Volleyball:Drangeblieben!

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Vor dem Kampfgeist der Grafinger Volleyballer kann seit vergangenem Wochenende niemand mehr sicher sein. (Foto: Johannes Simon)

Zweitligist Grafing wandelt in Schwaig und gegen Tabellenführer Leipzig 0:2-Rückstände in Siege um

Von Andreas Liebmann, Grafing

Von der Tribüne der Jahnsporthalle stieg Günter Schmidt die Stufen hinab. Vorbei an Grafinger Volleyballern, die in Grüppchen beisammenstanden, sich in den Armen lagen und jubelten, vorbei auch an fassungslosen Gästen aus Leipzig. Schmidt, 77, ist Ehrenpräsident, der ehemalige Gymnasiallehrer hat die Grafinger Volleyballabteilung 1969 gegründet und über Jahrzehnte mit Nachwuchs versorgt. Nun hatte der große ältere Herr Tränen in den Augen. Er steuerte geradewegs auf Alexander Hezareh zu, den Trainer des Zweitligisten - und umarmte ihn.

"Es ist toll, auch ihm solche Momente schenken zu können", sagte Hezareh später. Auch tags darauf war der 45-Jährige noch aufgewühlt, denn er hatte am Wochenende Dinge erlebt, die er in seinen 25 Jahren als Volleyballtrainer so noch nie erlebt hatte. Dabei steht sein Team gerade irgendwo im tabellarischen Niemandsland der zweiten Bundesliga Süd, unscheinbar, als Siebter mit neun Punkten nach sechs Spielen. Doch schon am Samstag hatte die Mannschaft, die er im Sommer übernommen hat und die als bis dahin Drittletzter eher mühsam in die Saison gefunden hatte, beim SV Schwaig Großes geleistet. Sie hatte dort einen klaren 0:2-Satzrückstand in einen 3:2-Sieg verwandelt (21:25, 14:25, 25:18, 25:20, 15:12). Und keine 24 Stunden später war ihr das gleiche Kunststück noch einmal gelungen, diesmal zu Hause, gegen den bislang unbezwungenen Tabellenführer L.E. Volleys aus Leipzig.

"Die wissen schon, dass denen ein 2:0 gegen uns noch gar nichts bringt", hatte Hezareh seinen Spielern mitgegeben, die Euphorie vom Vortag war noch groß. Doch dass es tatsächlich ein weiteres Mal gelingen würde, eine Partie derart zu drehen, hätte Hezareh nicht geglaubt. "Das war einfach Wahnsinn, unglaublich, der Stachel bei Leipzig wird sehr tief sitzen."

Nichts hatte zunächst auf eine Schwäche des Tabellenführers hingedeutet, der die ersten beiden Sätze dank beeindruckender Aufschläge mit 25:16 und 25:15 dominierte. Alle drei Annahmespieler wechselte Hezareh aus, nichts half. Doch er wechselte auch wieder zurück, und irgendwann wurde die Annahme besser. Im dritten Satz kam zum Beispiel Benno Voggenreiter wieder zum Einsatz, der nun viele Bälle sicherte und die Gegner im Angriff "zur Weißglut" bracht, wie Hezareh feststellte. Yannic Beck holte mit unglaublichen Reflexen viele bereits abgeschriebene Bälle - und dann kam Thomas Stretz: Eingewechselt beim 15:10 im dritten Satz, schlug er bei 16:12-Führung zum ersten Mal auf, und er traf seine platzierten Flatteraufschläge so lange, bis Grafing Satzball hatte. "Acht Aufschläge in Serie, das ist schon eine Ansage", schwärmte Hezareh.

Die Leipziger hatten den Faden verloren. Nach fünf wuchtigen Sprungaufschlägen von Konstantin Schmid stand es gleich wieder 5:0 für Grafing, auch Stretz gelang erneut eine kleine Serie. Satz vier war gewonnen, die etwa 300 Zuschauer tobten. Im Tiebreak gelangen dann drei Breaks, die Grafinger Angriffe fanden nun mit voller Wucht und Risiko ihr Ziel, und am Ende stand es 16:25, 15:25, 25:13, 25:15 und 15:12. Vor allem Michael Zierhut war in der Offensive nahezu nicht zu stoppen, er wurde zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt.

Auch tags zuvor hatte zunächst wenig auf einen Erfolg hingedeutet, auch da sei die Bereitschaft "unglaublich" gewesen, so Hezareh, trotz Überlegenheit des Gegners dranzubleiben, und auch da waren Grafings Ersatzspieler irgendwann derart euphorisch, dass sie von den Schiedsrichtern ermahnt wurden, nicht jubelnd ins Feld zu springen. Hier gelang Fabian Wagner bei 19:18-Führung im dritten Satz eine Aufschlagserie bis zum 25:18, bei der auch die Block-/Abwehrarbeit gut funktionierte; und im Tiebreak waren es erneut Schmids Sprungaufschläge, die zum schnellen 5:0 führten. "Ich hatte der Mannschaft vor dem Wochenende gesagt: ,Das sind starke Gegner, aber wenn wir unsere Aufschläge treffen, haben wir eine Chance'", freute sich Hezareh. "Wir haben sie getroffen!"

Am Montag war trainingsfrei. Es geht nun auch gleich ambitioniert weiter für sein Team. An diesem Samstag kommt der Tabellendritte VC Eltmann nach Grafing, tags darauf sind gleich die Internatsschüler aus Friedrichshafen zu Gast. Klar ist: Niemand kann sich künftig mehr sicher sein, eine Führung gegen die Grafinger locker ins Ziel zu bringen. Man könne in den nächsten Doppelspieltag sehr selbstbewusst reingehen. "Wir haben sehr deutlich gesehen, dass man nie aufgeben darf, und das ist jetzt in den Köpfen der Jungs drin", sagte Hezareh. "Es ist eben so vieles Kopfsache."

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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