Tennis:Gewusel mit Konzept

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Training mit Leihgerät: Der Franzose Gaël Monfils hatte am Sonntag noch „keine Ahnung“, wie er in München spielen würde – seine Schläger waren auf dem Flug zu Bruch gegangen. (Foto: Philippe Ruiz/imago)

Viel Sonne, 8550 Besucher und eine besondere Darbietung auf dem Center Court: Das Münchner ATP-Tennisturnier startet vielversprechend - obgleich der Franzose Gaël Monfils sein Sportgerät vermisst.

Von Gerald Kleffmann, München

Gegen Mittag bog Gaël Monfils um die Ecke, er plauderte kurz hier und da, unter dem Arm trug er seine Tennistasche. Normalerweise sind die bei Profis so dick wie bei einem Umzug, diesmal aber sah es aus, als trage der Franzose ein leeres Etwas durch die Gegend. Tatsächlich war ja nichts drin, zumindest nichts, womit sich kleine gelbe Bälle schlagen ließen. "Total inakzeptabler Service von Lufthansa heute zwischen Genf und München ...", hatte Monfils, der zu den charismatischsten Spielern der nun wieder beim MTTC Iphitos stattfindenden BMW Open zählt, tags zuvor im Internet verbreitet und ein Foto veröffentlicht. Sichtbar wurde ein zerbrochenes Racquet, auch alle anderen Schlaggeräte hatten den Flug nicht überlebt. "Keine Ahnung, mal sehen", sagte Monfils im Vorbeigehen, ob er wisse, wie er nun zu spielen gedenke.

Wenn man so will, war diese Causa das einzige, was schief ging an diesem Startwochenende, und später, so war der Plan, wollte man dieses Problem ohnehin lösen. Zuletzt hatte Monfils in Schweden trainiert, in der Good to Great Academy von Magnus Norman. Dort lagen noch Schläger von Monfils, die ein Begleiter nach München bringen wollte, per Flieger. "Tennisschläger sind eine sehr persönliche Geschichte für Profis", erklärte Patrik Kühnen. Der Turnierdirektor spricht aus Erfahrung als ehemaliger Wimbledon-Viertelfinalist. "Sie haben auch keine normalen Schläger aus dem Geschäft, die Schläger sind besonders gewichtet und auf die Bedürfnisse zugeschnitten."

Daniel Masur und Dustin Brown kämpfen sich über die Qualifikation ins Hauptfeld

8550 Besucher erlebten am Samstag und Sonntag die Qualifikationsmatches und Aktionen (etwa Training mit Toni Nadal, Rafael Nadals langjährigem Trainer) auf dem Klubgelände, das ist ein stattlicher Wert, so richtig beginnt die Veranstaltung ja eigentlich erst an diesem Montag. Dann finden die ersten Erstrunden-Partien des Hauptfeldes statt, drei deutsche Profis dürfen im Einzel gleich auf den Center Court. Yannick Hanfmann, 26, mit einer Wildcard ins Tableau gerutscht und Mitglied des Leistungszentrums in Oberhaching, trifft auf den Zyprioten Marcos Baghdatis, 2006 Finalist der Australian Open. Danach spielt der Münchner Matthias Bachinger, 31, auch dank Wildcard gegen den Kasachen Michail Kukuschkin, ehe Florian Mayer, 34, der sein Karriere-Ende für den September verkündet hat, gegen Qualifikant Martin Klizan antritt; der Slowake hatte 2014 in München in einem skurrilen Finale gegen den Italiener Fabio Fognini (wieder am Start) gesiegt.

Anders als bei Grand-Slam-Turnieren oder 1000ern können die Münchner als 250er-Event nicht jeden Tag die Allerbesten der Branche bieten, aber sie behelfen sich mit einem Trick. Jeden Tag wird quasi ein Motto ausgerufen. Der Montag ist der Tag der Deutschen, wobei sich auch der Dienstag dafür angeboten hätte. Zwei Einheimische hatten sich ja über die Qualifikation noch ins Hauptfeld gekämpft, Dustin Brown (nun gegen Maximilian Marterer) und Daniel Masur (nun gegen Jan-Lennard Struff). Der Dienstag wird nun aber offiziell als der Tag des dreimaligen München-Siegers Philipp Kohlschreiber beworben. Und am Mittwoch steigt Titelverteidiger Alexander Zverev ein. Scheibchenweise werden die Tennis-Interessierten so genährt, eine durchaus durchdachte Strategie, die erfahrungsgemäß nur einen Feind hat: das Wetter. Deshalb führte Kühnen auf die Frage, was er sich für diese Woche wünsche, nur eine Geste vor: Er blickte in den Himmel. Soll heißen: Das Wetter muss mitspielen.

"Notfalls müssen die Schläger über München abgeworfen werden", scherzt Kühnen

Zu welchen Leistungen die Münchner auf dem Gebiet des Flanierens fähig sind, sobald die Sonne scheint, demonstrierten sie insbesondere am Sonntag. Es herrschte ein Gewusel wie auf dem Flohmarkt auf der Theresienwiese, wobei es hier am Rande des Englischen Gartens eine besondere Auffälligkeit gab: Das Gewusel war bewusst von Kühnen konzipiert und koordiniert worden. Da die Qualifikation nach einer Änderung durch die ATP nur noch aus acht Matches am Samstag und vier am Sonntag bei 250er Turnieren besteht, haben sie in München vor drei Jahren damit begonnen, die den Zuschauern fehlenden Wettkampfmatches durch eine andere Darbietung zu ersetzen: Trainingseinheiten. "Andy Murray war vor drei Jahren der Erste, der auf dem Center Court trainierte, dann folgte Kohlschreiber, diesmal waren die beiden Zverevs dran", sagte Kühnen. Und so saßen tatsächlich rund 2500 Beobachter am Tag vor dem Turnierstart im Stadion der MTTC-Anlage, um zu sehen, "wie die Topspieler sich auf so eine Veranstaltung vorbereiten", wie Kühnen erklärte.

"Wir gehen davon aus, dass wir neue Werte erzielen können", sagte Veranstalter Michael Mronz in Bezug auf die Zuschauerzahlen fürs ganze Turnier, das finale Wochenende sei bereits ausverkauft, der Dienstag zu 75 Prozent, der Freitag zu 80 Prozent. Wie im vergangenen Jahr überträgt der BR bis einschließlich Donnerstag per Stream im Internet, ehe der Fernsehsender übernimmt. Für eine makellose Turnierbilanz müssten jetzt wohl nur noch die Schläger von Monfils auftauchen. "Notfalls müssen sie über München abgeworfen werden", meinte Kühnen und zwinkerte.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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