Volleyball:Unter dem Hubschrauber

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Vor 400 Fans vergeben Grafings Volleyballer Chance auf den vorzeitigen Klassenerhalt

Von Johannes Holbein, Grafing

Marinus fährt mit seinem rechten Zeigefinger auf der grünen Tribünenbank hin und her. Er tippt auf einzelne Punkte, dann fasst er sich kurz an die Stirn und denkt nach. Er spricht von Taktik, von Formation, davon, wen er jetzt auswechseln würde und wie sich die Spieler aufstellen müssten. Seine Augen werden dabei immer größer. Marinus ist neun Jahre alt, er schaut zum ersten Mal den Grafinger Volleyballern zu.

Der Grundschüler ist einer von mehr als 400 Zuschauern, die sich in der Grafinger Jahnsporthalle eingefunden haben, um den TSV zu unterstützen. Im vorletzten Heimspiel der Saison, einem besonders wichtigen: Mit einem Drei-Punkte-Sieg hätten die Grafinger gegen die Oshino Volleys aus Eltmann den Klassenerhalt in der zweiten Bundesliga Süd fast perfekt machen können. "1000 Freikarten haben wir unter der Woche verteilt", erzählt der Manager des TSV, Johannes Oswald. Die Spieler haben sich am Marktplatz aufgestellt und vor dem Supermarkt, dort hat auch Marinus' Schwester fünf Karten bekommen. "Normalerweise kommen so um die 180 Zuschauer", sagt Oswald. Dieses Mal also ist die Halle voll, die Stimmung fast wie im Fußballstadion. "Grafing, Grafing" schallt es nach jeder gelungenen Aktion, nach jedem Punkt der Gastgeber wird getrommelt - nur sind es am Ende in drei von vier Sätzen weniger Punkte, als die Gäste aus dem unterfränkischen Landkreis Haßberge erzielen. Mit 1:3 Sätzen (21:25, 25:19, 18:25, 21:25) verlieren die Grafinger, das macht drei Punkte für die Oshino Volleys und keinen für den TSV. Damit kommen die Unterfranken bis auf zwei Punkte ran an Grafing.

"Wir haben heute bei der Annahme große Probleme gehabt", analysiert Trainer Adrian Zoppelt danach. "Die Bälle sind zwei bis drei Meter weggesprungen, so konnten wir selten den Ball mit Druck über das Netz bringen." Und dann war da noch der Gegner, der, so Zoppelt, "eine außergewöhnliche Leistung gezeigt" hat. Vor allem Diagonalangreifer und Spielertrainer Heriberto Quero, einst Nationalspieler Venezuelas und von den Fans "Hubschrauberto" genannt, donnerte einen Ball nach dem anderen ins Grafinger Feld.

Ratlose Gesichter: Grafings Volleyballer (v.li. Fabian Wagner, Dominik Dreyer) verpassen Sieg gegen Eltmann. (Foto: Toni Heigl)

Auch wenn es am Ende nicht zu einem Sieg gereicht hat, die Gastgeber haben Werbung gemacht für sich und ihren Sport, auch auf dem Feld. Mittelblocker Konstantin Schmid haute Eltmann drei Bälle in Folge um die Ohren, Benno Voggenreiter rettete den Ball mit einem Hechtsprung kurz vor der Tribüne, die Zuschauer klatschten, trommelten und johlten. Als sich Kapitän Fabian Wagner nach dem Spiel per Mikrofon bei den Fans bedankt, sitzt einer schon am Matchplan für die kommende Partie: Marinus. Er zeigt mit seinen Fingern auf die grüne Bank, dann fasst er sich wieder an den Kopf und grübelt. "Vielleicht sollte man anders aufstellen. Und alle, die so verschwitzt sind, müssen sich jetzt erst mal ausruhen."

© SZ vom 16.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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