Eishockey-Oberliga:Bedingt aufstiegsbereit

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Wiedersehen am 9. Oktober: Bad Tölz (vorne Johannes Sedlmayr) erwartet Klostersee (Felix Kaller). (Foto: Hartmut Pöstges)

Neues Präsidium, neue Geschäftsführung, neuer Trainer: Die Tölzer Löwen versuchen, in ihrem Umfeld wieder mehr Begeisterung zu wecken. Der EHC Klostersee geht die Saison entspannter an

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/Grafing

Das Haar ist deutlich zu kurz, und dieser osteuropäische Akzent . . . "Gutten Tack", sagt Jereme Tendler und klingt so gar nicht wie ein Kanadier. Noch verwirrender ist, dass sich der Zugang mit dem Namen Marek vorstellt.

Als die Tölzer Löwen Anfang August einen langhaarigen Kanadier namens Jereme Tendler als Zugang präsentierten, klang das in den Worten von Geschäftsführer Thomas Maban so: "Der bringt uns richtig weiter, ein echter Kracher." Tendler, 31, spielte zuvor fünf Jahre in der höchsten britischen Liga, wo er in 258 Spielen 285 Scorerpunkte sammelte. Der 1,88 Meter große Angreifer aus Saskatchewan schien genau die Verstärkung zu sein, nach der Löwen-Trainer Axel Kammerer gesucht hatte. Dass Statistiken nur bedingt belastbar sind, musste Kammerer dann in den ersten Testspielen erfahren. Bei einer Gesprächsrunde vor zwei Wochen mit Fans sagte er: "Fakt ist: Momentan sind wir nicht zufrieden, er muss dominierend sein. Aber wir müssen ihm auch noch Zeit geben." Die Geduld währte noch genau eine Woche. Beim letzten Testspiel sah Tendler, die Löwenmähne zum Zopf gebunden, wie der Tscheche Marek Curilla zwei Tore und eine Vorlage zum 7:2 gegen Ligakonkurrent Klostersee beisteuerte. Curilla, 29, Kurzhaarfrisur, eine Empfehlung der Tölzer Verteidiger-Legende Petr Taticek, schnappte sich den zweiten Kontingentplatz neben dem Slowaken Lubos Velebny. Am Dienstag unterschrieb er einen Kontrakt bis Saisonende.

Der vermeintliche Kracher Tendler ist verpufft, man verhandelt über eine Vertragsauflösung. Die Personalie zeigt, wie schwierig es ist, den zweimaligen deutschen Meister wieder zu einer Marke zu machen. Einerseits Neugier zu wecken auf Oberliga-Eishockey, andererseits nicht zu viel zu versprechen. Der ehemalige Nationalspieler Kammerer, 51, geht den Job bei seinem Heimatverein bereits zum zweiten Mal an. Beim ersten Mal stieg er mit den Löwen in die Oberliga ab, dann wieder auf, und führte sie bis an die Spitze der zweiten Liga. Die Erfolgsgeschichte endete 2009 jäh mit der zweiten Insolvenz der Löwen nach 2003. Seitdem stecken die stolzen Tölzer in der dritten Liga fest. 2012 holte Florian Funk mit einem Team, das hauptsächlich aus eigenen Nachwuchsspielern bestand, die deutsche Oberliga-Meisterschaft. Doch der Verein traute sich den Sprung nach oben nicht zu. Das Credo des damaligen Präsidenten Josef Hintermaier lautete: "Unter mir wird es keine weitere Insolvenz geben." Als Spätfolge stürzten in der vergangenen Saison die Zuschauerzahlen ab, der Unmut im Umfeld wuchs, Geschäftsführer Gröger machte seinen Platz frei. Funk musste nach fünf Jahren gehen.

Seit dem vergangenen Donnerstag ist nun wieder Hubert Hörmann Präsident des EC Bad Tölz, Hintermaiers Vorgänger, ein selbständiger Unternehmer, der es gewohnt ist, die Dinge anzuschieben. Bedingung für seine zweite Amtszeit war, dass die Löwen 150 000 Euro zusätzlich auftreiben. Das gelang. Der Etat stieg auf rund 800 000 Euro. "Wenn er sagt, eine Sitzung beginnt um 16 Uhr, dann holst du dir keinen Kaffee mehr", sagt Kammerer. "Dann beginnt die Sitzung um 16 Uhr." Offenbar hat sich das Tölzer Publikum nach so einem starken Mann gesehnt. Rund 500 Dauerkarten sind verkauft, die Erwartungshaltung gestiegen. Kammerer weiß, dass es aber nicht reichen wird, eine Aufbruchstimmung herbeizureden, er sagt: "Wir müssen in Vorleistung gehen." Dafür haben sie Johannes Sedlmayr aus der zweiten Liga (Ravensburg) zurückgeholt und in Markus Janka, 35, deutscher Meister mit dem ERC Ingolstadt, einen Torwart mit zwölf Jahren DEL-Erfahrung. Sie haben in Tobias Eder und Christoph Kiefersauer, beide 17, zwei Toptalente integriert, "die werden uns viel Freude machen", und jetzt haben sie auch noch Marek Curilla. Wie ernst die Lage trotzdem ist, hat Kammerer zuletzt eher unterschwellig gespürt: als er beim Bäcker nicht mehr auf Eishockey angesprochen wurde. Zwar wollen sich die Verantwortlichen nicht auf das Ziel Aufstieg festnageln lassen, zumindest nicht in dieser Saison. Aber sie fürchten, dass es den Löwen andernfalls ergehen könnte wie anderen Tölzer Institutionen, die von der Bildfläche verschwunden sind: "Das Alpamare gibt's nicht mehr, den ,Bullen von Tölz' gibt's nicht mehr . . .", sagt Co-Trainer Bene Huß. Er lässt den Satz unvollendet.

Derart existenzielle Gedanken hegt Alexander Stolberg, Präsident des EHC Klostersee, vor der an diesem Freitag beginnenden Saison nicht. Bad Tölz erwartet er auf einem Platz zwischen vier und sieben, sein Team knapp dahinter. In dem Deutschkanadier Anthony Ast, US-Profi Cole Gunner und dem Finnen Miikka Tuomainen glaubt Stolberg, "offensiv eine der besten Mannschaften der Liga" komponiert zu haben. Dazu verfügt Trainer Andzejs Mitkevics über etablierte Deutsche wie den ehemaligen U-20-Nationalspieler Raphael Kaefer, Philip Quinlan oder Valentin Scharpf. In Christian Hummer, der nach Riessersee in die zweite Liga gewechselt ist, und Dominik Quinlan, der seine Karriere verletzungsbedingt beendet hat, haben die Grafinger zwei Stützen der Abwehr verloren. In Rückkehrer Bernd Rische, 34, und Florian Engel, 25, hat der EHC dafür zwei erfahrene Spieler aus Erding gewonnen, die "als Typen wichtig sind, auch in der Kabine", wie Stolberg sagt. Und in Marcel Pfänder, 20, der aus dem Krefelder Nachwuchs kam, ein 1,86 Meter großes Verteidigertalent, von dem er sich viel verspricht.

Das 2:7 in Bad Tölz gefiel Stolberg zwar nicht, auch nicht das 1:4 zum Abschluss der Vorbereitung gegen Regensburg, einen der Favoriten neben Landshut. Aber Statistiken sind nur bedingt aussagekräftig.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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