Tischtennis:Vorne und hinten zu wenig

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Durchgezogen: Nach nur einer Saison verlässt Chantal Mantz, 19, das Dachauer Hinterland. (Foto: Niels P. Joergensen)

Der TSV Schwabhausen stellt sich die Frage, ob er in der ersten Bundesliga noch gut aufgehoben ist. Anlass ist der Wechsel der ehemaligen Jugend-Europameisterin Chantal Mantz zum TTC Berlin

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Man kann nicht gerade behaupten, dass sie sich gesucht hätten im vergangenen Frühjahr, der Tischtennis-Erstligist TSV Schwabhausen und die ehemalige Jugend-Europameisterin Chantal Mantz. Aber es war einfach, zueinander zu finden. Mantz, heute 19, war nach Differenzen nicht mehr eingesetzt worden in ihrem damaligen Verein, dem SV-DJK Kolbermoor. Und die Zahl bayerischer Erstligateams in fahrbarer Nähe, die obendrein an der Entwicklung junger Talente interessiert sind, ist überschaubar. Es war fast unvermeidlich, dass Mantz in Schwabhausen landete. Und sie fühlt sich wohl dort, sie hat wieder Spaß an ihrem Sport gefunden.

Nicht einmal ein Jahr später steht dennoch fest, dass Mantz den TSV zum Saisonende wieder verlassen wird. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass dies nicht der Verein sei, der optimal zu ihrer weiteren Karriere passe; sie wolle es in der Weltrangliste nach oben und vielleicht in ein paar Jahren in die Nationalmannschaft schaffen, erklärt Mantz. Am Saisonende wird sie zum TTC Berlin wechseln, ihr neuer Verein hat den Wechsel am Mittwoch bestätigt.

Ein Missverständnis war das Ganze allerdings keineswegs. "Der Vertrag mit Schwabhausen war sehr gut für mich", betont Chantal Mantz im Rückblick. Schwabhausens Klub- und Verbandstrainer Alexander Yahmed hatte sie darin bestärkt, ans Tischtenniszentrum Düsseldorf zu ziehen, auch er selbst habe ihr "sehr viele Dinge beigebracht" und sich gut um sie gekümmert. Alles in allem habe sie einen Schritt vorwärts gemacht im vergangenen Jahr. Kurz vor Jahreswechsel sei dann aber dieses Angebot aus Berlin gekommen, vom zweimaligen deutschen Meister und Champions-League-Sieger, dem aktuellen Tabellenführer, dem Klub der deutschen Nationalspielerinnen Petrissa Solja und Shan Xiaona. Der TSV Schwabhausen steht erwartungsgemäß auf einem Abstiegsplatz. Es gab nicht wirklich viel zu überlegen.

Für Mantz entwickelt sich die Sache prima. Sie könne weiter in der ersten Liga spielen, aber wenn mal gleichzeitig internationale Turniere anstünden, dürfe sie vom TTC Berlin aus dort antreten - Ersatz für die Liga stünde parat. "In Schwabhausen wäre das undenkbar", weiß sie. Allerdings war es ihr beim Weggang aus Kolbermoor noch wichtig gewesen, einen Platz im vorderen Paarkreuz zu bekommen, wo ihre Saisonbilanz aktuell bei 6:14 Einzelsiegen steht. Nun sieht sie es als Vorteil, dass sie in Berlin wieder hinten spielen darf. "Chantal hat eine Menge Potenzial", sagt Berlins Klubchef Alexander Teichmann, man wolle sie "behutsam aufbauen". Ihr werde es guttun, dass in Berlin das Wohl der Mannschaft nicht nur von ihr abhänge. Aber: "Wir haben großes Vertrauen in sie und werden sie auch in die Verantwortung nehmen." Sie werde nicht nur im hinteren Paarkreuz "herumdümpeln". Natürlich streben die Berliner auch künftig Titel an.

Welche Auswirkungen Mantz' Weggang auf den TSV Schwabhausen hat, ist schwer abzusehen. Bislang gehen sie dort davon aus, dass sie auch als Vorletzte am Saisonende nicht absteigen müssten. Zumindest standen Interessenten an einem Erstliga-Aufstieg in den vergangenen Jahren nicht gerade Schlange. Trotzdem spielen die Verantwortlichen mit dem Gedanken, freiwillig in die zweite Liga zurückzukehren. "Es gibt diese grundsätzliche Überlegung, wo wir besser aufgehoben wären", bestätigt Abteilungsleiter Helmut Pfeil. Am Sonntag steht eine interne Versammlung an, da solle die Entscheidung fallen. Mitte März endet die Meldefrist beim Verband.

Die Zögerlichkeit ist nachvollziehbar. Mehr als Abstiegskampf wäre in der ersten Liga auch in der kommenden Saison nicht zu erwarten, selbst wenn nach der Trennung von Andrea Bakula im Laufe der Vorrunde und Mantz' Weggang nach Saisonende personell nachgebessert wird. Schon in dieser Saison aber sind die Zuschauerzahlen deutlich gesunken, im Schnitt waren noch 69 Fans bei den Heimspielen dabei. Schlechter dürfte das in der zweiten Liga auch nicht werden. Hinzu kommt erstens, dass die Gemeinde dem Verein erhebliche Zuschüsse gekürzt hat, weshalb er sich notfallmäßig von Jugendtrainerin Agnes Kokai trennen musste; künftig müsse man zusehen, wie man Löcher stopfe, ohne dass die Jugendarbeit leidet, sagt Pfeil. Und zweitens ist da die zweite Mannschaft, die in der dritten Bundesliga Süd vorne mitspielt, unter anderem mit Natalia Mozler, 14, und Sarah Mantz, 15. Diese Talente an die erste Liga heranzuführen, dürfte schwierig werden. Aber an die zweite Liga? Das könnte klappen. Aktuell spricht also gar nicht so viel für die Erstklassigkeit.

Dennoch, deutet Pfeil an, habe sich in den zurückliegenden Tagen eher die Tendenz herausgebildet, es noch ein weiteres Jahr im Oberhaus zu probieren. Vorausgesetzt natürlich, man finde einen bezahlbaren und gleichwertigen Ersatz für Mantz.

Für deren Entscheidung, internationalen Einsätzen künftig mehr Priorität einzuräumen, äußert Pfeil Verständnis: "Berlin hat da die Auswahl. Bei uns ist klar: Wenn wir Chantal zu einem Turnier lassen, ist unsere Mannschaft im Punktspiel total chancenlos." Der Verein sei zufrieden gewesen mit ihrer Entwicklung. "Sie hat das gebracht, was zu erwarten war, und hat für uns hervorragende Spiele gezeigt." Nur die sportliche Herausforderung, glaubt Pfeil, die wäre für Mantz in Schwabhausen in der nächsten Saison etwas größer gewesen als im hinteren Paarkreuz des TTC Berlin. Zumindest in der ersten Liga.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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