Volleyball:Bassist in einer Punkband

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Verweigerungshaltung: Herrschings Außenangreifer Julis Höfer, 23, hätte das Zeug zum Profi, der Verein hätte das Geld. Das Problem: Höfer will nicht. (Foto: Arlet Ulfers)

Herrschings Volleyballer lassen den Abstiegskampf hinter sich. Bester Mann beim 3:0 gegen Rottenburg ist Julius Höfer - der seinen Trainer trotzdem zur Verzweiflung treibt

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Der König vom Ammersee lieh Julius Höfer für die Ehrung als wertvollster Spieler der Herrschinger Volleyballer sogar sein Krönchen. Elf Punkte hatte Höfer beim ungefährdeten 3:0 (25:15, 25:23, 25:18) gegen den TV Rottenburg erzielt, womit sich Herrsching laut Trainer Max Hauser offiziell aus dem Abstiegskampf der Bundesliga verabschiedete. Vor allem aber hatte Höfer Diagonalangreifer Daniel Malescha in den ersten Sätzen entlastet. Der war letztlich auf - seiner Position angemessene - 20 Zähler gekommen, hatte aber wieder lange gebraucht, um in die Partie zu finden.

"Das wird schon wieder, das ist auch eine Abstimmungsfrage", sagt Hauser, und wirkt nicht sonderlich besorgt. Dass er sich dieses Maß an Gelassenheit leisten kann, verdankt er in hohem Grade Höfer, der am Donnerstagabend überhaupt zum ersten Mal zum MVP gewählt wurde. "Wurde auch mal Zeit", sagt Hauser. Erst vor zwei Jahren hatte er beschlossen, den damaligen Diagonalmann Höfer zum Außenangreifer umzuschulen. Höfer lacht, wenn er sich daran erinnert. Das sei "in der zweiten Liga so eine verrückte Idee gewesen". Zwar gucken ihn die Gegner beim Aufschlag noch immer aus, "mittlerweile kann ich dem Druck aber ganz gut standhalten", sagt er.

Abgesehen von Höfers Präsenz gegen den überforderten Tabellenletzten Rottenburg war auch an der Spielstatistik recht gut abzulesen, wie Hauser darauf kam, dass der Zwei-Meter-Mann womöglich keinen üblen offensiven Annahmespieler abgeben würde: Wegen der 38 Prozent perfekter Abwehraktionen zum Beispiel, oder der 31 Punkte mit Malescha zusammen - von insgesamt 57. Mit Höfers Qualitäten, insbesondere aus dem Hinterfeld, habe die Mannschaft "im Prinzip immer einen mehr im Angriff. Das stellt den gegnerischen Block vor viel komplexere Aufgaben", sagt Hauser. Er ist von Höfers Entwicklung höchst angetan. Nach einem Jahr in den USA war der Absolvent des Kempfenhausener Volleyball-Internats vor vier Jahren nach Herrsching in die dritte Liga gewechselt und stetig mit seinen Aufgaben gewachsen. "Auf Julius bin ich immer ein bisschen stolz, aber wir stehen eigentlich erst am Anfang", sagt Hauser. Ginge es nach ihm, "würde ich ihn fördern, bis er einer der besten Außen der Bundesliga ist".

Es klingt, als befände sich Höfer in jener Karriere-Phase, in der ein Spieler voll auf seinen Sport setzt und durchstartet. Doch Höfer hat seinen Bachelor in der Tasche und absolviert ein Praktikum bei den Münchner Stadtwerken; 40 Stunden in der Woche. "Das ist echt eine Katastrophe", mault Hauser. Ob es finanziell drin wäre, Höfers Berufsstart hinauszuschieben und ihn als Profi zu beschäftigen? "Das wäre absolut drin", sagt der Coach, und guckt verzweifelt. Denn genau hier liegt das Problem: Höfer will nicht.

"Es war schon immer so, dass Schule, Studium und Beruf für mich vorgingen. Man kann nicht auf Volleyball allein setzen, das reicht nicht", sagt Höfer bestimmt. So lange sich Beruf und Sport verbinden ließen, spiele er gerne weiter. Zwei Jahre ausschließlich Profi zu sein, sei dagegen "keine Option". Hauser weiß das, aber es gefällt ihm nicht. "Er nimmt inzwischen super an, jetzt wären die Lorbeeren dran. Jetzt aufzuhören, ist, wie wenn man bis kurz vor dem Diamanten gräbt", sagt er. Er macht ein gequältes Gesicht dazu, ungefähr so wie ein Klavierlehrer, dem sein Musterschüler eröffnet, dass er ab sofort lieber Bass in einer Punkband spielt. Geschlagen gibt sich Hauser jedoch noch nicht: "Wir haben im Sommer auch im Sand was vor. Ich werde in der Beach-Saison nur Trainer sein, mehr verraten wir noch nicht. Vielleicht können wir ihn damit noch mal kitzeln und überzeugen."

Immerhin müssen die Herrschinger nicht fürchten, dass Höfer nach Höherem strebt und sich im Sommer beim VfB Friedrichshafen bewirbt. "Das auf keinen Fall, das wäre die letzte Station", sagt er, "aber auch sonst glaube ich, dass ich Herrsching nicht mehr verlasse." Hauser wird es mit Stolz und Verzweiflung hören: Dem Treuebekenntnis wohnt der Hinweis auf ein frühes Karriereende inne.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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