Talentiade-Preisträger:Über alle Grenzen

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"Sie zieht viel Selbstbewusstsein aus dem Sport": Isabel Baumann, 13, hat bereits WM-Erfahrung. (Foto: Catherina Hess)

Isabel Baumann aus Seefeld ist deutsche Meisterin im Trampolinspringen - der Lohn für viel Training und noch mehr Mut

Von Katharina Schöbi, Hechendorf

Natürlich sind sie nicht ganz schwerelos, nicht "völlig losgelöst von der Erde" wie Major Tom und sein Raumschiff. Dennoch kann einem Peter Schillings Neue-Deutsche-Welle-Klassiker in den Sinn kommen, wenn man Trampolinspringer im Wettkampf beobachtet. Wie sie bis zu neun Meter hoch in die Luft fliegen, wie bei voller Körperspannung die Zeit für Sekundenbruchteile still zu stehen scheint. Die kurzzeitige Überwindung der Schwerkraft ermöglicht Salti, Schrauben und Grätschen. Dann geht's zurück ins federnde Tuch und wieder nach oben. Diese faszinierende Turndisziplin erfordert größtmögliche Körperbeherrschung und ausgeprägtes Gleichgewichtsempfinden: Fähigkeiten, die man möglichst schon in jungen Jahren entdeckt und trainiert.

Die 13-jährige Isabel Baumann ist deutsche Meisterin im Trampolinspringen, sie bringt all diese Eigenschaften mit. Und die Seefelderin hat noch etwas, worauf es ankommt: Ehrgeiz und starken Willen. "Sie weiß auf jeden Fall, was sie will, und sucht sich dabei nicht immer den einfachsten Weg aus", weiß ihre Mutter Sylvia. Seelfeld liegt am Pilsensee, mitten im Fünfseenland, von dort fährt Isabel Baumann mindestens fünfmal pro Woche nach München und übt dort nach dem Krafttraining eineinhalb Stunden lang auf dem Trampolin. Nicht immer fällt ihr das leicht, erzählt sie, zum Beispiel wenn sich ihre Freundinnen im Sommer am See verabreden.

Als Fünfjährige begann sie beim TSV Hechendorf zu turnen. Trainerin Daniela Martini, die sie später zum Trampolinspringen brachte, witterte rasch ein Ausnahmetalent. "Sie hat die Angst nicht", erklärt sie. "Beim Trampolinspringen kommt man bald an Grenzen, an denen man Mut braucht, weiterzumachen." Etwa wenn im Training Neues ausprobiert wird, Rückwärtsdrehungen, größere Sprunghöhen. Wer da Angst bekommt, kann sich kaum verbessern. Isabels Ehrgeiz aber ist stärker als der Respekt vor Salti und Schrauben in schwindliger Höhe. "Ich gebe nicht gerne auf", sagt sie. "Manchmal stehe ich mir damit aber auch selber im Weg: Wenn ich etwas nicht gleich hinbekomme, kann ich richtig aufgebracht werden."

Mit Wettkampfsport begann sie, als sie vor vier Jahren zu den Munich Airriders wechselte. Es folgten deutsche Synchron-Meisterschaften und bayerische Meisterschaften. Mittlerweile bestreitet sie bis zu 15 Wettkämpfe pro Saison. Einer der Höhepunkte war im Vorjahr die WM-Teilnahme in Florida: Hier erreichte sie sowohl in der Einzelwertung als auch im Synchronspringen den fünften Platz. "Auf solche Wettkämpfe bereiten wir uns zwei Jahre lang intensiv vor", sagt Trainer Markus Thiel von den Munich Airriders. "Natürlich mache ich so etwas nur mit Jugendlichen, denen ich das wirklich zutraue."

Vorbereiten heißt: Die Trainingspläne werden gezielt auf ein solches Ereignis ausgerichtet, oft auch noch kurzfristig veränder. Es sei dann "noch anstrengender als sonst", findet die junge Athletin, "aber mit einem Ziel vor Augen trainiert es sich leichter." Zurzeit bereitet sie sich auf die Herausforderung im Frühling nächsten Jahres vor: Bei der Europameisterschaft in Spanien muss sie gegen 17-Jährige antreten.

Die Wettkämpfe kosten allerdings auch Geld. Familie Baumann gibt im Jahr zwischen 10 000 und 12 000 Euro für den Sport ihrer Tochter aus, neben den Kosten für das regelmäßige Training müssen Reisen und Unterbringung meist aus eigener Tasche bezahlt werden. Zwar ist auch Trampolinspringen eine olympische Disziplin, aber einfach zu unbekannt, um für junge Talente Sponsoren zu finden.

Nicht viele Eltern zeigten Verständnis für das notwendige tägliche Training, weiß Thiel. Das Ehepaar Baumann aber hat sich einst beim Turnen kennengelernt und versteht die Faszination für den Sport. Sie unterstützen ihre Tochter, so gut sie können. "Solange sie Spaß daran hat, sind wir froh, dass wir ihr das ermöglichen können", sagt Mutter Sylvia. Ihre Tochter knüpfe auf Wettbewerben auch immer wieder Freundschaften zu Teilnehmern aus anderen Ländern. "Sie zieht außerdem viel Selbstbewusstsein aus dem Sport." Der Risiken, die die meterhohen Sprünge ohne Rückenprotektor oder Schutzhelm mit sich bringen, ist sie sich bewusst, akzeptiert sie aber. "Bei anderen Athleten mache ich mir manchmal größere Sorgen als bei ihr."

Trotz des großen Zeitaufwands läuft es für Isabel in der Schule sogar besser, seit sie so viel trainiert. Die Stunden auf dem Trampolin rauben ihr nicht etwa Zeit zum Lernen, sondern haben sie disziplinierter gemacht, sagt sie. Sie werde die Schule auf jeden Fall durchziehen - obwohl sie im Geiste doch manchmal abhebt und von Olympia träumt.

Bisher erschienen: VV Ingelsberg (20./21.6.), Sydney Lohmann (22.6.), Victoria Kothny (25.6.), Amelie Döbler (27.6.), Valentin Müller (2.7.)

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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