Thaiboxen:Kopftreffer auf Koh Samui

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Der Münchner Mark Wieser alias Mikki Baracuda ist Weltmeister im Thaiboxen - einer der härtesten Kampfsportarten der Welt

Von Catrin Schreiner, München

Es ist still im "Baracuda Championsgym" in Pasing. Keiner drischt auf die schwarzen Sandsäcke ein, die Hanteln liegen ordentlich aufgereiht im Regal, und auch der Boxring ist verlassen. Am Ende des Raumes sitzt ein goldener Buddha mit zusammengefalteten Händen auf einem Sockel und lächelt besonnen. Nur der leichte Schweißgeruch lässt vermuten, dass hier normalerweise intensiv trainiert wird.

Doch Mikki Baracuda, der das Studio seit zehn Jahren leitet und viele Wochenstunden im Ring verbringt, muss pausieren; er hat zwei gebrochene Rippen. "Ich bin schon ganz ungeduldig, aber solche Verletzungen gehören eben dazu", sagt der Münchner, der mit seiner Frau und den zwei Söhnen nebenan wohnt. Mikki Baracuda heißt eigentlich Mark Wieser, den anderen Namen benutzt er nur bei seinen Wettkämpfen. Der 41-Jährige macht Muay Thai, eine besondere Kampfkunst, die Nationalsport in Thailand ist. Im August gewann er dort den Weltmeisterschaftstitel. Muay Thai gehört zu den härtesten Kampfsportarten der Welt, weil sowohl Ellbogen- als auch Knietechniken erlaubt sind. Selbst der Kopf darf getroffen werden.

Wieser, der in seinem Studio auch als Trainer arbeitet, interessiert sich seit seiner Kindheit für Thaiboxen. "Ich habe mir früher viele Kampfsportfilme angeguckt, mit elf Jahren selbst angefangen - meine Eltern haben das nicht verstanden." Mit 18 Jahren entschied er sich, der familiären Kritik aus dem Weg zu gehen, seine Kochlehre abzubrechen und heimlich nach Thailand auszuwandern. Er zog nach Koh Samui, eine Insel im Golf von Thailand, und nahm an Profikämpfen teil. "Ich musste mich als Weißer sehr lange beweisen, bevor ich respektiert wurde. Ich habe mich - wie es sich dort gehört - hingekniet und darum gebeten, am Training teilnehmen zu dürfen." Zwei Jahre später kam Wieser auf Wunsch seiner Eltern zurück in die Heimat und beendete seine Lehre. "Ich koche noch heute leidenschaftlich gerne, natürlich auch thailändisch."

Seine Kochkünste konnte Wieser, der auch gut Thai spricht, in den vergangenen Monaten aber nur selten ausleben. "Ich wollte noch mehr aus meiner Karriere herausholen, ich wollte den ganz großen Titel." Er erlegte sich ein hartes Trainingsprogramm auf, mit dem Ziel, in Thailand um den WM-Titel zu kämpfen. Morgens um sieben ging die erste von zwei Einheiten los; insgesamt verbrachte Wieser bis zu vier Stunden täglich mit Joggen, Springseilübungen, Hantel- und Techniktraining - teilweise mit sehr speziellen Methoden. "Ich habe im Neoprenanzug und mit Gummimaske trainiert, um das tropische Klima zu simulieren", sagt Wieser, der für die WM nach eigenen Angaben binnen neun Monaten von 115 auf 76 Kilo abnahm.

Zwischen Tradition und Fight Club: Mark Wieser bereitet sich in Thailand auf seinen WM-Kampf vor. (Foto: oh)

Das Ergebnis: Im Januar überstand er in Thailand die Qualifikation gegen den erfahrenen "Yodphichit" durch einen Kick zum Kopf. Ein halbes Jahr später gelang ihm dann der entscheidende K.o.-Sieg gegen einen 25-jährigen einheimischen Profiboxer. Wieser brauchte im zweiten Durchgang neun gezielte Schläge, bis sein Gegner in den Seilen hing. "Der hatte in dieser Saison noch keinen Kampf verloren. Die Zuschauer haben getobt, weil alle ihre Wetten verloren", sagt Wieser, der dafür die Rippenblessur und einen Cut über dem linken Auge hinnehmen musste. Die Verletzungen seien aber nicht schmerzhafter als die Tätowierung gewesen, die er sich nach dem Sieg auf den rechten Oberschenkel hat stechen lassen, "ganz traditionell mit Bambusstäben".

Tradition bedeutet Wieser viel, weil es im Thaiboxen wichtige Rituale gibt. Vor den Wettkämpfen wird der "Wai Khru" aufgeführt, ein Tanz, um den Box-Lehrern und der Schule Respekt zu bezeugen. Jeder Boxer verbeugt sich in die vier Himmelsrichtungen. Während des Kampfes spielt ein Orchester. "Ich nehme das sehr ernst, auch wenn ich christlich bin", sagt Wieser.

Der Münchner hofft, dass er bald wieder trainieren kann. Bis dahin betreut er seinen Sohn Marino. Der Zehnjährige, der als "Khao Kaeng Lek" antritt, hat in Thailand bei den Jugendlichen mitgekämpft, musste sich aber einem zwei Jahre älteren Thai geschlagen geben. Entmutigen lässt sich der Nachwuchsboxer von solchen Niederlagen nicht. Auch er möchte später den WM-Titel gewinnen, genau wie sein Vorbild, Mikki Baracuda.

© SZ vom 11.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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