Münchner ATP-Turnier:Ein Schotte für die Ahnengalerie

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Big Point: Die Zusage von Olympiasieger Andy Murray (hier beim Turnier in Indian Wells) ist für Turnierdirektor Patrik Kühnen das "i-Tüpfelchen". (Foto: Imago)

Zum 100. Jubiläum schmückt sich das Münchner ATP-Turnier mit Andy Murray als topgesetztem Profi. Überzeugungsarbeit und einige andere Argumente waren nötig, um den Wimbledonsieger von 2013 zu verpflichten.

Von Gerald Kleffmann, München

Bei der für diesen Donnerstag anberaumten Pressekonferenz in einer Dependance des Titelsponsors drängten sich vorab zwei Fragen auf: Erstens, würde Patrik Kühnen, der offensichtlich in einen Jungbrunnen gefallen ist, wieder einmal unverschämt gut aussehen? Zweitens, auch wichtig: Welchen Topspieler präsentieren die Verantwortlichen bei ihrer Jubiläumsausgabe als Schmuckstück?

Als der Termin nach rund einer Stunde vorbei war, durften die Berichterstatter und Zuhörer in beiden Angelegenheiten gleichermaßen konstatieren: Respekt!

Natürlich sah Kühnen, der selbst ein fähiger Tennisprofi war und seit Jahren die BMW Open als Turnierdirektor verantwortet, unverschämt gut aus in seinem Zweireiher samt fliederfarbener Krawatte. Dass er nun Vater von Zwillingen ist und in Dubai lebt, hat seinen Alterungsprozess offenbar nicht beschleunigt. Dabei wird er ja nächstes Jahr 50, was ihm aber keiner glaubt.

Ebenso unwirklich wirkte im ersten Moment die Nachricht, dass Andy Murray das Teilnehmerfeld bei den 100. "Internationalen Tennis-Meisterschaften von Bayern" anführen wird. "Das ist ein i-Tüpfelchen", sagte Kühnen, der sich auch darüber freute, dass andere namhafte Profis zugesagt haben für das ATP-Turnier (25. April bis 3. Mai) am Rande des Englischen Gartens.

Der Spanier Roberto Bautista-Agut (Weltranglisten-16.), der Franzose Gaël Monfils (18.), Vorjahresfinalist Fabio Fognini (22.) aus Italien, Titelverteidiger Martin Klizan (42./Slowakei), die jungen Wilden Dominic Thiem (Österreich), Jiri Vesely (Tschechien), Bernard Tomic (Australien), dazu die Deutschen Philipp Kohlschreiber und Benjamin Becker plus dem Comebacks-nach-Schulter-OP-Spezialisten Tommy Haas, der eine Wildcard erhalten wird - da durfte Kühnen unwidersprochen sagen: "Das kann sich sehen lassen."

Keine Einwände. Und doch überstrahlt Andy Murray sie alle.

Zum einen hat das mit der sportlichen Liga zu tun, in der sich der Schotte aus Dunblane befindet, zum anderen mit seinem Charisma und, ja, Wortwitz. Und, ganz nebenbei, sicher auch ein bisschen mit Kim Sears, seiner in Großbritannien selbst prominenten Verlobten, die stets mitreist und ihren Schatz leidenschaftlich anfeuert.

"Ich weiß gar nicht genau, wann wir das letzte Mal einen derart hoch stehenden Spieler in München hatten", gestand Kühnen, natürlich mit Stolz in der Stimme. Man muss tatsächlich einige Jahre zurückblicken: 2003 gewann Roger Federer das Turnier am Aumeisterweg und schoss in jener Saison auf Rang zwei der Weltrangliste nach oben.

1994 siegte Michael Stich, 1993 Ivan Lendl, 1975 Guillermo Vilas, auch Boris Becker und das New Yorker Enfant terrible John McEnroe nahmen mal teil, wenn auch ohne Titelgewinn, was der einst berühmte 17-jährige Leimener und heute 47-jährige Erfolgscoach von Novak Djokovic am Donnerstag via Videobotschaft noch mal bedauernd zum Ausdruck brachte. Zu dieser Ahnengalerie der ganz großen Tenniscracks also darf man Murray hinzufügen, und selbst wenn er nur eine knackige Zweitrundenniederlage (in der ersten Runde erhält er ein Freilos) kassiert und sich wieder größeren, standesgemäßen Turnieren dieser Alphaspieler zuwendet, dürfte das Ballyhoo beachtlich werden.

"Ich habe viel über die BMW Open gehört, ich freue mich sehr auf das Turnier", teilte Murray, 27, ebenso in einer Videobotschaft mit, allerdings verrieten weder er noch die Macher des Turniers, worüber er sich auch monetär freuen darf. Denn dass Spieler seiner Kategorie selten bis gar nicht beim MTTC Iphitos aufschlagen, liegt ja nicht daran, dass München eine hässliche Stadt ist oder der Titelsponsor schnarchige Autos baut.

Umzingelt von hochkarätigen Turnieren passt den Branchenführern eine Veranstaltung der 250er Kategorie - das ist die viertgrößte nach den Grand Slams, den Masters-Events und den 500ern - schlicht nicht in den Turnierplan. Und die Höhe des Obolus, mit dem man diese Herren zum Nachdenken bringt, sprengt in der Regel jegliches Budget. Es ist davon auszugehen, dass Murray kurz und heftig nachdachte, aber mit wie vielen Argumenten er gelockt wurde, wollte niemand der Offiziellen präzisieren. Ist eben ein sensibler Bereich.

Auskunftsfreudiger wurde Kühnen indes bei der Schilderung, wie Murray geangelt wurde. "In vielen guten Gesprächen, die immer besser wurden", hat er sich an Ugo Colombini, Murrays Manager, herangepirscht, hat Überzeugungsarbeit geleistet, Geduld bewiesen, nicht locker gelassen, bis vergangene Woche die Zusage kam. Olympiasieger Murray, Nummer vier der Welt, Wimbledonsieger von 2013, bei den Australian Open jüngst erst im Finale von Djokovic gestoppt, Mitglied jener Einheit (mit Djokovic, Federer, Rafael Nadal), die The Big Four genannt wird, hat dies allerdings nicht persönlich gemacht, aber auf das Wort von Colombini, gegen den Kühnen selbst früher spielte, könne er sich verlassen, sagte der Turnierdirektor. Ob Kim Sears, Murrays Partnerin, das berühmte F-Wort auf der Tribüne intonieren darf, wie sie es in Melbourne später viel diskutiert tat, beantwortete Kühnen mit einem Lächeln und dem Verweis: "Das muss der Supervisor entscheiden." Wenn es nach ihm geht, darf Murray samt Anhang so ziemliches alles. Hauptsache, er kommt.

© SZ vom 20.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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