Tischtennis:Kamera läuft

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Siegerin im Bälleschubsen: Krisztina Toth gewinnt das zweite U-Bahn-Turnier. Sie ist auch für den Bundesstützpunkt zuständig. (Foto: Nils Rack/BTTV)

Roger Federer und André Agassi haben es getan und auch der EHC München: Was der BTTV in der U-Bahn und auf der Zugspitze sucht.

Von Andreas Liebmann, München

Der Bayerische Tischtennis-Verband (BTTV) will demnächst hoch hinaus, von einem der tiefsten, dunkelsten Plätze Münchens hin zum strahlenden höchsten Punkt Deutschlands. Und wenn er Glück hat, werden ihn auch auf dieser Tour ein paar Kameras begleiten.

Zum zweiten Mal nach 2012 hat der in München sitzende Landesverband am Sonntag einen verrückten Wettkampf veranstaltet: Er hat sich eine U-Bahn gemietet und in dem fahrenden Zug auf Mini-Tischen ein Turnier ausgetragen. Es ist eine einerseits befremdliche Aktion: Um öffentlich wahrgenommen zu werden, schickt er eine geschlossene Gesellschaft von 64 Turnierteilnehmern in einen U-Bahn-Tunnel, wo ihr Treiben allenfalls an ein paar wenigen Haltepunkten von Passanten bemerkt werden kann - denn dort stieg der Tross kurz aus, spielte ein wenig vor und drückte Interessierten Schläger in die Hand.

Der Erfolg gab dem BTTV andererseits irgendwie Recht: TV München schickte ein Kamerateam vorbei, der Bayerische Rundfunk, Pro 7, zahlreiche Fotografen kamen. Ein Team vom Radio spielte in 80er-Jahre-Outfits mit. "Da sind ja mehr Reporter als Spieler", stellte ein Teilnehmer fest. Damit hatte BTTV-Geschäftsführer Carsten Matthias erreicht, was er wollte. Sein Sport sei sehr populär und werde überall gespielt, hatte er vorab erklärt, "aber wir stellen fest, dass die mediale Aufmerksamkeit komplett daran vorbeigeht". Diesmal war sie also da, die erhoffte Aufmerksamkeit.

Für ein ungewöhnliches Turnier einfach mal die Rahmenbedingungen, die Kulisse zu verändern, diese Idee hatte der Eventmanager André Pfeiffer schon vor sechs Jahren, damals war er Praktikant beim BTTV. Er findet den Ansatz noch immer gut, aber er will ihn auch weiterentwickeln. Noch in diesem Sommer soll sich ein ähnlich buntes Teilnehmerfeld die Zugspitze hinaufspielen. Zwischen verschiedenen Etappen hinauf Richtung Gipfel sollen die Tische aufgeklappt und die Matches ausgetragen werden, bis zum Finale ganz oben. Es könnte ein weitererer kleiner PR-Coup werden, bei schönem Wetter vielleicht sogar mit einem entscheidenden Vorteil zur U-Bahn-Variante: schöneren Bildern.

An der Optik krankte die Aktion vom Wochenende ein wenig, dabei sind Bilder so ungemein wichtig. Wer je das Match zwischen André Agassi und Roger Federer auf der Helikopter-Plattform des Luxushotels Burj Al Arab in 200 Metern Höhe gesehen hat, wird diesen Anblick auch 13 Jahre später noch im Kopf haben. Fast so einprägsam war es, als vor einem Jahr auf der Münchner Bauma die Tischtennisstars Timo Boll und Werner Schlager einen Showkampf austrugen, an einem normalen Wettkampftisch, der aber auf der Ladefläche eines unfassbar riesigen Muldenkippers stand: Attraktiver Sport vor verblüffender Kulisse, es waren Musterbeispiele.

Dagegen standen nun Bilder aus einer vollen U-Bahn und teils wacklige Aufnahmen von Bahnsteigen. Ein Grundproblem würden sie auch mit auf die Zugspitze schleppen: die Mini-Tische, die kaum größer sind als ein Frühstückstablett. Auf ihnen können auch die Besten die Bälle eher nur hin und her schubsen, weshalb selbst das U-Bahn-Finale zwischen der späteren Siegerin Krisztina Toth und Manuel Hoffmann nur bedingt vorzeigbar war - immerhin eine siebenmalige Europameisterin gegen einen ehemaligen Zweitligaspieler. Es steht zu erwarten, dass das auf Deutschlands höchstem Gipfel ähnlich aussähe, nur vor imposanterem Hintergrund.

Es ginge natürlich anders: Der EHC Red Bull München hat oben auf der Zugspitze schon Eishockey gespielt, das war für den Werbedreh eines Leuchtenherstellers und war entsprechend spektakulär in Szene gesetzt. Doch darum geht es ja: Der BTTV um Carsten Matthias hat eben nicht so viel Geld zur Verfügung wie der Leuchtenproduzent, Scheichs in Dubai oder jener Baumaschinenriese, der den Deutschen Tischtennis-Bund unterstützt. Er muss kreativ sein, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Und die braucht er für sein großes Projekt.

Der BTTV braucht Unterstützer, damit sein Bundesstützpunkt eine eigene Halle bekommt

In München gibt es keinen zugkräftigen Profiverein, dennoch betreibt der BTTV hier für den Nachwuchs einen Bundesstützpunkt. Dieser wackelt gerade, im Mai fällt eine Entscheidung, ob er ein Bundesstützpunkt bleiben darf. Langfristig gehört dazu eine eigene Halle - doch die gibt es nicht. Ebenso wenig wie ein Gelände oder das Geld, das eine oder das andere zu erwerben. "Wir als Verband haben das Geld nicht", sagt Matthias und verweist darauf, wie ungleich besser andere Landesverbände von staatlicher Seite ausgestattet seien. Nur mit eigener Halle könne man langfristig im Nachwuchs etwas aufbauen, sagt er, "das ist unser großes politisches Ziel". Dafür muss er Kontakte knüpfen, zur Politik und in die Wirtschaft, muss netzwerken, braucht Aufmerksamkeit. Und die Suche sei schwierig: Zuletzt war der Plan gescheitert, einen Bauplatz auf dem Gelände der Technischen Universität zu bekommen. Die Sondierungen laufen in alle Richtungen weiter. Ebenso wie die PR - wobei auch für das Zugspitzturnier noch Sponsoren fehlen. Umso mehr gilt: Selbst wenn die Bilder mal wackeln - Hauptsache, die Kamera läuft.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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