Tischtennis:Feuer und Fleiß

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Tischtennis-Zweitligist Schwabhausen hat für Yang Ting, die kürzer tritt, das Abwehrtalent Alina Nikitchanka verpflichtet.

Ein paar Minuten will sich Alexander Yahmed rasch Zeit nehmen für das Telefonat, doch schon nach ein, zwei Sätzen unterbricht er. "Moment bitte", sagt der 43-Jährige höflich, dann hört man ihn gedämpft schimpfen: "Das ist gar nichts, keine Körperspannung!"

Yahmed ist nicht zum Spaß in Lignano, einem Adria-Badeort 550 Autokilometer südlich von Schwabhausen; bei 24 Grad Außentemperatur, zumindest an diesem Mittwoch. Die meisten Menschen dort suchen nichts als Erholung und Sommerbräune, Yahmed indes steht berufsbedingt in einer Sporthalle. Er hält das Trainingslager seines TSV Schwabhausen ab, dessen Tischtennisteams er trainiert. An diesem Samstag beginnt für die Zweitligafrauen die Saison, es geht nach Großburgwedel, 620 Kilometer Fahrstrecke nördlich des Landkreises Dachau; und am Sonntag nach Tostedt, weitere 100 Kilometer in Richtung Küste. Eva-Maria Maier ist dabei in Lignano, das 21-jährige Eigengewächs des Vereins; auch die Kroatin Mateja Jeger, die in der vergangenen Saison auf Position zwei so positiv überrascht hatte; und die Weißrussin Alina Nikitchanka.

Alina wer?

Ja, es gibt tatsächlich etwas Neues bei dem Zweitligameister der Vorsaison, der trotz seines überlegenen Titelgewinns auf die Rückkehr in die erste Liga verzichtet hatte: Eine 20-Jährige, die in diesem Team künftig auf Position drei rangiert, und in der Weltrangliste auf Position 270. Unmittelbar von der Universiade in Taipeh war die Weißrussin nach Schwabhausen und dann weiter nach Lignano gereist, um sich mit ihrem neuen Team den letzten Feinschliff zu holen. Eine Personalie, die ein wenig überraschend anmutet, denn Yahmed war sehr zufrieden mit seinem bisherigen Quartett, das auch weiterhin keine großen Aufstiegsambitionen hegt und für das sich der Trainer vorgenommen hatte, in dieser Saison die nachrückenden Sarah Mantz und Natalia Mozler heranzuführen. Stattdessen ist Nikitchanka da. Die bisherige Stammspielerin Christina Feierabend ist in die zweite Mannschaft gerutscht.

Doch es hat sich etwas geändert in der Aufstellung der Bayern: Der ehemalige deutsche Juniorenmeister Florian Schreiner, 21, hat sich dem FCB angeschlossen. Von diesem Zugang erwarten sich die Münchner einiges. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Diesbezüglich ist die aktuelle Vereinsrangliste allerdings eine Art optische Täuschung. Denn natürlich ist Yahmed tatsächlich nach wie vor sehr zufrieden mit seinem Meisterquartett, auch Feierabend werde darin künftig regelmäßig ihre Zweitliga-Einsätze erhalten. Er sieht sie weiter als Stammspielerin. Yang Ting dagegen, die langjährige und unangefochtene Nummer eins des Klubs, will kürzertreten; wahrscheinlich sehr viel kürzer. Deshalb hatte der Verein handeln müssen und Nikitchanka verpflichtet. Sie ist ein Talent, eine Nationalspielerin, aber keine erfahrene Leistungsträgerin wie Yang. "Wir werden wahrscheinlich nicht ganz so gut abschneiden wie bisher", vermutet Yahmed daher.

Er hatte den Kontakt zur Neuen durch eine Bekannte bekommen, aber er hat Nikitchanka natürlich nicht auf Verdacht geholt. Er hat Videos angesehen, Ergebnisse studiert, die Weißrussin schließlich zu einem Probetraining gebeten, "weil ich auch immer wissen will, wie sich das menschlich anfühlt", sagt er. Sein Eindruck: "Alles super, sie ist ein unglaublich lieber Typ." Die Neue werde auch am Vereinstraining teilnehmen, das ist Yahmed wichtig, und sie ist nun also mit in Lignano gewesen. Trotzdem wusste Yahmed auch zum Abschluss dieses intensiven Trainingslagers nicht viel. "Bei Mateja wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon, dass sie einschlagen wird", erinnert sich der Coach. Nikitchanka müsse er erst im Wettkampf erleben.

Diese Ungewissheit hat Gründe. Nikitchanka ist eine Defensivspielerin, die weit hinter dem Tisch oft fabelhafte Bälle zurückbringt. Für Zuschauer spektakulär. Doch Abwehrstrateginnen brauchen ein hohes Maß an Cleverness und Routine, "die wenigsten sind schon in jungen Jahren erfolgreich", weiß Yahmed. Dazu kommt, dass heutzutage auch Verteidigungsspezialistinnen nicht ganz ohne offensive Schläge auskommen. Nikitchanka habe aber noch Probleme damit, die richtigen Momente für eigene Attacken zu finden. Ihr Spiel sei "unrhythmisch", sie stehe "mit viel Feuer" hinter dem Tisch, beobachtet Yahmed, ganz anders als die stoische Yang Ting. "Interessant", findet er das, aber man müsse da wohl einiges an Ruhe hineinbringen. "Ich weiß noch nicht, in welche Richtung es geht. Wenn sie so gut ist wie Mateja, bin ich hochzufrieden".

Fest steht, dass die junge Weißrussin auf der Rückhandseite einen Langnoppenbelag spielt. Durch diesen bekommt der Ball oft seltsame Rotationen und Flugkurven. Gegner mit Langnoppen, die zu den so genannten "Störbelägen" zählen, sind deshalb unter Hobbyspielern ungefähr so beliebt wie Wurzelbehandlungen oder Haarausfall. Auch vielen Profis geht es da nicht recht viel anders. "Für die meisten ist das relativ unangenehm", weiß Yahmed. Für ihn als Trainer natürlich weniger, er freut sich vielmehr über die neuen Möglichkeiten. Die ganze Mannschaft sei "jung und heiß", stellt er zufrieden fest. Im eigenen Team, da ist er sich jetzt schon sicher, werde Nikitchanka alles andere als unbeliebt sein.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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