Tennis:Skeptiker auf der Sonnenseite

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In Großhesselohe kann sich Tennisspieler Florian Mayer auf den Wesenskern des Sports besinnen. Das bekommt dem einstigen Zweifler.

Von Sebastian Leisgang, Pullach

Von Florian Mayer war der Weg dann auch nicht mehr weit zu Roger Federer. Ob er den Schweizer denn gesehen habe in Wimbledon, fragte ein älterer Herr am Spielfeldrand einen anderen. Dieser Stopp, schwärmte er, Wahnsinn. Eigentlich, sagte er dann zu seinem Nachbarn, möge er Mayers Art des Tennis nicht. Offenbar aber imponierten Mayers Stopps dem Mann in der Sonntagmittagsonne von Großhesselohe derart, dass er sich gar an den großen Federer erinnert fühlte.

Gigantisch seien die Stopps gewesen, sagte der Zuschauer noch - und stand mit dieser Meinung beileibe nicht alleine da.

Florian Mayer, 33, gab am Sonntag seine Premiere für den TC Großhesselohe. Sein Einzel gegen den Pforzheimer Pascal Meis gewann er souverän 6:3, 6:2 - und provozierte immer wieder staunende Blicke in den Gesichtern auf der Tribüne. Mancher sah etwas ungläubig aus: Ein Spieler wie er in der zweiten Bundesliga? Ist das wirklich der Mayer da unten?

Ja, er war es. Und er imponierte mit einem Tennis, das sich dadurch auszeichnet, dass es sich durch nichts auszeichnet. Mayer ist ein Anarchist auf dem Feld, er spielt Bälle, die sonst keiner spielt. Er lebt von seiner Kreativität, dem Unorthodoxen. Er ist der Thomas Müller des Tennis. Mayer ist unberechenbar, er spielt Slices mit der Vor- und der Rückhand, Stopps im Sprung. "Er hat super gespielt", musste am Ende selbst der Tribünengast bekennen, der Mayers Tennis eigentlich gar nicht mag.

Der Thomas Müller des Tennis: Florian Mayer lebt von seiner Kreativität, dem unorthodoxen Stil. Den Zuschauern in Großhesselohe gefällt das. (Foto: Claus Schunk)

In Wimbledon war Mayer in der zweiten Runde an dem Kroaten Marin Cilic gescheitert - dem späteren Finalisten. Natürlich, sagte er in Großhesselohe nach seinem Debütsieg, wolle er auch künftig bei Grand-Slam-Turnieren aufschlagen, schließlich habe er im Vorjahr Dominic Thiem und Alexander Zverev bezwungen. Aber: Mayer steckt sich inzwischen kleine Ziele. In den Top Hundert zu stehen, es bei großen Turnieren ins Hauptfeld zu schaffen, solche Dinge eben. Mayer ist schon auch deshalb nach Großhesselohe gewechselt: um im fortgeschrittenen Tennisalter bei geringem Aufwand den Sport noch mal auszukosten. Denn es gab auch andere Zeiten.

"Ich hatte oft Phasen, in denen ich viel in Frage gestellt habe", gesteht Mayer jetzt auf einer Bank im Schatten der Bäume. Dann führt er aus: "Es ist nicht nur der Traumberuf, den viele sehen. Es hat viele Schattenseiten." Er meint: die Reisen, die immer gleichen Städte, der Druck. All das trieb ihn in eine Sinnkrise. Von Mai bis Dezember 2008 pausierte er - zunächst wegen einer gerissenen Sehne des Zeigefingers, dann, weil er sich eingestand, dass ihm die Lust abhanden gekommen war. Heute sagt Mayer über die Pause: "Das habe ich gebraucht."

Inzwischen ist er wieder auf der Sonnenseite. In der zweiten Liga geht es für Mayer mehr denn je um die Grundidee eines jeden Sports: mit Vergnügen auf dem Platz zu stehen. Gerade einmal 15 Minuten braucht er von seinem Wohnort Deisenhofen nach Großhesselohe - um dort Spaß zu haben. Ohne das Rampenlicht, das ihm nicht so recht behagt.

An diesem Sonntag gegen den TC Wolfsberg Pforzheim spielt er zwar auf dem Centercourt, allerdings nicht vor Tausenden in Wimbledon, sondern vor ein paar Hundert in Großhesselohe. Nach dem Spiel muss er Interviews geben, das erste sogar noch auf dem Sandplatz, unmittelbar nach dem Match, aber damit ist das Medieninteresse beinahe schon erschöpft.

Gratulation! Florian Mayer (r.) beglückwünscht Marin Cilic in Wimbledon zum Zweitrundensieg. Inzwischen schlägt Mayer in Großhesselohe auf. (Foto: Andrew Couldridge/Reuters)

Später tritt er gemeinsam mit dem Weißrussen Uladzimir Ignatik zum Doppel an, obwohl er sich bei seinem Spiel gegen Meis den Oberschenkel gezerrt hat und das Match nach den Einzeln beim Stand von 5:1 bereits entschieden ist. "Das spricht für seine vorbildliche Einstellung", findet Präsident Bernard Eßmann und erklärt: "Er wusste, dass so viele Leute wegen ihm da waren. Deshalb hat er sich entschieden, das Doppel trotzdem noch zu spielen."

Den ersten Satz verlieren Ignatik und Mayer mit 2:6, den zweiten gewinnen sie aber mit 6:3 und entscheiden das Spiel im Match-Tiebreak mit 10:5 für sich. Auch das ist eine Geschichte dieses ersten Auftritts des Großhesseloher Star-Ensembles: Sechs der neun Partien gegen Pforzheim gehen in die Verlängerung, den Tiebreak aber verliert der TCG nur einmal - ein Zeichen von Nervenstärke und Qualität.

"Man hat dann den Unterschied gesehen", erklärt auch Eßmann. Pforzheim konzentriere sich nur auf die Bundesliga, da die ATP-Tour für den Klub nicht von Belang sei. "Aber man hat in den Tiebreaks gesehen, dass unsere Spieler besser im Rhythmus sind", so Eßmann.

Zufall ist Großhesselohes Auftakterfolg also nicht. Am Vorabend des Spiels ließ der TCG seinen Holländer Boy Westerhof aus Amsterdam und den Spanier Carlos Boluda-Purkiss aus Sri Lanka einfliegen. Eigens für das Spiel gegen Pforzheim. Man wollte den Mitfavoriten in Bestbesetzung in Empfang nehmen, hinterher sah sich Eßmann bestätigt. "Gut, dass wir das gemacht haben", sagte er.

Und gut, dass Mayer zum Saisonauftakt gespielt hat. Mehr als 400 Zuschauer waren an die Pullacher Straße gekommen, eine einmalige Kulisse. Um Mayer zu sehen, den einstigen Skeptiker, der nun auf der Sonnenseite ist.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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