Tennis:Das Paradies muss warten

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Ein einziges Pünktchen fehlt Ribana Roth noch, dann wird sie in der Weltrangliste geführt. (Foto: Claus Schunk)

Ribana Roth arbeitet ehrgeizig an ihrer Profi-Karriere. Erst einmal ist sie aber zum TC Blutenburg zurückgekehrt, um weiter an ihrem Spiel zu feilen

Von Matthias Schmid, München

Platz abziehen, Bälle einsammeln und das Ergebnis bei der Turnierleitung melden: Derlei ist eigentlich für die Protagonisten im professionellen Tennisbetrieb nicht vorgesehen. Dafür gibt es Spezialisten. Ribana Roth hat schon nahezu auf der ganzen Welt Weltranglistenturniere gespielt, sie kennt die bequemen Abläufe dort, dennoch eilte sie nach ihrem lockeren Sieg in der zweiten Runde am Dienstagabend lächelnd über die Anlage des TC Blutenburg zu dem Fenster, hinter dem die Turnierverantwortlichen saßen, die Bälle und Ergebnis entgegennahmen und ihr den Spieltermin für den nächsten Tag mitteilten. Mit ihrem siegreichen Match ist Roth dem Gesamtsieg wieder einen Schritt näher gekommen. Denn nur darum geht es bei der 19-Jährigen, sie will die U-21-Konkurrenz der Blutenburg Open wie im Vorjahr als Gewinnerin beenden. "Ich brauche das Preisgeld", sagt Roth überraschend ehrlich. 1000 Euro warten auf die Siegerin.

Das Leben als Berufstennisspieler stellen sich ja viele Menschen als Wohlfühloase mit Aussicht aufs Paradies vor, die Profis schlafen in den teuersten Hotels der schönsten Städte des Planeten und verdienen nebenbei noch einen Haufen Geld. Das stimmt, aber nur für eine kleine Elite wie Novak Djokovic oder Angelique Kerber. Ribana Roth ist ebenso wie die beiden Tennisspielerin von Beruf, aber sie verdient im Moment: gar nichts. Roth ist ein gutes Beispiel für das verzerrte Berufsbild, bei den Neulingen und Hinterbänklern der mitunter schillernden Branche geht es nicht nur um Siege, sie spielen auch gegen die drohende Privatinsolvenz an. Die Leidenschaft ist hier oftmals nicht viel geringer, die Herausforderungen meist noch größer als auf der großen Tour. Nur mithilfe eines Sponsors kann sich Roth die Reisen um den Globus leisten und den Trainer bezahlen, zwei Dinge, die essenziell sind, um in der Weltrangliste so weit nach oben zu kommen, damit sich der Beruf auch lohnt.

"Gerade so", erzählt Roth, könne sie ihre Rechnungen begleichen. Sie sitzt auf einer Bierbank vor dem Klubhaus, über ihre Wangen rinnt der Schweiß, sie kommt direkt vom Match. Roth kennt die Plätze des TC Blutenburg gut, im Sommer spielte die gebürtige Niederbayerin, die in der Nähe von Deggendorf lebt, für die Frauen in der Bayernliga. Sie ist in diesem Jahr wieder zurückgekehrt in die Heimat, nachdem sie vor zwei Jahren ausgezogen war, um von Berlin aus die Tenniswelt zu erobern. "Das klappte allerdings nicht so wie ich mir das vorgestellt hatte", gibt Roth zu.

Sie hatte Markus Zoecke, ihren früheren Trainer, begleitet, der als Sportdirektor bei Rot-Weiß Berlin eine neue Anstellung fand. Doch statt des früheren Davis-Cup-Spielers kümmerten sich hauptsächlich dessen Assistenten um Roth. "Die waren allerdings nicht so engagiert und wenig motiviert", findet sie im Rückblick. Bei einem Turnier in der Heimat lernte sie Nic Marschand kennen, der im Münchner Norden eine Tennisschule besitzt. Seit mehr als einem Jahr arbeitet sie nun schon mit dem früheren Trainer von Michael Stich und Barbara Rittner zusammen. Ziemlich erfolgreich. Im Herbst des vergangenen Jahres spielte sie sich in Ismaning erstmals bei einem mit 10 000 Dollar dotierten Turnier bis ins Viertelfinale vor. "Das waren meine ersten Weltranglistenpunkte", sagt sie stolz. Doch um in das weltweite Ranking aufgenommen zu werden, muss sie Punkte bei drei verschiedenen Turnieren sammeln: "Ein Zähler fehlt mir noch."

So wie sie derzeit in Form ist, dürfte das nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie im WTA-Computer geführt wird. Ribana Roth spielt ein aufregendes Tennis, sie hebt sich mit ihrem variablen Stil wohltuend ab von vielen Spielerinnen ihres Alters. Natürlich beherrscht auch sie das aggressive Spiel mit wenig Topspin, aber sie streut auch mal einen langsamen Slice ein oder rückt ans Netz vor, um den Ballwechsel zu verkürzen. "An meiner Vielseitigkeit haben wir viel gearbeitet, um mein Spiel unberechenbarer zu machen", erklärt Roth.

Nur das mit ihrem Vorbild will sie noch mal überdenken. Maria Scharapowa hat sie immer bewundert. "Das ist jetzt halt dumm gelaufen mit dem Doping", sagt Ribana Roth mit einem Lächeln und fügt hinzu: Angelique Kerber sei auch ganz in Ordnung, "weil man an ihr sieht, dass man es auch als Deutsche ganz nach oben schaffen kann".

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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