Volleyball:Berlin-Blues

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Herrschings Volleyballer verlieren ihr Ligaheimspiel gegen den Meister mit 1:3. Eine Wiederholung der Pokalsensation gelingt ihnen auch deshalb nicht, weil der Gegner sie nicht mehr auf die leichte Schulter nimmt.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Manchmal reichen ein paar wenige Ballwechsel, um ein Volleyballspiel, oder vielmehr eine Niederlage, zu umschreiben. So war es jedenfalls am Samstagabend, als der TSV Herrsching mit 1:3 (16:25, 25:20, 20:25, 20:25) gegen Berlin verlor und nur zwischendurch mal zeigte, welches Potenzial in seiner Mannschaft schlummert. Erster Satz also, die ersten beiden Punkte: ein erfolgreicher Angriff vom portugiesischen November-Zugang Jose Gomes, der zunächst den grippegeschwächten Tom Strohbach ersetzte. Und dann? Ein direkter Annahmefehler vom selben Mann. Zweiter Satz, ziemlich zu Beginn: Berlins Annahme gerät zu lang und segelt übers Netz, wo Herrschings Diagonalspieler Christoph Marks emporspringt, um die todsichere Chance zu verwandeln. Sein Angriff, quasi ein Elfmeter ohne Torwart, landet meilenweit im Aus. Vierter Satz, fast am Ende: Herrsching hatte gerade wieder Hoffnung geschöpft, als Gomes den Ball annimmt - und ihn oben an die Decke pritscht. Vierter Satz, ganz am Ende: Marks wuchtet einen Angriff diagonal so brachial ins Feld, wie es nur wenige Spieler in der Liga können. Danach drischt er seinen Aufschlag zum Sieg Berlins ins Aus.

Sechs Szenen sind das, die davon zeugen, dass die Herrschinger dem Meister durchaus einen Punkt hätten abluchsen können, hätten sie nicht mitunter so kopf- und gedankenlos gespielt. Ihr Trainer Max Hauser versuchte erst gar nicht, die Ligapartie mit dem Pokal-Viertelfinalerfolg in Berlin von Ende November zu vergleichen. Aber er bat das Team nach der Partie, die wieder 1000 frenetische Zuschauer in der ausverkauften Nikolaushalle verfolgt hatten, für quälend lange 45 Minuten in die Kabine und hielt eine Grundsatzrede. Es ging ihm um technische Details wie den Block, an dem die Mannschaft in den vergangenen Wochen "brutal viel gearbeitet" habe - am sehr ordentlichen Block lag es auch nicht, dass Herrsching drei der vier Sätze gegen die an diesem Abend auch wirklich starken Berliner recht deutlich verlor. Hauser ging es zuvorderst um die Einstellung seiner Spieler in der Abwehr, wo es darum geht, um jeden Ball zu kämpfen, sich im Notfall auch auf den Boden oder an die Bande zu werfen, aber auch nach den Ballwechseln: "Ich habe es vermisst, dass sie zusammengehen", sich also im Kreis formieren, um aus diesem neue Kraft zu schöpfen. Dieser Teamspirit habe ihm ein bisschen gefehlt, monierte Herrschings Trainer, der mit einem klaren Arbeitsauftrag an seine Spieler schloss: "Wenn wir Sechster oder Fünfter werden wollen, müssen wir uns auch im Training den Arsch aufreißen, dass es kracht." Offenbar krachte es Hauser in jüngster Zeit nicht laut genug in den Übungseinheiten.

„Wir müssen uns auch im Training den Arsch aufreißen, dass es kracht“: Max Hauser (Mitte) ist gerade nicht ganz zufrieden mit dem Team. (Foto: Nila Thiel)

Fakt ist, dass Herrsching in dieser Saison erneut eine qualitativ hochwertige Stammformation zusammengepuzzelt hat, vielleicht die beste überhaupt. Marks ist zurzeit viertstärkster Scorer der Liga, Andre Brown führt die Blockwertung an, Strohbach ist ebenfalls unter den besten Scorern, einer der stärksten Aufschläger und mit Libero Ferdinand Tille eine Bank in der Annahme - was man nach seiner Einwechslung für den unsicheren Gomes trotz Grippe auch gegen Berlin wieder gesehen hat. Michal Sladecek ist ein gewitzter Zuspieler, ein 1,79 Meter kleines, schlitzohriges Kraftpaket, das urgewaltige Sprungaufschläge übers Netz schicken kann. Ein anderer Fakt trat aber gegen Berlin eben auch zutage: Herrschings Bank kann diese Stammspieler nicht ersetzten; wenn sie eine Pause brauchen, ist da nicht mehr viel. Wenn also einer wie Strohbach ausfällt, wenn Tille ausfiele, Marks oder Sladecek, dann wäre das für die Herrschinger durchaus dramatisch. Das kann sie Richtung Playoffs noch in arge Nöte bringen.

Gut ist ihre fehlende Tiefe im Kader ohnehin nicht, wenn einer wie Strohbach, der eigentlich für das wichtige Spiel in Rottenburg an diesem Mittwoch geschont werden sollte, dann doch die meiste Zeit auf dem Parkett steht. Immerhin geht es für den Achten Herrsching im schwäbischen Hexenkessel gegen den Vorletzten um einen Pflichtsieg, der die Oberbayern wieder etwas nach vorne in der Tabelle spülen soll. Als Achter spielt man im Playoff-Viertelfinale gegen den Ersten, der nach derzeitiger Lage Friedrichshafen heißt, als Siebter wäre der Gegner wohl Berlin. Beides sind keine wirklich angenehmen Optionen, weswegen Hauser ja auch fordert, es im Training mehr krachen zu lassen. Nur so sind die Plätze fünf und sechs und damit auch leichtere Playoff-Gegner realistisch.

Die Herrschinger wurden trotzdem nach Schlusspfiff bejubelt von ihren so stimmungsvollen Fans. Ihre Cheerleader spielten Volleyball, die Band "Oldschool" rockte die Aftershow-Party. Und Robert Kromm, der Berliner Hüne und langjährige Nationalspieler, pustete nach Spielende erst einmal durch: "Herrsching hat mal wieder gezeigt, dass sie dieses Jahr ein sehr starker Gegner sind. Wenn sie obenauf sind, mit dem Publikum im Rücken, ist es immer wieder eine mentale Schlacht hier." Nur dass sich der Meister dieses Mal sehr gut darauf vorbereitet hatte.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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