Tennis:Phantasien in der Sauna

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In Pforzheim muss er verletzt aufgeben, gegen Weinheim verliert er. Marcel Zimmermann überlegt, sich künftig dem Herren-30-Team anzuschließen. (Foto: Claus Schunk)

Der TC Großhesselohe vergibt seine Chance, Zweitliga-Meister zu werden. Plötzlich bereut sogar der Präsident, dass das Team den Aufstieg verpasst hat

Von Matthias Schmid, Pullach

Marco Chiudinelli stand vor dem offenen Kofferraum seines Autos und stöhnte. Der kleine Trolley, den er gerade emporwuchtete, fühlte sich in diesem Moment an, als wäre er mit Steinen und nicht mit Klamotten gefüllt. Mehr als zwei Stunden stand der Schweizer zuvor für den Tennis-Zweitligisten TC Großhesselohe auf dem Platz, die Sonne hatte am Sonntag den roten Sandplatz zu einer Sauna erhitzt, schon beim Zuschauen im Schatten rannen den Besuchern die Schweißperlen überall hinab. Es war kein ideales Tenniswetter, ein Freibadbesuch wäre die bessere Alternative gewesen, und doch hauten sich der Schweizer Davis-Cup-Spieler und der Weinheimer Marek Michalicka die Bälle um die Ohren, sie scheuchten einander in jeden Winkel des Courts und führten teils verwegene Ballwechsel auf.

"Ich bin ziemlich fertig", gestand Chiudinelli nach der Partie, die er am Ende trotz dreier abgewehrter Matchbälle im dritten Satz noch für sich entschied. Anschließend gewann der 35-Jährige aus Basel an der Seite des Finnen Micke Kontinen auch noch das Doppel. Die dritte Saisonniederlage der Großhesseloher konnte Chiudinelli allerdings nicht verhindern. Mit 3:6 verlor der Klub aus dem Münchner Süden gegen die Badener. Der TCG verpasste damit jene klitzekleine Chance auf den Meistertitel, die nach der 2:7-Niederlage zwei Tage zuvor in Pforzheim noch geblieben war, und rutschte sogar noch auf den vierten Rang im Endklassement ab.

"Ich hätte gerne den dritten Platz belegt", gab TCG-Präsident Bernard Eßmann hinterher zu. Denn die Weinheimer denken gar nicht daran aufzusteigen, ebenso wenig der zweitplatzierte TC Wolfsberg Pforzheim. Auch der Dritte Hainsacker winkt ab. Der Bundesliga fehlt es an Attraktivität. "Sie ist sehr teuer", findet Chiudinelli, "wie in jedem Land." Eßmann dagegen hätte sich mit einem Aufstieg durchaus anfreunden können, sagt er. "Wir hätten uns ernsthaft damit auseinandergesetzt, wenn uns jemand vom Deutschen Tennis-Bund gefragt hätte." Doch als Vierter ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sie noch an die Reihe kommen. Irgendein Verein wird sich schon finden lassen, der seinen Mitgliedern Bundesliga-Tennis anbieten will.

Eßmann hätte sich das für den TCG vorstellen können, nach anfänglichem Zögern schließt er die erste Liga nicht mehr kategorisch aus wie noch vor Wochen. "Es war nie so leicht, die zweite Liga zu gewinnen, wie in dieser Saison", hat er erkannt. Etwa 80 000 Euro lässt sich der Klub seinen Zweitligakader kosten, 30 000 kommen für Hotel, Trainer und Fahrtkosten hinzu. "20 000 Euro mehr hätten genügt, um Meister zu werden", rechnet Eßmann vor. Er will nun mit dem Namens- und Hauptsponsor der ersten Mannschaft über die nächste Saison beraten.

Eßmanns Sinneswandel hat auch viel mit dem anstehenden Generationswechsel und den notwendigen Umbauten im Kader zu tun. Marcel Zimmermann zum Beispiel, der seit 15 Jahren für Großhesselohe aufläuft, denkt genauso wie Maximilian Wimmer darüber nach, künftig bei den Herren 30 des Klubs in der ersten Liga mitzumischen. Und Hannes Wagner hat nicht die rasante Entwicklung genommen, die sich Eßmann von ihm erhofft hatte. Mit einem einjährigen Beitritt in die erste Liga hätte Großhesselohe Zeit gewonnen, um sich für eine Zukunft in der zweiten Liga mit aufstrebenden deutschen Spielern präparieren zu können. Was paradox klingt, ist nachvollziehbar, weil in der Beletage des deutschen Tennissports nur vier statt sechs Profis erforderlich sind. "Wir hätten unter anderem mit unseren Ausländern Chiudinelli, Arthur De Gref und Bastian Trinker sowie Kevin Krawietz als Ersatzmann antreten können", sagt Eßmann.

Daraus wird nichts werden. Marco Chiudinelli begegnet dem Ligaverbleib jedenfalls entspannt. Er würde auch im nächsten Jahr wieder zum Zweitliga-Tennis nach Großhesselohe kommen. "Mir gefällt es hier", sagt der Schweizer: "Alles ist so familiär." Auch wenn sich bisweilen die Trolleys nicht so einfach aus dem Kofferraum wuchten lassen.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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