Tischtennis:Rundreise mit Perspektivwechsel

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Neue Seite: Schwabhausens Abwehrspezialistin Yang Ting überzeugte ihren Trainer diesmal auch mit gekonnten Angriffen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Nach dem freiwilligen Abstieg dominiert Schwabhausens Frauenteam die zweite Liga

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Der Ausflug war strapaziös genug, aber es hätte noch viel schlimmer kommen können am 3. Oktober. Die vier Frauen des Tischtennis-Zweitligisten TSV Schwabhausen hatten das vergangene lange Wochenende genutzt, um drei ihrer sechs Auswärtspartien bis zur Winterpause im Paket auszutragen, Samstag beim TTK Anröchte, Sonntag beim TuS Uentrop und Montag beim MTV Tostedt. Kaum auszudenken, hätte sich das Team eigens für die Partie in Tostedt auf die Reise begeben. 15 Stunden Fahrtzeit und 1500 Kilometer Wegstrecke hätten einen ulkigen Kontrast abgegeben zu einem 6:0-Auswärtssieg, der in gerade mal 98 Minuten brutto zustande kam und vor den Augen von, aufgepasst: 27 Zuschauern.

So konnten die Gäste wenigstens ein schnelles Häkchen setzen hinter ihren Betriebsausflug, der sie über Nordrhein-Westfalen nach Niedersachsen geführt hatte, und sich rasch auf den Heimweg begeben, vorbei an allerhand Unfällen und mitten hinein in zähe Staus. Vermutlich kam der Tross Montagnacht auch ein wenig ratlos im Landkreis Dachau an. Denn schon auf den beiden ersten Etappen hatte das Schwabhauser Quartett zwei 6:3-Siege eingesammelt, dabei war es (in dieser Reihenfolge) beim Zweiten, Ersten und Dritten des Vorjahres zu Gast gewesen, eigentlich also bei Mitfavoriten. "Wer jetzt glaubt, wir sind damit durch, kennt die Liga nicht", beeilte sich Trainer Alexander Yahmed zu warnen, schon an diesem Samstag (14.30 Uhr) etwa komme der ATSV Saarbrücken, der ebenfalls noch ohne Punktverlust dasteht - allerdings erst nach zwei Partien: "Das ist ja das Schöne an der zweiten Liga, dass fast jeder jeden schlagen kann."

In Liga eins war das anders, das Gefälle zwischen Meister Berlin (36:0 Punkte) und dem Vorletzten Schwabhausen (3:33) war unüberwindlich. Wohl auch deshalb hatten Uentrop und Anröchte nach der vergangenen Saison auf ihre Aufstiege verzichtet, während Schwabhausen schon im Winter seinen Rückzug in die zweite Liga angekündigt hatte. Kürzlich betonte Yahmed noch, ein Wiederaufstieg käme höchstens mittelfristig infrage, falls einem oder zwei jungen Talenten aus der zweiten Mannschaft ein solcher Leistungssprung gelingen sollte, dass ein Aufstieg für sie interessant wäre. Aber nun?

Nach fünf Partien gegen hoch eingeschätzte Gegner führt Schwabhausen mit 10:0 Punkten die Tabelle an, und trotz der Warnung vor dem Rest der Liga sieht es so aus, als wäre der TSV zwar zu schwach, um in der ersten Liga eine gute Rolle zu spielen, aber für die zweite zu stark. Und das, obwohl er die ehemalige Mädchen-Europameisterin Chantal Mantz vor der Saison an den TTC Berlin verlor; obwohl die als Ersatz geholte Kroatin Mateja Jeger, Nummer 222 der Welt, seit Saisonbeginn durch eine Fußverletzung gehandicapt ist; und obwohl Stammspielerin Eva-Maria Maier die Auswärtsrundreise erkrankt ausließ.

Yahmed schwärmt nun von seinen Spielerinnen. "Mateja war überragend", urteilte er, "sie ist auch in entscheidenden Phasen immer noch in der Lage, taktisch klug zu spielen." Kaum auszudenken, wenn die 21-Jährige mal schmerzfrei wäre. Erst eins ihrer sieben Einzel verlor sie, mit 0:3 gegen Anröchtes Marta Golota. Ebenfalls eine 6:1-Bilanz hat Christina Feierabend auf Position drei. In der ersten Bundesliga hatte sie es oft schwer und zweifelte an sich, nach einem guten Saisonauftakt schöpft sie ihr Angriffpotenzial nun aber wieder voll aus. "Christl hat ein Traumwochenende erwischt", lobte Yahmed. Und Schwabhausens Nummer eins Yang Ting ist in der zweiten Liga wieder eine Klasse für sich, in neun Matches hat die Abwehrspielerin erst zwei Sätze abgegeben. Sogar eine neue Seite zeigte sie von sich. "Sie hat so gut angegriffen wie noch nie, seit sie bei uns ist, wir haben das viel geübt", sagte Yahmed. Ohne die neue Offensivstärke hätte sie am Wochenende auch zweimal verlieren können.

Die erstaunlichste Personalie aber war Natalia Mozler, die Maier vertrat: In Anröchte und Tostedt gewann sie ihre Doppel an der Seite von Yang Ting, was Maier seit mehr als einem Jahr vergeblich versucht. Und beim 6:0 in Tostedt gewann sie auch ihr erstes Zweitliga-Einzel, 3:0 gegen Anne Seewöser. Dabei war sie bei ihrem Matchball noch 14. Ein paar Stunden nach ihrer Heimkehr feierte Mozler ihren 15. Geburtstag. Sie ist eines dieser Talente, die den Rückweg nach oben rechtfertigen könnten. Den will Yahmed nun nicht mehr unbedingt nur als mittelfristige Option verstanden wissen. "Wir denken überhaupt nicht daran", sagt er, "wir sind erst mal froh, die drei Spiele so durchgezogen zu haben und konzentrieren uns jetzt auf die Spiele am nächsten Wochenende." Völlig ausschließen mag er eine Rückkehr in Liga eins aber nicht. "Wer weiß, was in sechs Monaten ist", sagt er. Zumindest stehen bis dahin noch 15 Spiele an, einige auch auswärts. Am Osterwochenende etwa in Kiel und Schwarzenbek. 1800 Kilometer. 18 Stunden im Kleinbus.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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