Tennis:Ausgemixt

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Früher sah sich Jeremy Jahn (hier beim Turnier in Rennes) als reinen Sandplatzspezialisten. Mittlerweile gewinnt er Turniere auf Hartplatz. (Foto: privat/oh)

Der Münchner Profi Jeremy Jahn gewinnt das Future-Turnier in Oberhaching

Von Matthias Schmid, München

Geld für das Mixen von Cocktails hat Jeremy Jahn schon länger nicht mehr bekommen. Das sei auch gut so, findet der 25-Jährige. Der Job als Barkeeper in einem Münchner Club erinnert ihn an schwierige, ja sogar existenzbedrohende Zeiten, "obwohl es eine coole Sache war und ich dadurch viele interessante Menschen kennen gelernt habe", wie er heute sagt. Mittlerweile verdient er seinen Lebensunterhalt wieder als professioneller Tennisspieler. Es lassen sich bestimmt Menschen finden, die weder die eine noch die andere Beschäftigung als solide Tätigkeit einstufen. Doch das ist Jahn, geboren und aufgewachsen in Bad Tölz, egal. Ziemlich egal sogar. "Ich bin froh, dass ich meiner Leidenschaft wieder nachgehen kann", sagt er. Und überaus erfolgreich dazu.

Am Sonntag gewann der Münchner das neu geschaffene und mit 10 000 US-Dollar dotierte Future-Turnier in Oberhaching, im Finale besiegte er seinen Kumpel Robin Kern 6:3, 6:3. Für Jahn war es schon der sechste Turniersieg in diesem Jahr, der zweite bei einem Weltranglistenwettbewerb der untersten Kategorie. "Zurzeit läuft es richtig gut für mich, ich habe sehr viel Spaß am Tennis", sagt Jahn. Das hat auch viel damit zu tun, dass er keine Zeit fürs Münchner Nachtleben mehr hat, weil er am nächsten Tag ausgeruht auf dem Tennisplatz stehen muss.

Wegen einer nicht auskurierten Schambeinentzündung musste Jahn zweimal mehrere Monate mit Tennis aussetzen, in dieser Zeit jobbte er zwei Winter lang als Barkeeper. Nun ist er wieder fit, kann seit mehreren Monaten verletzungsfrei trainieren. "Die harte Arbeit vor dieser Saison hat sich nun endlich bezahlt gemacht", erzählt Jahn. Ganz ohne Schmerzen ging es aber auch im Sommer nicht, dieses Mal plagten ihn die Sprunggelenke. "Aber ich achte jetzt viel besser auf meinen Körper als früher und mache viele Übungen, um Dysbalancen vorzubeugen", erklärt er.

Jahn hatte lange damit gehadert, dass sein anfälliger Körper womöglich nicht für den harten Profisport geschaffen sei. Doch seit er kontinuierlich und fast beschwerdefrei mit seinem Trainer Marc Meigel in Unterschleißheim an seinen Schwächen arbeiten kann, hat er sich zu einem kompletteren Spieler entwickelt. Früher tat er sich selbst als reinen Sandplatzspezialisten ab, weil er mit 1,78 Meter Körperlänge zu den kleineren Spielern auf der Tour zählt und am liebsten weit hinter der Grundlinie spielte, um seine Gegner mit langen Ballwechseln zu zermürben. Das hat sich geändert: "Mittlerweile fühle ich mich auf dem Hartplatz fast wohler", sagt Jahn. Der Rechtshänder schlägt nicht nur viel besser auf, sondern bereitet mit wuchtigen und präzisen Grundschlägen die Ballwechsel so vor, dass er sie am Netz mit leichten Flugbällen beenden kann. Auch auf dem Hartplatz in Oberhaching kam er so zu einfachen Punkten.

Die neue Strategie soll ihn auch bei den Ismaning Open zum Erfolg tragen, das Future-Turnier schließt nahtlos an den Oberhachinger Wettbewerb an, Jahn tritt an diesem Dienstag zunächst im Doppel an. Die jüngsten Siege bringen ihn in der kommenden Woche nicht nur erstmals unter die besten 500 der Weltrangliste, sie haben ihn auch selbstsicherer gemacht: Er legte am Montag einen Tag Pause ein, obwohl in Ismaning auf Teppich gespielt wird. "Ich werde mich da trotzdem schnell zurechtfinden", glaubt Jahn. Die freie Zeit nutzte er zum Reifenwechsel, denn bald benötige er Winterreifen für die Fahrt nach Frankreich, wo er in der ersten Liga spielen wird.

Fast vier Monate im Jahr verbringt Jahn damit, in nationalen Ligen in Deutschland, Österreich oder eben Frankreich zu spielen. "Nur so kann ich mir das Geld für die Reisen um den Globus finanzieren", erklärt er. Von seinem Preisgeld kann der Bundesligaspieler des TC Blau-Weiss Neuss noch nicht leben, in seiner Karriere hat er bisher 32 000 Dollar verdient. Deshalb hofft er, dass es für ihn in der Weltrangliste weiter so rasant nach oben geht wie im Moment, dass er vielleicht schon im nächsten Jahr einmal bei einem Grand-Slam-Turnier an der Qualifikation teilnehmen darf, wo man in Wimbledon allein für das Erreichen des Hauptfelds fast 45 000 Dollar erhält. Dafür ist aber ein Platz um die 250 erforderlich.

Kein utopisches Ziel. Jeremy Jahn bringt alle Voraussetzungen mit, um auch Top-100-Spieler zu schlagen, was er in Neuss in diesem Jahr bereits gezeigt hat. "Für mich ist es aber noch etwas Besonderes, gegen solche Spieler zu spielen", sagt er. Das soll sich ändern: Jahn plant, im nächsten Jahr auf der nächst höheren Challenger-Tour zu spielen. Seine Zeiten als Barkeeper sollen endgültig Vergangenheit sein.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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