Turnen:Ministerium für Turn-Erfolge

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Mit ungewöhnlichen Mitteln steht der USC München vor dem Verbleib in der dritten Liga

Von Andreas Liebmann, Unterhaching

Münchens Verteidigungsminister kommt aus Linz, Oberösterreich. Das wirft einige elementare Fragen auf: Wie konnte es ein Österreicher in Bayern je so weit bringen? Seit wann hat München eigene Minister? Und was hat das alles mit Turnen zu tun? Nun, Michael Shamiyeh, genannt Shamu, bekleidet sein Ministeramt bei den Drittliga-Turnern des USC München, die Mannschaft aus aktuellen und ehemaligen Studenten leistet sich gleich eine ganze Reihe von "Ministern". Sie sind zuständig für Ernährung, Verkehr, Gesundheit, Justiz und Finanzen. Sie alle arbeiten Thomas Ottnad zu, der den Turnbetrieb als eine Art Superminister organisiert. Dem Verteidigungsressort kommt unter all diesen Amtsträgern eine besondere Bedeutung zu.

Michael Shamiyeh analysiert kraft seines Amtes die Gegner. Er studiert deren Ergebnisse, sucht Stärken und Schwächen, scoutet wenn möglich live und legt dann eine Taktik zurecht. "Er hat das bisher super gemacht", lobt Ottnad. Im Scoring-System der Deutschen Turnliga, wo immer je zwei Turner ein direktes Duell austragen, ist das auch "nicht unerheblich". Klassenunterschiede könne man so nicht ausgleichen, sagt Shamiyeh, aber in Duellen wie an diesem Samstag im letzten Saisonwettkampf gegen den TV Bühl, da könne die richtige Taktik durchaus den Ausschlag geben. Bühl ist Dritt-, der USC Vorletzter, beide mit 2:10 Punkten.

Shamiyeh kommt selten selbst zum Einsatz. Vier Mal war er in der laufenden Saison an einem Gerät zu sehen, er turnt noch Wettkämpfe für seinen Heimatverein und in der schwäbischen Turnliga für Bünzwangen. Doch er ist mit seinem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik fertig, arbeitet für ein Forschungsinstitut in Ottobrunn, was ihm wenig Zeit für den Sport lässt, außerdem ist er zumeist gar nicht startberechtigt. Denn pro Gerät darf nur ein Ausländer turnen (das gilt auch für Österreicher), und im 20-jährigen Physikstudenten Stephan Trattnig verfügt der USC über einen Landsmann Shamiyehs, der an allen Geräten starke Leistungen bringt. Wie vor einer Woche beim unerwartet klaren ersten Saisonsieg gegen Liga-Schlusslicht TG Wangen-Eisenharz.

Mit 10:2 (40:18) gewann München den Vergleich, der zwar noch nicht rechnerisch, aber doch mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits den Klassenerhalt bedeutete - Wangen müsste nun seinen letzten Kampf haushoch gewinnen, der USC gegen Bühl völlig untergehen. Gegen Wangen hatte die USC-Riege gezeigt, dass sie doch einiges zu bieten hat, wenn es wichtig wird. "Vorher hatten die gesehen, dass wir in Schlagdistanz sein müssten, aber schon beim Einturnen dürften sie bemerkt haben: ,Scheiße, die sind diesmal etwas anders drauf!'" Alle Turner und der gesamte Betreuerstab waren dabei, Wangen war nervös, der USC mit seinen vielen Altgedienten spielte seine Routine aus. "Und da war Luft nach oben", versicherte Ottnad. Trattnig zum Beispiel verzichtete am Barren auf seinen Standard-Abgang, einen Doppelsalto gebückt, den in der dritten Liga sonst höchstens mal ein Ausländer zeige, so Ottnad. "Wenn er sich beim Einturnen besser fühlt, haut er den raus."

Trattnig gewann an fünf Geräten, am sechsten gab es ein Remis. Oft sei er zuvor nervös, weiß Shamiyeh, sauber turnt er dennoch. Auch auf solche Dinge achtet ein Verteidigungsminister: Wer macht wenige Fehler, wer fühlt sich gut? Immer abwechselnd dürfen die Teams in den Duellen vorlegen, sichere Turner lässt Shamiyeh starten. "Da darf man wenige Fehler machen, um den Druck auf den Gegner weiterzugeben." Fühlt sich einer unsicher, kann es sein, dass Shamiyeh ihn kurzfristig durch einen Kollegen ersetzt.

Mit einem engen Ergebnis gegen Bühl sollte der USC gesichert sein. Helfen könnte das Publikum: Mangels eigener Halle schlüpfen die Münchner meist in Nördlingen unter, am Samstag (14 Uhr) sind sie in Unterhaching zu Gast - als Vorprogramm des Zweitligisten Exquisa Oberbayern. Erstmals könnte es eine Art Heimkulisse geben, sie haben Freunde, Bekannte und Turnkollegen vom Hochschulsport mobilisiert. Und wollen dann mit dem Team Oberbayern gemeinsam feiern, die einen den Titel, sie selbst den Ligaverbleib. Für Feiern, sagt Shamiyeh, sind alle gemeinsam zuständig. Für Getränke der Ernährungsminister.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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