", sagte Prüsener. Und meinte Luke Smith und Florian Malescha, die gegen Lüneburg große Annahmeprobleme hatten. Oder Julius Höfer, dem in Rottenburg in diesem Bereich auch nicht viel gelang. "Seppl ist der einzige Spieler, der sein Niveau abgerufen hat", sagt sein Trainer Max Hauser. Prüsener hat aber auch so viel Erfahrung wie kein anderer Herrschinger.

Libero Sebastian Prüsener: "Wir haben viele Spieler, die gut angreifen, aber nicht so gut annehmen." (Foto: Toni Heigl)

Der Münchner begann seine Volleyballkarriere in Unterhaching, er spielte dann für Dachau und Haching in der ersten Liga, wechselte 2003 zum SCC Berlin und wurde gleich deutscher Meister. Bald galt der extrem reaktionsschnelle Techniker als einer der talentiertesten Abwehrspieler in Deutschland, seine Nationalmannschafts-Karriere stockte allerdings, auch wegen des schwierigen Verhältnisses zum damaligen Bundestrainer Stelian Moculescu. Ansonsten hätte Prüsener wohl mehr als nur 23 Mal für Deutschland gespielt. Auch im Sand hatte er Erfolg, 2007 wurde er DM-Vierter in Timmendorfer Strand. Ein Jahr später brach er sich im Playoff-Finale Berlins gegen Friedrichshafen den Knöchel, eine monatelange Pause folgte. Doch Prüsener kehrte zurück, spielte bei der WM 2010 und wechselte später zurück in seine Heimat. Mit Haching wurde er 2013 Pokalsieger. Hauser und Frömming lotsten Prüsener danach zu Herrsching, wo er große Freiheiten im Training genießt - er musste bislang nur dreimal wöchentlich üben.

Mit seiner Erfahrung kann sich Prüsener diesen Luxus leisten. Außerdem hatte er eigentlich mit dem Kapitel erste Liga abgeschlossen. Prüsener wollte kürzer treten, er spielte auch mit dem Gedanken, komplett aufzuhören. In Herrsching fand er eine Spaßtruppe, mit der er dann noch ein bisschen Zweitliga-Volleyball spielen wollte. Nun ist er plötzlich wieder voll im Profibetrieb, als erfahrenster und auch emotionalster Spieler seines Teams. Aber nicht als Herrschings Leaderfigur, in diese Rolle passt Prüsener, jedenfalls für seinen Trainer Hauser, nicht hinein: "Dazu ist er nicht der Typ, und ich werde ihn jetzt auch nicht zum Ruhepol ernennen." Prüsener jedenfalls, das steht fest, muss sich an die neue Situation noch gewöhnen: "Das ist für mich die größte Umstellung, weil ich wahrscheinlich viele Niederlagen kassieren werde", sagte er in diesem Sommer. Wichtig sind Prüsener jetzt drei Dinge: Der erste Sieg. Eine bessere Annahme. Und dass nicht immer nur er MVP-Medaillen bekommt, sondern auch mal einer seiner Mitspieler.

© SZ vom 28.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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